Bei "Anne Will" läutet Markus Söder den langen Kampf um die Kanzlerkandidatur der Union ein - punkten will er mit neuen Maßnahmen gegen das Coronavirus. Der Grüne Robert Habeck wirft dem CSU-Chef Besserwisserei vor, Christian Lindner unterstützt Laschet mit einem gewieften Seitenhieb.

Eine Kritik
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Elefantenrunde bei "Anne Will": Gleich vier Parteivorsitzende sondieren die Lage - ohne den Mann der Stunde Armin Laschet. Dafür meldet Markus Söder schon mal Gesprächsbedarf in Sachen Kanzlerkandidatur an.

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In der Runde hat er keine Unterstützer: FDP-Chef Christian Lindner preist Laschet als besseren Wahlkämpfer und greift dabei zu beißendem Spott - und dem Grünen Robert Habeck gefällt Söders Ton in der Corona-Politik nicht.

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Was ist das Thema bei "Anne Will"?

Zwei Themen bleiben Deutschland wahrscheinlich bis mindestens Ostern erhalten: Die Kanzlerkandidatur in der Union und der verschärfte Kampf gegen die Corona-Pandemie. "Führung in Krisenzeiten - welche Politik braucht Deutschland jetzt?", fragt "Anne Will" deshalb ihre Gäste.

Wer sind die Gäste?

Wer der Kanzlerkandidat der Union wird? Falsche Frage, meint SPD-Chefin Saskia Esken. Viel wichtiger sei es, in welche Richtung sich die CDU entwickelt - und wie geschlossen sie jetzt handelt. "Die Vorgänge um Friedrich Merz zeigen, dass noch viel Spaltpilz vorhanden ist."

Robert Habeck, Co-Vorsitzender der Grünen, sekundiert: "Donald Tusk hat auf dem Parteitag gebeten, Viktor Orbán aus der EVP rauszuwerfen, da wird Laschet sich positionieren müssen: Steht er für eine offene, liberale, europäische Mitte? Das schauen wir uns an."

Ja, es ist Liebe: Christian Lindner (FDP), der mit Laschet schon die CDU-FDP-Koalition in Nordrhein-Westfalen gebastelt hat, lobt den neuen CDU-Chef als "erfolgreichen Wahlkämpfer". Inklusive Seitenhieb auf Söder: Der gelb-schwarze Sieg in NRW 2017 sei ähnlich zu bewerten, "wie wenn die CSU in Bayern die absolute Mehrheit holt". Die hat Söder 2018 krachend verpasst.

Der 14. März wird entscheidend für Armin Laschet, lässt Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) durchblicken. An diesem Tag sind Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, außerdem Kommunalwahlen in Hessen. "Die Ergebnisse sind nicht unerheblich dafür, wie wir uns aufstellen."

Für Markus Söder (CSU) ist die Sache im Prinzip klar: Er muss nur noch einen Menschen von sich überzeugen - Armin Laschet. "Es hat Tradition, dass die beiden Vorsitzenden einen Vorschlag machen, wer die besten Chancen hat, die Wahl zu gewinnen."

Was ist der Moment des Abends?

Auf einen freiwilligen Rückzieher des Franken darf Armin Laschet wohl nicht hoffen. "Ich bin fest entschlossen", sagt Markus Söder, wie gewohnt nur per Bildschirm zugeschaltet, "und ich weiß, dass ich es mit Armin besprechen will."

Natürlich geht es Markus Söder laut Markus Söder nur um die "beste Aufstellung" für die Bundestagswahl: "Es kommt nicht auf das Ego des Einzelnen an." Nun, wenn das größte Ego entscheiden würde, wäre die Sache schon lange klar, auch wenn Söder tief stapelt und das Initiativrecht bei der "größeren Schwester" verortet: "Wir sind ja nur die kleinere, charmantere Schwester".

Wie charmant, zeigt seine Antwort auf die Frage, ob Jens Spahn nun aus dem Rennen sei: "Jens Spahn ist ein erfolgreicher Gesundheitsminister, der noch viel Arbeit vor sich hat. Aber in der CDU ist Armin Laschet jetzt die Nummer eins."

