• Trump wollte sie verlassen, Macron hat ihr einen "Hirntod" attestiert. Nun steht die Nato im Ukraine-Russland-Konflikt wieder im Fokus.
  • Gegründet nach dem Zweiten Weltkrieg zum Schutz vor sowjetischer Bedrohung, hat sich das politisch-militärische Bündnis Nato grundlegend verändert.
  • Sicherheitsexperte Uwe Gerstenberg erklärt, was man wissen muss, um die aktuellen Diskussionen zu verstehen.

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Gehört hat jeder schon einmal von ihr, besonders in der aktuellen Debatte um den Russland-Konflikt steht sie wieder im Fokus: Die Nordatlantische Allianz (Nato). Wiederholt hatte Russlands Präsident Putin vor einer Kriegsgefahr in Europa gewarnt, sollte die Ukraine Mitglied in dem Bündnis werden.

Mit der Sicherheitsarchitektur der Nato ist der Kreml-Chef nämlich nicht einverstanden. "Es ist schon jetzt klar, dass fundamentale Sorgen Russlands ignoriert wurden", sagte Putin zuletzt. Um aber zu verstehen, woher der jetzige Konflikt rührt, braucht es Hintergrundwissen über die Nato. Wir geben Ihnen die wichtigsten Fakten an die Hand.

Gründung nach dem Weltkrieg

Zunächst noch einmal zurück ins Jahr 1949: Die Nato stammt nämlich aus der Zeit kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs – als sich die Weltpolitik im Kalten Krieg in Ost und West aufteilte. Am 4. April schlossen damals zwölf Staaten Europas und Nordamerikas in Washington den Nordatlantikvertrag.

Dazu zählten die USA, das Vereinigte Königreich, Frankreich, die Niederlande, Belgien und Luxemburg, aber auch Dänemark, Island, Italien, Kanada, Norwegen und Portugal. Mittlerweile hat die Nato 30 Mitglieder, Deutschland trat 1955 bei. Nach der Gründung aufgenommen wurden zum Beispiel auch Griechenland, die Türkei, Albanien und Montenegro.

Bedrohung durch die Sowjetunion

In dem politisch-militärischen Bündnis suchten die westlichen Länder Beistand vor dem Hintergrund der aufkommenden sowjetischen Machtausweitung. Das Gegenstück zum westlichen Bündnis war im Osten der Warschauer Pakt. Zu Gründungszeiten war das Hauptquartier, welches mit dem Nordatlantikrat das Hauptorgan der Nato beherbergt, noch in London ansässig, seit 1967 hat die Nato ihren Sitz in Brüssel.

Auch wenn die Sowjetunion inzwischen zerfallen ist – die Nato gibt es immer noch. Ihr strategisches Konzept hat sich allerdings gewandelt. Stand zu Gründungszeiten die Abwehr eines sowjetischen Angriffs im Fokus, garantiert das Bündnis heute auf viel breiterer Ebene Sicherheit und Stabilität im euro-atlantischen Raum. Kernelemente sind dabei die kollektive Verteidigung, das Krisenmanagement und die Kooperation mit Nicht-NATO-Staaten.

Kernelement: Der Bündnisfall

Grundidee der Nato: Kein Mitgliedsland kann sich alleine gegen Angriffe von außen verteidigen. Wird aber ein Nato-Mitglied angegriffen, greift der sogenannte Bündnisfall: Der Angriff wird als Angriff gegen alle Nato-Mitglieder gewertet und die anderen Staaten sind verpflichtet, sich gegenseitig zu verteidigen. Geschehen ist das erst einmal: nach den Anschlägen in den USA am 11. September 2001.

Die Nato ist aktuell beispielsweise in Afghanistan, im Irak und im Kosovo im Einsatz. "Die Aufgaben der Nato haben sich mit den gewandelten geopolitischen Lagen verändert", sagt auch Sicherheitsexperte Uwe Gerstenberg im Gespräch mit unserer Redaktion. Das Bündnis kümmere sich daher auch um Folgen des arabischen Frühlings in Nordafrika, Probleme durch den Islamischen Staat in Syrien, Spannungen mit Kurden in der Türkei und den Taliban in Afghanistan.

USA geben Marschrichtung vor

Generalsekretär der Nato ist seit 2014 der ehemalige norwegische Regierungschef Jens Stoltenberg, er hat auch den Militärausschuss unter sich. "Allerdings geben hinter den Kulissen vor allem die USA die Marschrichtung vor", erinnert Gerstenberg.

Der Grund ist folgender: Die Amerikaner haben die größte Streitmacht der Welt unter sich. "Ohne ihre Schlagkraft ist die Nato ein zahnloser Tiger und keine Abschreckung glaubwürdig", sagt Experte Gerstenberg. Ex-Präsident Donald Trump hat die Nato vielfach daran erinnert und scharf kritisiert, drohte sogar mit einem Austritt.

