• Frage des Abends bei Anne Will: Wann kommt endlich die Gaspreisbremse und wie wird sie eigentlich aussehen?
  • Journalist Robin Alexander lästerte über den programmatischen Zustand der CDU und erklärte wie viel "Scholz" im Wahlsieg der SPD in Niedersachsen steckt.
  • Die Runde diskutierte rege, wie die FDP ihre Rolle in der Ampel neu definieren will.
Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Thomas Fritz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Das war das Thema

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Die SPD hat in Niedersachsen trotz leichter Verluste einen klaren Wahlsieg eingefahren. Stephan Weil bleibt Ministerpräsident. Die Grünen gewinnen klar dazu, während die FDP aus dem Landtag fliegt. War es nun eine Abstimmung über die Landespolitik oder über die Krisenpolitik der Ampel-Regierung in Berlin? Stichwort: Energiekrise und Gaspreisbremse. Über diese und weitere Themen diskutierte Anne Will am Sonntag (9. Oktober) mit ihren Gästen. Das Thema: "Wahlen in unsicheren Zeiten – Bekommt die Ampel die Quittung für ihre Krisenpolitik?"

Das waren die Gäste

  • Lars Klingbeil: Für den SPD-Co-Parteivorsitzenden war die Wahl in Niedersachsen vor allem eine Landtagswahl. Die moderaten Verluste für die Sozialdemokraten erklärt er aber auch mit den zahlreichen Krisen (Corona, Ukraine, Energie-Krise), mit denen die Bundesregierung seit Beginn konfrontiert war. Ob ihm die Ankündigung von FDP-Chef Christian Lindner Angst mache, er wolle nach der Wahlniederlage die Rolle seiner Partei in der Regierung überdenken? Klingbeil wiegelte ab: Er verstehe das nicht als Drohung, sondern habe äußerste Verständnis, dass Lindner sich nach dem schlechten Ergebnis Gedanken mache. Debatten nach Wahldebakeln – die kennt die SPD in ihrer jüngeren bis mittleren Vergangenheit nur zu gut.
  • Ricarda Lang: Die Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen redete sich das Niedersachsen-Ergebnis trotz deutlich höherer Prognosen für ihre Partei im Sommer schön. Die Grünen seien "die einzige demokratische Partei, die dazu gewonnen hat". Sie verteidigte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vehement gegen Kritik an seiner Amtsführung und hofft, dass es nicht zu weiteren Profilierungsmanövern in der Ampel kommt. Demzufolge verlor Lang trotz hartnäckiger Nachfragen der Gastgeberin auch kein böses Wort über Bundeskanzler Scholz. Dagegen warf sie CDU-Chef Friedrich Merz nach seiner "Sozialtourismus"-Aussage über Ukraine-Flüchtlinge Populismus und die Verbreitung von russischer Propaganda vor. Über die Gaspreisbremse, zu deren Ausgestaltung eine Kommission am Montag Vorschläge präsentieren soll, sagte Lang, sie wolle, dass ein Teil des Verbrauchs gedeckelt werde. Der Rest solle über den Marktpreis bezogen werden. Das entlaste die Bürger "und biete einen Sparanreiz".
Die EU-Staats- und Regierungschefs beraten in Prag über die Energiekrise

Deutschland bei EU-Gipfel in Prag in der Kritik

Die EU-Staats- und Regierungschefs beraten in Prag über die Energiekrise und weitere Unterstützung für die Ukraine. Bei der Frage, wie die massiv gestiegenen Gaspreise begrenzt werden könnten, herrscht Uneinigkeit – und bei vielen Länder Wut über das deutsche Vorpreschen.
  • Jens Spahn: Der Unions-Fraktionsvorsitzende im Bundestag (CDU) erklärte sich eines der schlechtesten Ergebnisse für die Christdemokraten in Niedersachsen so: Vielleicht sei die CDU nach 16 Jahren Regierung bei den Wählern noch nicht wieder in der "Kompetenzvermutung". Die Ampelregierung ging er für ihre zögerliche Reaktion auf die Energiekrise hart an. Das große Wohlstandsversprechen der Bundesrepublik, "das bröckelt", so Spahn. Kommen wir über den Winter? Bleiben wir ein Industrieland? "Sie haben den ganzen Sommer vertrödelt. 'You'll never walk alone' (der bekannte Scholz-Slogan – d. Red.) war im Juli", sagte er zu Klingbeil. Außerdem warf er ihm vor, dass noch immer unklar sei, was mit den angekündigten 200 Milliarden-Euro-Paket genau geschehen soll. Zu Merz' Sozialtourismus-Zitat sagte Spahn: Ihn rege es auf, dass "wir seit drei Wochen über dieses eine Wort reden". Merz habe sich schließlich entschuldigt.
  • Julia Reuschenbach: Die Politikwissenschaftlerin konnte die Frage, wie stark die Einflüsse aus dem Bund für die Niedersachsen-Wahl waren auch nicht eindeutig beantworten. Bei der AfD hätten sich Angst und Verunsicherung allerdings in einem deutlichen Stimmenplus widergespiegelt. Reuschenbach sieht die FDP in einer Art inneren Opposition gegen die Ampel und meldete zugleich große Zweifel an, wie viel Platz noch für Profilierungsmanöver sei. Die Ampel ist in ihren Augen dem eigenen Anspruch, für einen Neuanfang – auch im Politik-Stil zu sorgen –, "nicht gerecht geworden". Während die Beobachterin Merz' Sozialtourismus-Kritik als "sehr gefährlich" charakterisierte, legte sie der Ampel eine bessere Krisenkommunikation ans Herz.
  • Robin Alexander: Für den stellvertretenden Chefredakteur der "Welt" hat das gute SPD-Ergebnis in Niedersachsen auch mit Scholz zu tun – trotz dessen derzeit schlechter Vertrauenswerte. Die ganzen Krisen "muss man erstmal so wegregieren", sagte Alexander. Außerdem beschäftigte ihn das Verhalten der FDP in der Ampel: "Entweder ist man für die Wähler Regierung oder Opposition." Er warnte die Liberalen vor Profilierungsversuchen. Bei der Gaspreisbremse sah Alexander die alles entscheidende Frage darin, ob die Regierung die Rechnung der Bürger schrumpfen oder einen Sparanreiz setzen wolle. An diesem Punkt war der meinungsstarke Journalist nicht 100 Prozent "on point". Denn, wie Ricarda Lang ausführte, soll ja wahrscheinlich beides gleichzeitig gelingen.

