Mindestlohn, Reichensteuer, Schuldenbremse - das waren die Themen der Talkshow "Anne Will" am Sonntagabend. Unterhaltsam war aber vor allem der Schlagabtausch zwischen CDU-Politiker Ralph Brinkhaus und SPD-Mann Norbert Walter-Borjans wegen einer möglichen Koalition der SPD mit der Linkspartei.

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Drei Wochen sind es noch bis zur Bundestagswahl am 26. September. Die Parteien haben längst in den Wahlkampfmodus geschaltet, es wird mit harten Bandagen gekämpft.

Während in den letzten Tagen und Wochen die Klima- und Coronapolitik sowie die Lage in Afghanistan die Schlagzeilen bestimmten, wollte Anne Will in ihrer Talkshow am Sonntagabend vor allem abklären, welche Auswirkungen das Wahlergebnis für die Finanzen des Landes und die der Bürger haben könnte.

"Mindestlohn, Reichensteuer, Schuldenbremse - steht Deutschland vor einer Richtungswahl?", lautete die übergeordnete Frage der Sendung. "Wir schauen uns heute an, wer die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wohl eher belasten oder entlasten will", präzisierte Will.

Mit diesen Gästen diskutierte Anne Will:

Der Schlagabtausch des Abends bei "Anne Will":

Den gab es gleich zu Beginn der Sendung, das Wortgefecht zwischen Norbert Walter-Borjans und Ralph Brinkhaus hatte nichts mit Steuern und Finanzen zu tun. Da die CDU in aktuellen Umfragen nur bei 20 Prozent steht, schaltete Brinkhaus genauso wie zuletzt Kanzlerkandidat Armin Laschet in den Angriffsmodus und setzte auf die derzeit bei der CDU beliebte Rote-Socken-Diskussion.

Er konfrontierte Walter-Borjans also mit der Möglichkeit einer Rot-Rot-Grünen Koalition. "In etwas kürzeren Worten zusammengefasst, haben Sie gesagt: 'Natürlich machen wir es mit der Linken'", kommentierte Brinkhaus die Ausführungen des SPD-Vorsitzenden zu möglichen Koalitionsverhandlungen. Mit seinen Warnungen vor einem möglichen Linksruck wurde er noch deutlicher: "Die Menschen müssen wissen, dass sie mit Olaf Scholz einen Linkskanzler wählen."

Wie Scholz kürzlich beim RTL-Triell, vermied es aber auch Walter-Borjans, irgendeine Option auszuschließen. "Wir reden mit allen demokratischen Parteien", erklärte er. Dann machte der SPD-Politiker noch deutlich, was er von der aktuellen Rote-Socken-Kampagne der Union hält: "Das Pfeifkonzert vor der Bühne, wenn sie von roten Socken reden, bedeutet eigentlich etwas ganz anderes. Maskenskandale, Lobbyzahlungen, das ist es, was die Leute nicht mehr wollen."

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Der Spruch des Abends bei "Anne Will":

"Als westfälischer Steuerberater bin ich völlig unverdächtig, dass ich Voodoo betreibe." Brinkhaus antwortete auf den Vorwurf von Walter-Borjans, finanzpolitischen Voodoo zu veranstalten, weil Steuern für Reiche gesenkt werden sollen, ohne auf Investitionen zu verzichten und neue Schulden zu machen.

Darüber wurde bei "Anne Will" außerdem diskutiert:

Da mit Wissler und Chrupalla Vertreter des Parteienspektrums von ganz links und ganz rechts bei Anne Will zu Gast waren, gab es ein gewisses Konfliktpotenzial. Eine direkte Konfrontation blieb allerdings aus, es wurden nur mehrfach verächtliche Blicke ausgetauscht.

Die Politikerin der Linkspartei gab sich die ganze Sendung kämpferisch und plädierte vor allem für eine stärkere Besteuerung der Reichen. "Ich habe ein Störgefühl, wenn die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander geht. Und das Problem ist doch, dass das auf politische Entscheidungen zurückzuführen ist", sagte sie und verwies auf Leiharbeit und Niedriglöhne.

"Es gibt Gehaltsunterschiede, die sind einfach nicht vertretbar. Wenn eine Pflegekraft 300 Jahre dafür arbeiten muss, um auf das Jahresgehalt eines DAX-Vorstandsvorsitzenden zu kommen, steht das doch in keinem Verhältnis", erklärte sie.

Während die Linkspartei also vor allem bei der Besteuerung von reichen Menschen stärker ansetzen will, schwebt der Alternative für Deutschland etwas anderes vor. Tino Chrupalla wurde von Anne Will mit der Forderung aus dem AfD-Parteiprogramm konfrontiert, dass Deutschland aus der Europäischen Union austreten solle.

Eine Position, die in Europa nicht mal von rechten Hardlinern wie Marine Le Pen oder Viktor Orban vertreten wird. "Warum wollen Sie Deutschland so schaden?", fragte Will. Dies sei eine Maximalforderung, ruderte der AfD-Spitzenkandidat sofort ein wenig zurück, als Oppositionspartei könne man diese ruhig so formulieren.

"Wir erkennen keine Reformbereitschaft der EU“, erklärte Chrupalla und rechnete vor, wie viel der deutsche Steuerzahler in die EU einbezahle und wie viel weniger er herausbekomme. Konfrontiert mit den Fakten, wie sehr Deutschland tatsächlich wirtschaftlich von der EU profitiert und dass 84 Prozent der Deutschen sich als Bürger der EU fühlen, wich Chrupalla aus und begann über Renten, Nullzins-Politik und die Kosten der Euro-Rettung zu sprechen.

"Lohnt es sich für Deutschland nicht mehr, in der EU zu sein?", frage Will deshalb CDU-Mann Brinkhaus. "Völliger Blödsinn", entgegnete der CDU-Politiker und warnte vor einem wirtschaftlichen Crash: "Damit würden wir uns den Lebensnerv abschneiden."

So schlug sich Anne Will:

Die Talkmasterin zeigte sich eiskalt, gut vorbereitet und brachte ihre Gäste ein ums andere Mal ins Schwitzen. Kurz vor dem Ende der Sendung konfrontierte sie Janine Wissler mit ihrer Vergangenheit im trotzkistischen Netzwerk Marx21, was die Linken-Politikerin sichtlich aus der Fassung brachte.

Ziemliche Mühe hatte Anne Will nur am Ende der Sendung, als Brinkhaus und Walter-Borjans einfach weiter stritten, obwohl an die "Tagesthemen" abgegeben werden sollte. Meistens behielt Will aber die Oberhand. Dass den Gästen teilweise das Temperament durchging, lässt sich in der aktuellen Phase des Wahlkampfes wohl nicht vermeiden.

Das Fazit:

Die Talkshow von Anne Will am Sonntagabend hatte einige gute Momente, vor allem der Schlagabtausch zwischen Brinkhaus und Walter-Borjans war unterhaltsam.

Wirklich konkret über Finanzpolitik sprach aber eigentlich nur Janine Wissler, wirklich viel Erhellendes über die Pläne der anderen Parteien, was Mindestlohn, Reichensteuer und Schuldenbremse angeht, erfuhren die Zuschauerinnen und Zuschauer nicht.

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