Weinbau im Rheingau: Hinter den Winzern liegt ein aufreibendes Jahr. Viel Regen, viele Krankheiten in den Weinbergen, dazu niedrige Fassweinpreise und zurückhaltende Konsumenten.

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Für viele Winzer war 2024 ein Jahr zum Abhaken. Der Absatz schwächelte wegen der Konsumzurückhaltung vieler Weinfreunde. Die Weinlager sind voll, und die Fassweinpreise verharren seit dem Herbst auf niedrigem Niveau.

Das Jahr bescherte den Winzern zwar nach den meist trockenen Sommern seit 2018 endlich wieder ausreichend Regen, phasenweise allerdings auch mehr Wasser als wünschenswert. Und der Spätfrost im April verdarb manchem Erzeuger schon im Frühjahr die Lust auf den Jahrgang.

Aus Sicht der Meteorologen des Deutschen Wetterdienstes war das Weinjahr im Rheingau ein "ungewöhnlich nasses", aber auch ein sehr warmes. Mitte Januar gab es zwar noch Dauerfrost, Eisregen und Schnee. Während der kältesten Phase zwischen dem 19. und 21. Januar sanken die Temperaturen an den Rheingauer Wetterstationen bis auf minus zwölf Grad in Hochheim.

Rheingau kam mit "blauem Auge" davon

Doch auf den Januar folgte der mit Abstand mildeste Februar seit Beginn der Geisenheimer Klimaaufzeichnungen im Jahr 1885. Insgesamt blieb der meteorologische Winter 2023/2024 in der fast 140 Jahre währenden Geisenheimer Reihe mit einer Abweichung von plus 2,4 Grad der zweitmildeste hinter dem Winter 2006/2007.

Der Frühling begann sehr mild und wechselhaft mit reichlich Regen. Schon am 11. April wurde in einem Referenzweinberg in Eltville der Austrieb der Reben beobachtet. Das birgt jedoch Spätfrostgefahren. Tatsächlich sanken die Temperaturen in den beiden Nächten zum 22. und 23. April auf minus zwei Grad.

Verglichen mit den meisten anderen Weinanbaugebieten, kam der Rheingau nach Ansicht der Meteorologen aber mit einem "blauen Auge" davon. Die Rebenentwicklung wurde allerdings ausgebremst und kam im nassen "Wonnemonat Mai" nur langsam wieder in Gang. Fast alle Messstationen im Rheingau zeigten Monatssummen von mehr als 100 Millimeter Regen. Die Sonne verfehlte ihr "Frühlingssoll" um fast 80 Stunden.

Winzer mussten öfter spritzen als in anderen Jahren

Es folgte ein feuchter und wechselhafter Sommer mit Gewittern, Starkregen und Hagel. In Frauenstein fielen im Juli 100 Millimeter Regen. Sehr viel Regen und eine hohe Luftfeuchte begünstigen die Ausbreitung von Pilzkrankheiten. Bis Ende September war schon die Niederschlagssumme erreicht, die im Durchschnitt in Geisenheim im gesamten Jahr fällt. In der Vegetationsperiode (April bis Oktober) war mit 478 Millimeter Niederschlag ein Plus von 151 Millimetern verzeichnet worden.

Ähnlich nass war es zuletzt in der Vegetationsperiode 2000. Der Vorteil: Die Bodenwasservorräte wurden nach der seit 2018 zeitweise gravierenden Trockenheit erstmals wieder bis in tiefere Schichten aufgefüllt. "Dies ist allerdings kein Garant dafür, dass das Thema Trockenheit vom Tisch ist, sondern vielmehr eine Bestätigung der Zunahme extremer Verhältnisse", so die Bilanz.

Viel Regen bedeutet einen hohen Aufwand für den Pflanzenschutz. Dabei waren jene Weingüter im Vorteil, die in den vergangenen Jahren in mehr Schlagkraft durch einen erweiterten Maschinenpark investiert hatten, um gegebenenfalls die Weinberge zügig spritzen zu können.

Insgesamt mussten die Winzer deutlich öfter spritzen als in "normalen" Jahren. "Im Jahr 2024 war ein optimaler Pflanzenschutz unter Einbeziehung aller möglichen, kulturtechnischen Maßnahmen Voraussetzung für gesundes Lesegut. Die Befahrbarkeit der Böden war durch die Niederschläge aber oft eingeschränkt", schreiben die Fachleute.

Genaue Einschätzung der Erntemenge noch nicht möglich

Die Rieslingernte hatte 2024 am 21. September begonnen. Das ist eine Woche später als 2023, jedoch zehn Tage früher als im dreißigjährigen Mittel. Das wechselhafte Wetter erschwerte die Bestimmung des idealen Erntezeitpunkts. Die Winzer hatten vor allem mit Oidium (Echter Mehltau), Peronospora (Falscher Mehltau) und Botrytis zu kämpfen. Eine selektive Lese sei deshalb besonders wichtig gewesen, um minderwertiges Lesegut auszusortieren und Muff- oder Bittertöne im Wein zu vermeiden.

Die ersten Weine des neuen Jahrgangs wurden schon in Flaschen gefüllt und zur Qualitätsweinprüfung angestellt. Eine genaue Einschätzung der Erntemenge ist laut Weinbauamt in Eltville noch schwierig, weil die Erträge stark von Lage, Rebsorte und der Sorgfalt bei der Bewirtschaftung der Weinberge abhingen. Hinzu komme, dass einige Rebflächen gar nicht abgeerntet wurden, weil es sich nicht gelohnt hatte.

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Verlässliche Zahlen gibt es erst nach Auswertung aller Traubenernte- und Weinerzeugungsmeldungen. Fazit des Weinbauamtes: Das Jahr 2024 habe abermals gezeigt, dass der Klimawandel den Weinbau präge und dass neben einer hohen Schlagkraft gut abgestimmte Arbeiten im Weinberg und Keller wichtig seien. Trotz der Herausforderungen hätten viele Winzer durch gezielte qualitätssteigernde Arbeiten wie eine selektive Lese und moderne Kellerwirtschaft gute bis sehr gute Qualitäten erzeugt.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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