Der Lindweiler Hof machte seinem neuen Besitzer keine Freude. Friedrich Simons hatte ihn 1820 von der "Koeniglichen Hochlöblichen Regierung" – dem preußischen Staat – erworben und beklagte sich schon wenige Jahre später, dass der Hof seinen Pächter Hilger Dorn und dessen Familie wegen des Zustands der Gebäude und der Ländereien "zugrunde gerichtet" habe.
Ein Nachfolger lasse sich nicht finden, denn "der Name Bickendorfer Land schreckt jeden Pächter ab, wie ich nach Abgang des Pächter Dorn erfahren musste."
Simons entschloss sich daher zur Rückgabe seiner Erwerbung und begleitete am 22. Mai 1827 Vertreter des "Koeniglichen Domenial Raths", der für die staatseigenen, hochlöblichen Immobilien zuständig war, zur Bestandsaufnahme auf den Lindweiler Hof.
Archäologische Erkundungen auf ehemaligem Hofgelände
Zeugnisse wie das seinerzeit erstellte Protokoll wecken die Neugier der städtischen Bodendenkmalpfleger. Seit Mitte November nutzen sie den kürzlich erfolgten Abriss der Förderschule auf dem ehemaligen Hofgelände für archäologische "Vorerkundungen". Dokumentiert wurde 1827 ein ansehnliches Gut mit Wohnhaus, Pferde-, Kuh- und Schweinställen, Chaisen-Remise, Brunnen, Gemüsegarten, Torfstall und Haferscheune, zu dem Ländereien im Umfang von mehr als 350 Kölner Morgen gehörten. Ein Morgen entspricht dabei 3176 Quadratmetern.
Von den 1827 erwähnten Gebäuden ist keines erhalten, lediglich das Mitte des 19. Jahrhunderts errichtete Herrenhaus und ein Teil der Einfriedungsmauern stehen noch und sind inzwischen denkmalgeschützt. Alle Scheunen, Wirtschaftsgebäude und die übrigen Teile der Mauer verschwanden spätestens 1966 mit der Errichtung der Förderschule, wie eine Tafel des Vereins Kulturpfad Bickendorf verrät. Die Schule wiederum musste wegen irreparabler Schäden durch das Hochwasser von 2021 komplett niedergelegt werden.
In einer Mail an Michael Schmitz vom historisch versierten Verein Künstler für Bickendorf bestätigte Gregor Wagner, Abteilungsleiter Bodendenkmalpflege beim Römisch-Germanischen Museum, dass auf dem Gelände "noch Reste der historischen Hofanlage erhalten sind".
Die von Kampfmittelsachverständigen begleiteten Erkundungen seien nicht Folge von Zufallsfunden, sondern schon vor dem Abriss der Schulgebäude geplant worden. Möglich sei auch, dass noch Zeugnisse der "mittelalterlichen Vorgängeranlagen" entdeckt würden, speziell des Machabäerhofs.
Recherchen der Künstler für Bickendorf hatten ergeben, dass der Betrieb von Höfen im heutigen Bickendorf spätestens seit Ende des 14. Jahrhunderts belegt ist. Der Machabäerhof lag an der heutigen Rochusstraße, bei einer Bestandsaufnahme der Höfe im Kölner Umland, die der Erzbischof und Kürfürst Maximilian Heinrich im Jahre 1659 befohlen hatte, gehörte er zu den drei Höfen, die den "Kradepohl" umstanden.
Geschichte der Hofgüter in Bickendorf und ihre Namensherkunft
Der um 1910 zugeschüttete Dorfweiher Bickendorfs befand sich an der Subbelrather Straße gegenüber der heutigen Hausnummer 527, dem einstigen Grundstück des Gereonshofs. Hinzu kam noch der Andreashof südöstlich des Machabäerhofs zwischen der heutigen Feltenstraße und der Äußeren Kanalstraße. Weder Gereonshof noch Andreashof haben oberirdische Spuren hinterlassen.
Die Namen der Höfe bezogen sich im Mittelalter und der frühen Neuzeit auf die kirchlichen Institutionen, zu denen sie gehörten. So verwies der Name Machabäerhof auf das Kloster der Benediktinerinnen in der Machabäerstraße. Das änderte sich im Verlauf der Säkularisation im Zuge der französischen Besatzung ab 1802, als auch der Name Lindweiler Hof gebräuchlich wurde.
Die Preußen schließlich versteigerten oder verkauften die Hofgüter, nach dem glücklosen Simons erwarb Georg Bruckmann den Lindweiler Hof 1835, von dessen Erben kaufte Julius Harff 1844 das Gut. Hauff war Kaufmann und einer der reichsten Kölner seiner Zeit, sah sich als Jude aber auch mit antisemitischen Ressentiments konfrontiert. In einem fragwürdigen Prozess wurde er 1875 zu vier Jahren Haft verurteilt und starb 1876. Im Volksmund nannte man den Hof damals "Jüddehof", den Teich "Jüddepohl".
Im Bickendorfer Boden steckt also jede Menge Geschichte. Michael Schmitz erinnert gern an Landwirt Josef Breuer, Eigentümer des Ruckeshofs, der Nachfolgeanlage des Andreashofs: Ganz in der Nähe der heutigen Ausgrabungen hatte er 1946 bei Gartenarbeiten römische Gefäße und Scherben gefunden. Hinweise auf eine "Villa rustica" im von Friedrich Simons so geschmähten "Bickendorfer Land"? Man darf gespannt sein.
Wie die Stadt mitteilte, sollen die gegenwärtigen Erkundungen auf dem künftigen Areal eines Schulneubaus noch bis in die erste Januarwoche dauern. Auf der Grundlage des Ergebnisses dieser Vorerkundung werde die Fachverwaltung dann "weitere bodendenkmalpflegerische Maßnahmen festlegen". © Kölner Stadt-Anzeiger
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