Neubrandenburg - Der Unfalltod einer 23-jährigen Studentin in Malchin am Abend des ersten Weihnachtstages löste vor zwei Jahren in Mecklenburg-Vorpommern große Bestürzung aus.
Die junge Frau war auf einer Straße angefahren und erst am Tag darauf tot gefunden worden. Die damals 21 Jahre Autofahrerin und Unfallverursacherin fuhr weiter. Sie wurde nun vom Amtsgericht Neubrandenburg wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 6.300 Euro verurteilt.
Die Angeklagte habe den Unfall zwar kausal, aber nicht schuldhaft verursacht, sagte Richterin Juliane Söhnchen, die mit ihrem Urteil der Forderung der Staatsanwaltschaft folgte. Die größte Last für die Angeklagte werde wohl sein, dass bei dem Unfall eine junge Frau ums Leben gekommen sei, die nahezu im gleichen Alter, wie sie gewesen sei. Für die Familie und die Angehörigen würden die tragischen Folgen und der Verlust bleiben, unabhängig von der Strafe. Das Urteil erfolgte am Ende einer eintägigen Verhandlung, bei der Zeugen vernommen und ein Sachverständiger gehört wurden.
Glassplitter im Fahrzeuginneren
Die Angeklagte hatte Saal 8 des Amtsgerichtes mit ihrem Anwalt betreten und dabei ihr Gesicht zunächst mit einer hellblauen Aktenmappe verdeckt. Bei der Eröffnung der Verhandlung brach sie in lautes Schluchzen aus. Die Krankenschwester schilderte unter Tränen den Abend des 25. Dezember 2022 aus ihrer Sicht. Danach befuhr sie die B 104 in Malchin. Sie habe wohl kurz auf den Tacho oder aufs Navi geschaut, als sie einen dumpfen Knall bemerkte, den sie aber nicht mit einem Verkehrsunfall in Verbindung brachte. Es habe sich wie Ruckeln angefühlt, als wenn man gegen einen Bordstein gefahren wäre. "Ich konnte es mir nicht erklären."
Nach Aussagen des technischen Sachverständigen war die Angeklagte mit einer Geschwindigkeit zwischen "50 bis 60 Kilometer pro Stunde" unterwegs. Auf Fotos war zu sehen, dass das Fahrzeug massiv beschädigt wurde, unter anderem war die Motorhaube stark demoliert, das rechte Scheinwerferlicht zerbrochen und die Windschutzscheibe auf der Beifahrerseite zerborsten. Es sei davon auszugehen, dass der Unfall für die Angeklagten bemerkbar gewesen sei, betonte der Sachverständige. Dafür spreche der laute Knall, die im Fahrzeuginneren gefundenen Splitter der gerissenen Windschutzscheibe und auch die Verzögerung des Fahrzeugs durch die Kollision.
Allerdings fuhr die heute 23-Jährige ohne anzuhalten oder nachzuschauen weiter nach Güstrow. Auf der Fahrt bemerkte sie aber bereits, dass das Licht am Auto defekt war. In Güstrow traf sie einen Freund und beide sahen die massiven Schäden am Auto. Sie fuhr am selben Abend noch einmal zurück nach Malchin, konnte aber an der fraglichen Stelle keine Unfallspuren sehen. Zu dem Zeitpunkt lag die tote 23-Jährige etwa 20 Meter weiter unentdeckt unter einem Baum, wohin sie nach dem Aufprall geschleudert wurde.
Studentin war auf Weihnachtsbesuch in Malchin
Erst am nächsten Tag erfuhr die Autofahrerin von Freunden und aus Medien von dem tödlichen Unfall in Malchin (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) und ging zur Polizei in Neubrandenburg. Dort gab sie vor zwei Jahren freiwillig ihren Führerschein ab, den sie nun laut Gericht zurückbekommen soll. Als sie erfuhr, dass sie einen Menschen totgefahren habe, sei das für sie ein Schock gewesen.
Der Prozessauftakt wurde von Familienangehörigen der getöteten Studentin verfolgt. Sie war damals am Abend des ersten Weihnachtstages zunächst auf einer Familienfeier bei ihrem Onkel in Malchin und wollte von dort zu ihrem unweit gelegenen Elternhaus, um sich frisch zu machen für ein Treffen mit Freunden. Auf dem Weg vom Haus des Onkels zum Elternhaus passierte gegen 22.30 Uhr der tödliche Unfall auf der B104. Die 23-Jährige verstarb laut Staatsanwaltschaft unmittelbar.
Sprachnachricht zum Unfallzeitpunkt
Die beiden Smartphones der Angeklagten sowie des Unfallopfers wurden polizeilich ausgewertet. Danach verschickte die 23-jährige Studentin auf Italienisch eine Sprachnachricht auf WhatsApp, als sich der Unfall um 22.21 Uhr und 29 Sekunden ereignete. Es sei ein dumpfes Geräusch in der Sprachnachricht zu hören, das als Zeitpunkt der Kollision gewertet werden könne, sagte der zuständige Polizeibeamte, der als Zeuge gehört wurde.
Nach Angaben des Sachverständigen hätte der Unfall bei einer Geschwindigkeit von 35 Kilometer pro Stunde (km/h) vermieden werden können. Nach Worten der Richterin gab es aber an dem Abend keinen zwingenden Grund, langsamer als die erlaubten 50 km/h zu fahren. In einem Chat hatte die Angeklagte kurz nach dem Vorfall geschrieben, dass sie nur einmal aufs Handy, das als Navi genutzt wurde, geschaut habe. "Dann hat es geknallt."
Der Tod der jungen Frau sorgte damals auch bei Lehrern, Studenten und Mitarbeitern an der Hochschule für Musik und Theater (HMT) in Rostock für große Betroffenheit und Fassungslosigkeit. Die 23-Jährige hatte dort Gesang studiert. © Deutsche Presse-Agentur
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