Streitpunkt Zwei-Prozent-Ziel

"Was stimmt: Die Amerikaner steckt viel Geld in das Verteidigungssystem Europa und die Europäer beteiligen sich aber selbst nicht im vergleichbaren Maße. Deutschland erfüllt das Zwei-Prozent-Ziel immer noch nicht", sagt Gerstenberg. Gemeint ist damit die Vereinbarung, dass jedes Nato-Mitglied mindestens zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für den eigenen Militäretat zur Verfügung stellen soll.

Während der Etat der USA mit 3,7 Prozent fast das doppelte beträgt, landen Italien, Kanada und Deutschland mit weniger als 1,5 Prozent deutlich darunter. Das Zwei-Prozent-Ziel ist nicht das einzige Problem der Nato. Besonders von Russland wird die Nato für ihre Osterweiterung kritisiert.

Osterweiterung führt zu Spannung

2004 wurden Bulgarien, Rumänien, die Slowakei, Slowenien, Estland, Lettland und Litauen Nato-Mitglieder – teilweise Staaten auf ehemals sowjetischem Gebiet. "Russland ist damit nicht einverstanden", sagt Gerstenberg. Weil die Nato immer näher an die russische Hauptstadt heranrücke, sehe der Kreml für sich immer weniger Handlungsspielraum.

"Wenn die Nato beispielsweise einen aggressiven Atomschlag führen würde, könnte ein solcher Angriff wegen der kurzen Distanz nicht abgewehrt werden", sagt Gerstenberg. Hinzu komme, dass die Nato ihr Versprechen, sich nicht nach Osten auszudehnen, gebrochen habe.

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Alte Versprechen gebrochen?

Wie bindend die mündlichen Versprechen waren und wie sie ausgelegt werden müssen, das wird immer wieder diskutiert. Einem Memorandum zufolge soll der damalige US-Außenminister James Baker im Februar 1990 zum Staatschef Michail Gorbatschow gesagt haben, dass "sich die gegenwärtige Militärhoheit der Nato nicht ein Zoll in östlicher Richtung ausdehnen wird".

Laut westlichen Diplomaten war damit allerdings das Gebiet der DDR gemeint, eine Nato-Expansion sei zum damaligen Zeitpunkt überhaupt noch nicht diskutiert worden. Ob es sich bei dem Vorwurf, der Westen habe Russland betrogen, um einen Mythos handelt, lässt sich heute schwer klären.

Sicherheitsgarantien gefordert

Putin fordert aber nun rechtlich verbindliche Sicherheitsgarantien von den USA und deren Verbündeten. Die Nato-Staaten sollen jedwedes weitere Vorrücken der Nato nach Osten und die Stationierung offensiver Waffensysteme in unmittelbarer Nähe zur Russischen Föderation ausschließen.

"Wir haben in der Debatte natürlich einen sehr westlichen Standpunkt. Man erinnere sich nur daran, wie vehement die Amerikaner reagiert haben, als Russland Anfang der 1960er Atomwaffen auf Kuba stationieren wollten", sagt Gerstenberg.

Militärpolitische Aspekte wichtig

Die Osterweiterung habe für die Nato nicht zuletzt auch militärpolitische Ziele. "Wenn die Ukraine mit in das Bündnis aufgenommen wird, dann verlieren die Russen ihren unbegrenzten Zugang auf das Schwarze Meer", sagt er.

Putins Forderung ist bislang nicht nachgekommen worden. Zwar betonen Politiker, beispielsweise SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, immer wieder, dass ein Nato-Beitritt der Ukraine mittelfristig unrealistisch ist, ganz ausschließen wollen sie ihn aber auch nicht.

Experte: Bündnis muss leben

Gerstenberg sieht die Nato deshalb an einem Scheideweg. "Die Nato muss sich letztlich darauf einstellen, dass sie in Konflikte auf der ganzen Welt eingreifen muss, um die Sicherheit zu garantieren", meint er. Neben dem Konflikt mit Russland entwickele sich China in Konkurrenz zur USA zur größten Streitkraft der Welt.

"Der Taiwan-Konflikt und die Rolle der USA in diesem Konflikt wird sich auch wieder auf die Nato auswirken", schätzt Gerstenberg. Fest steht für ihn nur eins: "Wir sind in Deutschland nicht in der Lage, uns selbst zu verteidigen. Das Bündnis muss also leben, es ist schließlich ein Garant dafür, dass wir unsere Politik durchsetzen können."

Über den Experten: Uwe Gerstenberg war als Militärpolizist national und international im Einsatz und in den letzten Jahren seiner Dienstzeit in der Sicherungsgruppe des Bundesministeriums für Verteidigung beschäftigt. Seit mehr als 30 Jahren ist er in der privaten Sicherheitswirtschaft in leitender Funktion tätig.

Verwendete Quellen:

  • Interview mit Uwe Gerstenberg
  • Auswärtiges Amt: Die Nordatlantische Allianz
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