Geplante Lauterbach-Entführung: Im Prozess um einen geplanten Umsturz gegen einen Mann aus Gorxheimertal haben die Ankläger und Verteidigung eine Freiheitsstrafe unter drei Jahren gefordert. Sie glauben: Der Mann war nur ein Mitläufer.
Dass Wilhelm P. noch einmal gefährlich für den Staat werden könnte, glauben weder die Verteidigung noch die Ankläger nach diesem Prozess. Beide sind sich einig: Da auf der Anklagebank des Oberlandesgerichts sitzt ein Mitläufer. Ein Mann, der aus seiner Unzufriedenheit heraus sich immer mehr in Verschwörungstheorien verrannt und sich zu hinterfragen verlernt hat.
Aber, auch das heben beide Seiten in ihren Plädoyers am Donnerstag hervor, Wilhelm P. hat sich in ihren Augen einer besonders schweren Straftat schuldig gemacht: Der Zweiundsechzigjährige hat als Mitglied einer terroristischen Vereinigung einen Angriff auf den deutschen Staat vorbereitet. Und dafür habe er auch den Tod von Menschen mindestens billigend in Kauf genommen. Dagegen spricht auch nicht, dass der Plan dilettantisch war und höchstwahrscheinlich keinen Erfolg gehabt hätte, wie der Oberstaatsanwalt sagt.
In einem mehrstufigen Plan habe die sogenannte Kaiserreichgruppe, der sich Wilhelm P. angeschlossen haben soll, einen gewaltsamen Umsturz angestrebt. Laut Anklage haben sie dazu unter anderem einen flächendeckenden Stromausfall herbeiführen wollen und die Entführung des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) geplant. Gegen Angriffe auf den Staat wie diese müsse man entschieden entgegentreten, sagt der Oberstaatsanwalt. P. habe die Ernsthaftigkeit der Pläne erkannt und sich zudem bereiterklärt, Waffen in seiner Garage zwischenzulagern.
Kein unbelehrbarer Reichsbürger
Trotzdem überwiegen in den Plädoyers der Prozessbeteiligten die Gründe, die für den Angeklagten sprechen. Allen voran seine Einlassung, die der Oberstaatsanwalt als "schonungslos" bezeichnet. Wilhelm P. hatte bereits vor dem Beginn der Hauptverhandlung die Taten umfangreich gestanden und seine Aussage auch im zu Prozessbeginn Ende August wiederholt. Er habe sich dabei zu keinem Zeitpunkt rausgeredet, sagt der Ankläger.
Die Hauptverhandlung hat für die Generalstaatsanwaltschaft daneben noch einen weiteren Punkt offenbart, der zugunsten Wilhelm P.s zu werten sei: Von einer Mitgliedschaft in der Vereinigung könne man bei P. erst ab Mitte März 2023 sprechen. Da die Gruppe bereits im April aufgeflogen ist und führende Mitglieder bei einem vermeintlichen Waffenkauf bei einem verdeckten Ermittler festgenommen wurden, war Wilhelm P.s Mitgliedschaft nur drei Wochen lang.
Der Prozess habe gezeigt, "wie schnell man in kriminelle und hochstgefährliche Kreise gezogen werden kann", sagt P.s Verteidigerin. Die mit den Corona-Schutzmaßnahmen der Bundesregierung zusammenhängende finanzielle Not ihres Mandanten hätten seine bereits vorhandene Ablehnung dem Staats gegenüber noch einmal gesteigert. An Verschwörungstheorien glaubt P. auch heute noch, wie seine Einlassung vor Gericht eindrücklich zeigte. Laut seiner Verteidigerin hat er aber gemerkt, dass er "in vielen Punkten auf dem Holzweg war". Er wolle sich weder im realen Leben noch im Internet politisch weiterhin austauschen.
Einen "unbelehrbaren Reichsbürger" sieht die Rechtsanwältin nicht in Wilhelm P. Sowohl sie als auch die Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft heben das Verhalten des Angeklagten hervor. Anders als man es aus vergleichbaren Reichsbürger-Prozesses kennt, hatte P. sich immer respektvoll und höflich dem Gericht und auch den Vollzugsbeamten gezeigt.
Wilhelm P. selbst sagt in seinem Letzten Wort, er bedauere die Tat. Gewalt sei nie eine Lösung und führe zu Gegengewalt. "Es ist besser in diesem System zu leben als dagegen anzukämpfen." Die Generalstaatsanwaltschaft fordert für P. eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten. P.s Verteidigerin unter drei Jahren, sein Verteidiger eine Haftstrafe unter zwei Jahren und neun Monaten. Nun muss das Gericht entscheiden. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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