- "Instagram ist das Hypemedium der deutschen Politik", sagt der Politik- und Digitalberater Martin Fuchs.
- Um zu schauen, wer in dem sozialen Netzwerk besonders erfolgreich ist, haben wir fast 260 Instagram-Accounts aus der deutschen Politik analysiert
- Das Ergebnis zeigt eine klare Siegerin – und einige Überraschungen.
Wohl noch nie hat eine Schale getrockneter Datteln so viel Aufmerksamkeit bekommen wie am 12. April. Mit dem Bild der Palmenfrüchte grüßte die Instagram-Nutzerin @bundeskanzlerin alle Muslime zum Beginn des Fastenmonats Ramadan.
Als Dank flogen ihr dafür bis heute annähernd 300.000 Herzen zu. Mehr Likes bekam in den vergangenen zwölf Monaten kein anderer Beitrag einer deutschen Politikerin oder eines Politikers auf Instagram.
Auf der Foto-Plattform kommt an Angela
"Instagram ist das Hypemedium der deutschen Politik", sagt der Politik- und Digitalberater Martin Fuchs. Er ist einer der führenden deutschen Experten digitaler politischer Kommunikation und hat bereits alle großen Parteien – außer die AfD – in der ein oder anderen Form beraten.
Fuchs betont: "Die entscheidende Schwelle, Reichweite zu schaffen, ist zwar höher als bei Facebook, aber das Medium ist für die Parteien auch spannender." Doch welche Parteien und welche Politiker sind neben der Bundeskanzlerin auf Instagram besonders erfolgreich? Wessen Beiträge werden am meisten geliked und kommentiert? Und wer versteht es besonders gut die eigenen Anhänger bei der Stange zu halten?
Was Instagram von Facebook unterscheidet
Um das herauszufinden hat unsere Redaktion das zum Facebook-Konzern gehörende Analyse-Tool Crowdtangle mit 258 Instagram-Accounts aus der deutschen Politik gefüttert, darunter die Profile aller im Bundestag vertretenen Parteien, von Bundestags- und Europaabgeordneten, Ministerpräsidenten sowie einigen überregional bedeutende Landesparlamentariern. Die 20 Profile mit der größten Reichweite und den meisten Abonnenten haben wir tiefergehend angeschaut, ebenso wie die Profile der sieben im Bundestag vertretenen Parteien.
Gleich zu Beginn der Recherche fällt auf: Nur wenige Politiker betreiben neben ihrer Facebook-Seite auch ein Profil auf Instagram.
Ein Grund: Auf dem sozialen Netzwerk wird vor allem mit visuellen Reizen gepunktet, mit Fotos und mit Abstrichen auch mit (kurzen) Videos. Texte spielen hingegen nur eine untergeordnete Rolle. Links können gar nicht in die Beiträge eingebaut werden, die Beiträge – anders als bei Facebook und Twitter – zudem nicht direkt geteilt werden. Das erschwert die Vermittlung und insbesondere die Verbreitung eigener politischer Inhalte.
Die Parteien und Politiker versuchen deshalb auf Instagram ihren Anhängern einen Blick hinter die Kulissen des Politikbetriebes zu geben – oder suggerieren das zumindest.
Ein zweiter Grund ist die Nutzerschaft: Sie ist auf Instagram deutlich jünger (und weiblicher) als beim großen Bruder Facebook. Die Mehrheit ist auf Instagram unter 35 Jahre – etwa zwei Drittel der Wahlberechtigen waren 2017 aber älter als 45 Jahre alt. Dazu kommt: Je älter die Wählerinnen und Wähler sind, desto höher ist auch ihre Wahlbeteiligung.
