Badhaus in Wilhelmsbad: Seit einem Jahr wird das Badhaus, der zentrale Bau der Kuranlage in Hanau-Wilhelmsbad, saniert – und dabei gibt es überraschende Funde.

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Das Badhaus ist bodenlos: Der Schritt durch die Eingangstür führt über Bauschutt zu aufgerissenen Gräben, den alten Abwasserkanälen im Erdgeschoss. Dort, wo später wieder ein durchaus eindrucksvolles Entree entstehen soll, parkt derzeit ein kleiner Bagger.

Noch immer kann man an den Fundamenten erkennen, wo einst die Badekabinen für die Kurgäste abgeteilt waren, rechts vorne ist sogar eine der Wannen erhalten. Eine zentnerschwere Sandsteinkonstruktion, in der man sich einst in warmem Heilwasser entspannen konnte, ist in den Boden eingelassen. Aber selbst die letzte verbliebene Badewanne in Wilhelmsbad hat gelitten: Durchbrüche an den beiden Längsseiten zeigen, wo vor vier Jahrzehnten mehr Wert auf neue Heizungsleitungen als auf das historische Erbe des Gebäudes gelegt worden war. Tatsächlich hat das Badhaus, das Herz der spätbarocken Anlage, eine wechselhafte Geschichte erlebt – und das sieht man auch der Baustelle an.

Kirsten Worms ist die Direktorin der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen und somit Hausherrin von Park und Kuranlage in Wilhelmsbad. Somit fällt auch die Sanierung des Badhauses, die wohl bis in den Sommer 2027 dauern wird, in ihre Zuständigkeit. Diese ist Teil eines groß angelegten und langwierigen Projekts: Seit zwei Jahrzehnten wird saniert. So ist die abgebrannte Kleine Parkwirtschaft neu entstanden und der Arkadenbau mit dem Puppenmuseum modernisiert. Um die gesamte Häuserzeile in Wilhelmsbad zu sanieren, müssen mehr als 70 Millionen Euro ausgegeben werden.

Das Badhaus soll zur zentralen Anlaufstelle im Park und der Kur werden: Dort wird laut Worms die Besucherinformation eingerichtet, und ein Rundgang durch das Erdgeschoss mit den ehemaligen Bädern soll möglich sein. Dabei werde man virtuell Erbprinz Wilhelm und seinen Baumeister Ludwig Cancrin kennenlernen, der auf Geheiß des Herrschers Wilhelmsbad mitsamt dem historischen Karussell im Park von 1777 an hochzog.

Laut Worms gab es einige Unstimmigkeiten zwischen den beiden: Wer habe denn bitte hier das Sagen, der Graf von Hanau oder der Architekt? Cancrin baute damals schnell und teilweise nach heutigem Verständnis recht wagemutig – weil ein Saal im ersten Stock größer werden sollte, wurde dessen Mauer so versetzt, dass sie nicht mehr auf der des Erdgeschosses ruht –, aber durchaus solide.

Den Planern und Arbeitern macht nach Angaben von Nils Wetter von den Staatlichen Schlössern und Gärten im Moment vor allem der Untergrund zu schaffen. Wilhelmsbad steht auf einem verfüllten Steinbruch, dessen Reste auch jenseits der am Park entlangführenden Straße noch zu sehen sind. Aber dieser Untergrund ist nicht an jeder Stelle gleichermaßen tragfähig, und daher zeigen sich an der Fassade des Badhauses Setzrisse. Stabilisiert werden soll das Fundament durch eine Reihe von Bohrpfählen.

Etliche sind schon gesetzt, aber nun muss erst einmal an einer Stelle neu geplant werden: Der Fund der alten Badewanne war gleichermaßen erfreulich wie unvorhergesehen. Rund um das Bad sollen keine Pfähle gesetzt werden. Dass es bei der Sanierung alter Gebäude Überraschungen gibt, das ist für die Fachleute keine Überraschung. Aber da ansonsten außer unter Tapeten verborgenen Wandbemalungen nicht viel im Originalzustand erhalten geblieben ist, kommt der Wanne umso größere Bedeutung zu.

Das Badhaus hat in seiner Geschichte etliche Funktionen gehabt. Lange wurde es als "Große Parkwirtschaft" gastronomisch genutzt. Dabei wurde der Bau ziemlich rigide an die jeweiligen Bedürfnisse angepasst. Keiner will im Gastraum dicke Säulen, also heraus damit, ein paar Stahlträger werden die Statik schon richten. Einer Gastroküche waren schon vor Jahrzehnten die alten Öfen für die Warmwasserbereitung im Wege, also blieben von ihnen nur die Fundamente.

Auch die augenscheinlich eigenwillige Elektroinstallation wurde dem Bedarf angepasst. Die Leitungen und Steckdosen lassen vermuten, dass die Elektriker beim Einbau in die Bruchsteinwände einigermaßen geflucht haben dürften.

Erinnerungen an die Gastwirtschaft finden sich bis heute

Überlegungen, das Gebäude wieder für eine Gastronomie zu nutzen, sind übrigens laut Worms schnell verworfen worden: In der Nachbarschaft gebe es Cafés im Puppenmuseum und dem Comoedienhaus, dem Scheunentheater der Kuranlage. Zusammen mit der Kleinen Parkwirtschaft auf der Rückseite des Gebäuderiegels sei also schon ein gutes Angebot für Besucher vorhanden.

Erinnerungen an die Gastwirtschaft finden sich bis heute, Hühnerknochen und Muschelschalen zum Beispiel. Auch lange nach der Abreise adeliger Kurgäste hat man es sich dort offenbar bei einer Portion Austern gut gehen lassen. Worms und ihre Mitstreiter sammeln derzeit alte Postkarten oder andere Erinnerungsstücke aus der Zeit der Großen Parkwirtschaft, sie sollen Gegenstand einer kleinen Ausstellung werden.

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Das erste Jahr der Sanierung ist vor allem der Stabilisierung des Untergrunds gewidmet, Ende dieses, Anfang des nächsten Jahrs wird das nach Wetters Einschätzung erledigt sein. Bis dahin tut sich in den drei Obergeschossen wenig. Der Saal im ersten Stock soll wieder für Veranstaltungen dienen, die später dort eingerichteten Gästezimmer werden verschwinden. Nach Überzeugung von Worms und Wetter braucht die Anlage eine Nutzung. Die ursprüngliche für die Kur wird es aber garantiert nicht: Schon 1815 versiegte die Quelle, die sich zudem als nicht sonderlich heilkräftig herausgestellt hatte. Zwar wurde noch einige Jahre Heilwasser aus Bad Nauheim herangeschafft, doch 1857 war Schluss und die Kur endgültig baden gegangen.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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