Wehe, wenn sie losgelassen! Dann ziehen die Geister durch die Gassen und Straßen von Monschau. Schreckensschreie hallen zwischen den altehrwürdigen Fachwerkhäusern, und der Angstschweiß der so grausam Geplagten umspült die Knöchel der schlotternden Besucher. So ein bisschen, wenigstens.
Denn eigentlich geht es beim Halloween in Monschau vor allem um Spaß, um die gemeinsame Freude am Gruseln und dem zarten Schauder, der wie eine Gänsehaut über den Körper hinwegzieht. Rund 70 Geister, wie sich die ehrenamtlichen Darsteller nennen, sind unterwegs, um die dunkle Seite des Daseins spielerisch zum Leben zu erwecken.
Natürlich erschließt sich der Unterhaltungswert von öffentlichen Hinrichtungen, blutigen Bräuten oder mordlustigen Wahnsinnigen nicht jedermann. Doch Halloween in Monschau geht in diesem Jahr in die 26. Saison, und ist somit aus dem Veranstaltungskalender in der alten Tuchmacherstadt kaum noch wegzudenken. Und aus dem Leben vieler Darsteller auch nicht.
Der Suchtfaktor, den Menschen das Gruseln zu lehren, ist groß, die Zahl der Wiederholungstäter auch. So ganz kann auch Helga Janke-Offermann nicht davonlassen. "Ich bin der Rentnergeist", sagt sie mit einem selbstironischen Schmunzeln. Sie ist die dienstälteste der spukenden Monschauer und viele Jahre lang als informeller Obergeist dafür zuständig gewesen, dass jeder Darsteller alles hatte, was für seinen Job notwendig ist.
Halloween ist ein fester Bestandteil im Monschauer Veranstaltungskalender
Mittlerweile ist Nathalie Münch in ihre Fußstapfen getreten, sorgt dafür, dass den Geistern im Aukloster ihr grausiges Äußeres aufgeschminkt wird oder geht durch die Stadt und besucht alle Stationen der Gruseltour durch die Altstadt, um sicherzustellen, dass auch alle Geister glücklich und zufrieden sind.
Was sie nach eigener Aussage auch sind. "Ich finde, das ist eine schöne Tradition", sagt Viktoria Barts. Sie ist Monschauerin und kennt die Halloweennächte seit ihrem sechsten Lebensjahr.
Zuerst sei bei den Führungen mitgegangen, dann ab dem Alter von 14 Jahren mit ihren Schwestern verkleidet durch die Stadt gezogen. Jetzt steht sie blutüberströmt als verlassene Braut vor dem Standesamt – als personifizierter Bruch zwischen dem schönsten und dem schrecklichsten Tag ihres Lebens.
Sogar aus Schwäbisch Hall kamen Halloween-Fans in die Eifel
Mit ihr, kunstblutgetränkten Binden über das Gesicht und einem Dolch mit rostroten Flecken auf der Klinge schwebt Anica Kern durch die Besuchergruppen. Sie ist, angelockt von Barts, aus Schwäbisch Hall angereist, um sich den Eifelgeistern anzuschließen. "Mir macht das Spaß. Es gefällt mir, Leute zu schocken", sagt sie. Das sei toll für die Leute, die wie sie von Morbidität fasziniert sei. "Ich finde das gut, wenn Leute das machen wollen, nicht immer nur digital, auch analog", ergänzt Bartz.
Auch Melanie Kaulen ist seit fast 20 Jahren dabei. An diesem Abend ist sie eine von den mordlüsternen Wahnsinnigen, die über die Eschbachstraße torkeln. "Das haben wir schon einmal gemacht, und in diesem Jahr gedacht, das könnten wir noch einmal aufleben lassen. Das passt zu uns", sagt sie zufrieden. Ein bisschen gaga müsse man schon sein, gibt sie zu. "Man kann seinen Irrsinn ausleben", beschreibt sie die Faszination, die so groß sei, dass sie sogar hochschwanger herumgegeistert habe.
Manche Stationen bieten bekannte Geschichten wie die Hinrichtungsszenerie am Roten Haus. Andere verändern sich, wie die Szene am Aukloster, die zum Piratenschiff geworden ist, und die Gasse, die seit mehreren Jahren das Betätigungsfeld der Familien Stos und Florian ist. Dort befindet sich ein Märchenwald, aber keiner der besonders netten Sorte. "Aah, mein Mittagessen", krächzt Rita Stos, die mit wirrem Haar vor einem großen Kessel steht.
Zwölf Akteure sind allein hier unterwegs und erschrecken die Menschen. Nur wenn kleine Kinder kommen, dann wird die Action so heruntergefahren, dass der Schrecken nicht zu groß wird. Nicht immer Erfolg: "Wir haben schon Kinder zum Weinen gebracht", gibt Daniele Florian zu.
"Wir fangen im Sommer damit an, dass wir uns in der Eifel treffen und überlegen, was wir in diesem Jahr machen", berichtet Stos. Wenn das Thema feststehe, würden Kostüme und Dekoration zusammengestellt. Doch jetzt muss sie sich wieder einem Besucher widmen: "Entweder Betten ausschütteln oder Ihr werdet gefressen", stellt sie ihn vor eine Alternative, die keine ist.
Mit Erfolg, so unauffällig wie möglich beschleunigen die Gäste ihre Schritte, in diesem Märchenwald verweilt niemand lang. Einen Tag lang hätten sie an der Dekoration gearbeitet, sagt Florian.
Auch die Kinder fühlen sich im Grusel-Outfit sehr wohl
Doch die Besucher goutieren den Schrecken, wie der Mann aus Herzogenrath, der mit seiner Familie in Monschau ist. "Das ist sehr gelungen", sagt er zufrieden. Besonders für die Kinder sei es toll, fährt er mit Blick auf seine Söhne fort, die im Gruseloutfit mit ihm durch die Stadt wandern. Zu Hunderten kämen sie an diesem Wochenende nach Monschau, sagt Lutz Schell, Gastronom aus Monschau. Fünf Führer seien unterwegs, um die Gäste durch die Altstadt zu den Gruselstationen zu lotsen.
Schell und Bernd Maaßen sorgen mit der "MonEv", einer gemeinnützigen Gesellschaft, seit einem Jahr dafür, dass die Halloweennacht organisatorisch mit allen notwendigen Genehmigungen und Versicherungen versehen wird. "Diese Veranstaltung ist eminent wichtig für Monschau", sagt Schell. Auch die Monschauer Kirmes hätten sie wieder aufleben lassen, berichtet er.
Auch wenn in diesem Jahr wieder mehr Geister unterwegs sind als im vergangenen, macht der Fachkräftemangel auch vor der Gruselnacht nicht Halt. "Wir suchen Nachwuchs bei Geistern und Führern, einige Stationen konnten nicht besetzt werden", bedauert Kaulen. Ein reizvolles Angebot, wirbt sie: Ein gemeinsames Geisteressen, Kost und Logis, und eine kostenlose Stadtführung, so das Honorar für die Darsteller. © Kölner Stadt-Anzeiger
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