Warum die Parteien Instagram nutzen
Wie viele Menschen in Deutschland bei Instagram registriert sind, verrät das Unternehmen nicht. "Wir kommunizieren diese Zahlen nicht für einzelne Länder", schreibt ein Sprecher in einer E-Mail auf Anfrage unserer Redaktion. Das Social-Media-Management-Tool Napoleon Cat schätzt, dass es in Deutschland derzeit rund 29,5 Millionen Instagram-Nutzerinnen und Nutzer gibt. Diese Zahl kann nicht unabhängig überprüft werden.
In jedem Fall ist aber Instagram nach seinem Mutterkonzern das zweitgrößte soziale Netzwerk in der Bundesrepublik. Facebook bleibt zwar im Bundestagswahlkampf das wichtigste Netzwerk, wie unsere Analyse im April gezeigt hat. Die im Bundestag vertretenen Parteien sind sich aber der Bedeutung und der Möglichkeiten von Instagram bewusst.
"Junge Menschen erreichen wir vorwiegend auf Instagram", teilt uns etwa die CDU-Pressestelle auf Anfrage mit. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer Stiftung bescheinigt Instagram in einer Studie "insbesondere auch im Kontext der (politischen) Informations- und Nachrichtennutzung eine zunehmend zentrale Position im Reigen der Social Media-Plattformen"
Die Grünen-Parteizentrale sieht das ähnlich: "Wir können bei Instagram leichter mit Jüngeren in Kontakt treten als beispielsweise bei Facebook."
Viele Abonnenten bedeuten nicht immer viele Likes
Offenbar mit Erfolg – zumindest was die Abonnentenzahlen angeht: Dem Account der Ökopartei folgen deutlich mehr Menschen wie denen der anderen Bundestagsparteien. Die Grünen haben auf Instagram annähernd 160.000 Abonnenten, AfD und Linkspartei etwa 100.000. Auffällig unpopulär ist die SPD mit nur knapp 63.000 Abonnenten.
Trotz der mit Abstand meisten Follower reagieren die Grünen-Anhänger aber vergleichsweise wenig auf die Inhalte: Absolut wurden die Beiträge der AfD und der FDP in den vergangenen zwölf Monaten doppelt so häufig geliked und kommentiert. Bei den Interaktionen landet die SPD abgeschlagen hinten.
Menschen folgen lieber Menschen – auch auf Instagram
Wichtiger als die Accounts der Parteien sind aber die persönlichen Profile der Politiker. Denn generell folgen Menschen lieber Menschen als Institutionen. Anders als auf Facebook, wo AfD-Accounts dominieren (die Gründe dafür haben wir hier beschrieben), ist die Rangliste der reichweitenstärksten Politik-Accounts auf Instagram vergleichsweise bunt gemischt, aber mit vielen Vertretern aus den Reihen der Union. Neben Merkel landen etwa der bayerische Ministerpräsident
In die Top 20 schaffen es mit Gesundheitsexperte
Auffällig: Beide stehen in der Bundespolitik nicht in der ersten Reihe, konnten aber trotz deutlich weniger Abonnenten sogar ihre Parteichefs überflügeln. Das dürfte daran liegen, dass beide als authentische Vertreter zweier Communities wahrgenommen werden: Touré setzt sich für schwarze Menschen in Deutschland ein, Marquardt für die Rechte von Geflüchteten und Migranten.
Merkel sammelte seit Mai 2020 7,6 Millionen Likes und Kommentare
Einige Akteure landen in den von unserer Redaktion erstellten Top-20-Listen sowohl bei Facebook als auch bei Instagram weit oben: Etwa CSU-Chef Söder, der Europaparlamentarier Martin Sonneborn (Die Partei) oder der Vorsitzender der FDP, Christian Lindner.
Sie alle haben mehr als 200.000 Abonnenten und haben in den vergangenen zwölf Monaten über eine Million Likes eingesammelt. Was die Interaktionen angeht, kommt allerdings nur der bayerische Ministerpräsident mit 4,12 Millionen an Kanzlerin Merkel mit 7,59 Millionen Likes und Kommentaren heran.
