Weilburg/Rotenburg - Seit Dienstag wird der sechsjährige Pawlos aus dem mittelhessischen Weilburg vermisst.
Der laut den Behörden "autistisch veranlagte" Junge war ohne erkennbaren Grund aus seiner Förderschule gelaufen, wo er die erste Klasse besuchte. Der Fall weckt Erinnerungen an den Fall des vermissten sechsjährigen Arian aus dem niedersächsischen Bremervörde vor gut einem Jahr.
Der autistische Junge war am 22. April 2024 abends aus seinem Zuhause verschwunden. Tagelang suchten Hunderte Einsatzkräfte und Freiwillige tagsüber und nachts nach dem Kind, doch sie fanden es nicht. Zwei Monate nach Arians Verschwinden entdeckte ein Landwirt beim Mähen einer Wiese dessen Leiche. "Die Suche nach einer vermissten Person ist stets ein Wettlauf gegen die Zeit", erklärte ein Sprecher der damals federführenden Polizeiinspektion Rotenburg an der Wümme vor dem Hintergrund des aktuellen Vermisstenfalls.
Kreative Einsatzmaßnahmen bei Autismus
Besonders herausfordernd seien dabei die unvorhersehbaren Bewegungsmuster von Kindern, die sich je nach Alter, kognitiven Fähigkeiten und äußeren Einflüssen unterscheiden, erklärte er auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. "Bei einer Suchaktion müssen schnellstmöglich alle verfügbaren Einsatzmittel koordiniert werden, darunter Polizeikräfte, Suchhunde, Hubschrauber mit Wärmebildkameras und gegebenenfalls spezialisierte Rettungskräfte." Auch örtliche, meist unwegsame Gegebenheiten und Gewässer könnten dabei eine besondere Herausforderung darstellen.
Wenn das vermisste Kind eine autistische Veranlagung hat, kämen weitere Faktoren hinzu. "Autistische Kinder reagieren häufig anders auf ihre Umwelt als neurotypische Kinder. Sie können auf Rufe nicht reagieren, sich vor Menschen verstecken oder sich bevorzugt in sensorisch angenehme Umgebungen begeben, beispielsweise in der Nähe von Wasser oder in abgeschiedene Bereiche." Dieses Wissen fließe direkt in die Suchstrategie ein und so komme es auch zu kreativen Einsatzmaßnahmen wie das Platzieren von Luftballons oder den Einsatz von Feuerwerk zur visuellen Orientierung.
Polizei: Extreme Herausforderung für Einsatzkräfte
"Die Planung einer Suche erfolgt in enger Abstimmung mit den beteiligten Organisationen, den Fachberatungen und der Familie", erläuterte der Sprecher. Die Festlegung des Suchgebietes erfolge auf Grundlage der bekannten Bewegungsmuster, geografischer Gegebenheiten sowie taktischer Erwägungen. Neben klassischen Suchkräften kämen auch technische Mittel zum Einsatz, um schwer zugängliche Bereiche effizient zu durchsuchen.
"Eine solch intensive Suche stellt für alle beteiligten Einsatzkräfte eine emotionale und physische Herausforderung dar", erklärte der Sprecher. Neben langen Einsatzzeiten und anstrengenden Bedingungen setzte die emotionale Anspannung die Helfer unter großen Stress. "Die Einsatzkräfte werden bestmöglich auf solche Situationen vorbereitet, aber eine solche Suchaktion bleibt immer eine extreme Herausforderung." © Deutsche Presse-Agentur