Nur in Geschichte braucht Söder vielleicht noch Nachhilfe: Es habe ja in der Union schon Kanzlerkandidaten der CSU gegeben, sagt der CSU-Chef, "oft war es erfolgreich" Franz Josef Strauß scheiterte 1980, Edmund Stoiber 2002. Söder wäre der erste seiner Art.

Was ist das Rede-Duell des Abends?

In Sachen Corona verlangt Söder noch weitergehende Maßnahmen wie Grenzkontrollen - und mehr Disziplin von den Bürgern. Es gebe ein "Grundproblem" in Deutschland: "Wir haben oft zu spät begonnen und aufgehört, bevor die Therapie abgeschlossen war. Wir dürfen nicht immer nach Schlupflöchern suchen, wir brauchen die innere Einstellung, die Pandemie besiegen zu wollen."

Im Sport nennt man so etwas "Pep-Talk", eine Art rhetorischer Arschtritt, zu dem Trainer greifen, wenn die Truppe lustlos herumschludert. Robert Habeck hält von diesem Ansatz nichts: "Herr Söder, wenn man Ihnen zuhört, haben Sie immer alles richtig gemacht." Überhaupt schleiche sich in Politiker-Reden "so ein Sound" ein: "Wir haben alles im Griff, und ihr böse Bevölkerung gehorcht nicht."

Zurück zum Wir, das schwebt Habeck vor, wie im ersten Lockdown, in dem "mehr Demut" geherrscht habe: "Wir müssen stärker den Gedanken zulassen, dass Menschen mündig sind, dass sie leiden und mitgenommen werden wollen."

Wie hat sich Anne Will geschlagen?

Eigentlich ein gutes Zeichen, wenn die Gastgeberin die Diskussion mehr oder weniger abbrechen muss, weil sonst die Tagesthemen zu spät beginnen - dann muss Feuer in der Runde gewesen sein.

Blöd nur, wenn es, wie an diesem Abend, gerade zum ersten Mal richtig lodert. Zu lange schaute Will mit ironischer Distanz ("Finde ich ja toll, Herr Bouffier, wenn Sie Ihre Parteikollegen alle so super finden, hätte mich sonst auch gewundert.") zu, wie die Polit-Profis routiniert Schachtelsätze ohne Inhalt stapelten, um ja nicht konkret auf Fragen zu antworten. Das mehr als einmal durchgehen zu lassen, ist schlicht Zeitverschwendung.

Was ist das Ergebnis?

Schwung bringt am Ende ein erhellender Schlagabtausch zwischen Volker Bouffier und Robert Habeck in die Runde: Der Grüne Parteivorsitzende versteht nicht, warum der Bundestag nicht einfach das Recht auf Homeoffice beschließt.

Kann er gern machen, meint Hessens Ministerpräsident, aber ausführen müssen das Gesetz immer noch die Länder: "Bis das alles steht, ist die Pandemie hoffentlich vorbei. Das ist jenseits der Realität." Wenn ein Unternehmen per Antrag begründen müssten, warum die Leute nicht im Homeoffice arbeiten können, "dann fragen die auch: Seid ihr wahnsinnig?"

"Die Leute müssen die Maßnahmen verstehen", sagt SPD-Chefin Saskia Esken, die ihrerseits alles dafür tut, dass niemand versteht, ob sie den Vorschlag von Karl Lauterbach unterstützt, für zwei Wochen alle nicht dringend notwendigen Wirtschaftsbetriebe zu schließen.

Vehement gegen einen längeren Lockdown und Verschärfungen spricht sich Christian Lindner aus: Er will erst weitere "Bausteine" implementieren - Luftfilter in den Schulen, Corona-App, schnellere Durchimpfung, FFP2-Masken. Da sind sich im Prinzip auch alle einig, wobei Robert Habeck in Sachen Masken auf die richtige Reihenfolge pocht: Erst die Masken, dann die Pflicht.

Entscheiden werden am Dienstag Bund und Länder in ihrer Konferenz, bei der laut Bouffier auch britische Wissenschaftler zugeschaltet werden, um die Erfahrungen mit der B117-Mutation zu teilen.

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