Besonders rege wird bei Karl Lauterbach, Jens Spahn und Markus Söder kommentiert – auch das dürfte eine Folge ihrer Präsenz im Laufe der Corona-Pandemie sein. Beim Bundesgesundheitsminister ist mehr als jede fünfte Interaktion (22,9 Prozent) ein Kommentar. Zum Vergleich: Bei Merkel sind es durchschnittliche 4,4 Prozent, beim Europaparlamentarier und Satiriker Sonneborn sogar nur 0,9 Prozent.
Was passiert mit @bundeskanzlerin?
Der Account von Kanzlerin Merkel sticht nicht nur aufgrund der sehr großen Gefolgschaft heraus - hier profitiert die ehemalige CDU-Chef von ihr weltweiten Bekanntheit als langjährige Regierungschefin - sondern auch durch die Inhalte.
Auf Instagram will sie "Einblicke in die Arbeit [...] durch das Objektiv der offiziellen Fotografen" geben, wie es in der Beschreibung des Profils heißt. Die dort bisher 1.800 veröffentlichten Beiträge drehen sich um Weltpolitik, um die bundesrepublikanische Lage und nicht zuletzt um die Corona-Pandemie und ihre wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen.
Aber es geht nie um Merkels Partei, die CDU. Das liegt daran, dass ihr Account vom Bundespresseamt betrieben wird. Anders bei Außenminister und SPD-Politiker Maas. Dessen Profil betreuen die Mitarbeiter seines Bundestagsbüros.
Neben viel Außenpolitik und Fotos von Reisen durch die ganze Welt, die das Amt mit sich bringt, blitzten bei Maas auch immer wieder das rot seiner Partei und sozialdemokratische Kernthemen wie Gleichberechtigung und Anti-Diskriminierung durch.
Experten kritisieren, dass in Deutschland bisher nicht geregelt ist, wer die Social-Media-Accounts von Regierungsmitgliedern betreut – und was mit deren Ausscheiden aus dem Amt passiert. Womöglich könnte so die frisch gekürte Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock im Fall des Falles die 1,7 Millionen Abonnenten von @bundeskanzlerin einfach übernehmen.
Baerbock verdreifacht ihre Gefolgschaft seit der Kandidatenkür
Das wäre ein gewaltiger Sprung – noch mehr als schon dieser Tage. Noch am 18. April, einen Tag vor der Bekanntgabe ihrer Kandidatur, hatte Baerbock nur etwas mehr als 65.000 Follower, weniger als ihr Vorgänger und Ex-Grünen-Chef Cem Özdemir.
Binnen weniger Tage stiegen die Abonnentenzahlen Baerbocks rasant an. Innerhalb von zwei Wochen konnte sie ihre Anhängerschaft auf Instagram mehr als verdreifachen, so schnell wuchs in den vergangenen zwölf Monaten kein anderer Account.
Ihr Beispiel und das ihres Co-Vorsitzenden Robert Habeck zeigen allerdings auch: Eine große Anhängerschaft garantiert nicht zwangsläufig große Aufmerksamkeit.
Und umgekehrt zeigen etwa Martin Sonneborn (mit satirischen Posts) und Markus Söder (mit Fotos samt kurzen Slogans und Zitaten, Tierbildern und vor allem regelmäßigen Posts) wie man auch mit einer – im Vergleich zu Merkel – kleinen Followerschaft sehr viele Menschen erreicht.
Verwendete Quellen:
- Eigene Recherche und Zusammentragen der Instagram-Daten mit Hilfe von Crowdtangle
- Telefonat mit Martin Fuchs
- Schriftliches Statement der CDU und von Bündnis 90/Die Grünen
- Demografie-Portal: "Altersspezifische Wahlbeteiligung"
- Naolean Cat: "Instagram users in Germany"
- Konrad-Adenauer-Stiftung": "Kann Instagram auch Politik?"
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