Das war der Moment des Abends

Robin Alexander ist ein Meister darin, den Finger in die Wunde zu legen. Zur vermeintlichen Neuorientierung der CDU nach 16 Jahren Merkel gefragt, ätzte er: "Dazu müsste man erstmal wissen, wie sie sich aufstellt. So richtig weit sind sie damit noch nicht gekommen." Auf dem Parteitag im September habe er verwundert festgestellt, dass die Christdemokraten programmatisch nach links drehten, während Merz rhetorisch nach rechts ging. Sein schonungsloses Fazit: Die CDU habe sich noch nicht gefunden.

Das war das Rededuell des Abends

Jens Spahn in Oppositionslaune: Er warf der Regierung während der Sendung immer wieder vor, zu langsam zu handeln und sich in Streit zu verlieren. "Als sie das letzte Mal hier saßen, haben sie gesagt: 'Wir haben kein Stromproblem'", warf er Ricarda Lang vor. Die Energiefrage hätte "schon vor Monaten entschieden werden können" und "jeden Tag ist Streit" zwischen Vizekanzler Habeck und FDP-Chef Lindner.

Die Verteidigung der Ampel übernahm Lars Klingbeil. Nach einer Aufzählung der ganzen Hilfsprogramme der Regierung (Ukraine-Hilfe, Mindestlohn-Erhöhung, 200-Millarden-Entlastungspaket) ging er Spahn frontal an. Die Union habe in den vergangenen Monaten nicht viel an Vorschlägen hinbekommen, sie blockiere nur, sei immer dagegen. Spahn schäumte, aber Klingbeil legte nach. "Ich würde mir wünschen, dass auch die Union ihren Beitrag dazu leistet, dass wir in den nächsten Monaten konstruktiv durch die Krise kommen."

So hat sich Anne Will geschlagen

Welchen Einfluss hatten Habecks Patzer auf das Wahlergebnis der Grünen? Warum konnte die Union in Niedersachsen den Elfmeter – gemeint war die Energiekrise – nicht verwandeln und verlor stattdessen? In ihrer gewohnt trockenen-bissigen Art brachte Anne Will auch an diesem Sonntagabend ihre Fragen an Mann und Frau. Nur dass die Antworten dieses Mal eher unbefriedigend ausfielen. Wirklich aus der Reserve locken konnte die Gastgeberin keinen ihrer Gäste. Da half alles Nachbohren nichts. Sie hätte an der einen oder andere Stelle vielleicht noch tiefer gehen können und nicht so schnell locker lassen.

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Das ist das Fazit

Zum Schluss noch etwas Selbstkritik bei Grünen-Chefin Lang: "Wir alle müssen schneller werden", gab sie in Bezug auf die Energiekrise zu. "Nicht nur das Kanzleramt." Eine ausgleichende Formulierung, mit der sie zugleich Kritik an Olaf Scholz vermied. Es gehe jetzt darum, den sozialen Frieden in diesem Land zu wahren und die Demokratie zu verteidigen.
Ob der Regierung das tatsächlich gelingt, daran meldete Jens Spahn erhebliche Zweifel an. Trotz der früheren Forderungen von Lars Klingbeil, dass dieses Jahr noch etwas im Geldbeutel der Menschen ankommen müsse. Spahn erklärte, ihn würde es überraschen, wenn die Gaspreisbremse dieses Jahr noch beschlossen würde. Gesetzgebungsverfahren dauern nun mal ihre Zeit und bald ist Mitte Oktober. Und was erwiderte Klingbeil daraufhin? Er sagte gar nichts - und grinste nur in Richtung Spahn.

Sollte sich das tatsächlich bewahrheiten und Ängste und Unsicherheit im Land weiter zunehmen, könnte der Ampel bei den nächsten Landtagswahlen eine wirklich herbe Klatsche drohen. Die AfD wird sich freuen. Die nächste Abstimmung findet am 14. Mai in Bremen statt.

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