Hessische Hochschulen: Das Land Hessen entzieht seinen Hochschulen Geld für wichtige Projekte, etwa die neue Frankfurter Unibibliothek. Das muss eine Ausnahme bleiben.

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Geht es den hessischen Unis zu gut? Auf diesen Gedanken könnte kommen, wer zwei Zahlen liest, die in Zusammenhang mit der Finanzausstattung hiesiger Hochschulen zirkulieren. 457 Millionen Euro: Das ist der Betrag, den die Universität Frankfurt laut Jahresabschluss 2023 an Rücklagen und Rückstellungen zu verzeichnen hatte. 475 Millionen Euro: Diese Summe werden die Landeshochschulen insgesamt aus ihren Reserven zur Konsolidierung des hessischen Haushalts 2025 zur Verfügung stellen. Als die Einigung mit dem Land auf dieses Sonderopfer bekannt wurde, war aus den Unis kein lauter Protest zu vernehmen. Naheliegende Schlussfolgerung: Aus deren Geldspeichern lassen sich stattliche Beträge abzapfen, ohne dass Forschung und Lehre deswegen kollabieren.

Viele Geldreserven sind zweckgebunden

Tun sie auch nicht. Dass die Hochschulen einen Beitrag leisten müssen, um den Landesetat in Krisenzeiten zu entlasten, wird in den Uni-Präsidien nicht bestritten. Irrig ist aber die Annahme, Rücklagen seien so etwas wie Spielgeld, das für alle möglichen Zwecke genutzt werden könne. Rückstellungen für Pensionen etwa werden aufgrund gesetzlicher Vorgaben gebildet, Rücklagen für Bauprojekte sind oft zweckgebunden. Unerlässlich ist es zudem, dass Hochschulen Geld für Berufungen und Geräteanschaffungen beiseitelegen. Im Grunde gilt für Unis das Gleiche wie für Privatleute: Wer mit knappem Budget in den Tag hinein lebt, wird es kaum schaffen, die Grundlagen für eine erfolgreiche Zukunft zu legen.

Eine solche aber wünschen sich Politiker nach eigenem Bekunden für die Forschungs- und Bildungsstätten, die doch den angeblich wichtigsten Rohstoff Deutschlands verarbeiten. Daher sollte auch in ökonomisch prekären Zeiten der Griff des Finanzministers in die Hochschulreserven die absolute Ausnahme bleiben. Und es ist sehr zu hoffen, dass das entzogene Geld für Bauvorhaben den Unis – wie versprochen – in absehbarer Zeit wieder zufließt.

Das gilt auch für die 105 Millionen Euro, die in den Neubau der Frankfurter Zentralbibliothek investiert werden sollen. Ausreichen würde dieser Betrag inzwischen längst nicht mehr, aber er war ein Zeichen dafür, dass das Land die Entwicklung des Frankfurter Westend-Campus zu einem städtebaulich wie universitätspraktisch sinnvollen Abschluss führen will.

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Auch im Digitalzeitalter gibt es gute Gründe für die Schaffung eines modernen Medienzentrums, in dem Forscher Quellen studieren und Studenten konzentriert lernen können. Vor 25 Jahren wurde das IG-Farben-Haus für die Goethe-Uni umgebaut. Es wäre schön, wenn bis zur Eröffnung der neuen Bibliothek im Westend nicht noch einmal 25 Jahre vergehen würden.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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