Was für eine Woche, oder? Joshua Kimmich wird zur Querdenker-Ikone, Richard David Precht auch und Norbert Walter-Borjans verkündet seinen Abschied vom SPD-Parteivorsitz. Aber fangen wir mal mit einer Horrormeldung aus der Finanzwelt an, die bislang viel zu wenig Beachtung fand.
Die deutschen Sparer haben im vergangenen Jahr durch Inflation und Nullzins-Politik etwa 116 Milliarden Euro Vermögen auf Giro- und Sparkonten verloren. 116 Milliarden einfach in Luft aufgelöst, oder wie man im Kanzleramt sagt:
Statistisch betrachtet entspricht dieser Rekordverlust bei knapp 83 Millionen Deutschen etwa 1.400 Euro pro Kopf. Oder plakativer: 1.300
Die meisten Deutschen könnten sich nämlich nicht mal einen einzigen Joshua Kimmich leisten. Auch
Viele SPD-Mitglieder sollen bereits bitterböse Beschwerdebriefe ans Willy-Brandt-Haus adressiert haben. Nicht, weil sie Norbert Walter gerne als Vorsitzenden behalten hätten, sondern weil er mit der Verkündung seiner Entscheidung bis nach der Bundestagswahl gewartet hat. So konnten die Hauptstadtjournalisten aus der Neo-Schwurbler-Ecke monatelang Belegtexte an ihren Chef schreiben, dass sie so einiges sind, nur aber auf keinen Fall ein "Propaganda-Assistent", der nicht mutig gegen den neuen DDR-Obrigkeitsstaat aufbegehrt.
Auf der intellektuellen Rolltreppe abwärts klammerte man sich da in der Schlussphase des an publizistischen Fremdscham-Meilensteinen wirklich nicht armen Bundestagswahlkampfs an den letzten Strohhalm. Und der hieß: Sozialismus-Alarm. Da wurde Norbert Walter schnell zum heimlichen Strippenzieher in den Enteignungs-Tsunami, sobald
Nun sind nicht mal die Koalitionsverhandlungen auf der Zielgeraden – und Norbert Walter ist quasi passé. Hätte er seine Entscheidung nicht früher verkünden können? Andererseits liefert er damit ein weiteres formschönes Highlight in der beachtlichen Serie an vollkommenen Fehlprognosen der betreffenden Ex-Edelfeder-Elite.
Ungeimpft durch die Nacht, bis die Lunge Geräusche macht
Mit Norbert Walter hat Joshua Kimmich nicht viel gemeinsam. Der zukünftige ehemalige SPD-Parteivorsitzende hat 5.200 Follower auf Instagram, Kimmich 4,8 Millionen. Kimmich ist fünfmal Deutscher Meister, Norbert Walter nullmal. Kimmich hat 64 Länderspiele, Norbert Walter null.
Nobert Walters Hobby ist die Bildhauerei, Kimmichs Hobby ist Kinderpalliativstationen zu besuchen, ohne gegen Corona geimpft zu sein. Norbert Walter ist Diplom-Volkswirt, Kimmich ist Virologe. Eigentlich ist die einzige Gemeinsamkeit, dass beide im Jahr 2022 nicht Vorsitzender der SPD sein werden.
Wobei das natürlich auch auf Markus Lanz (hat mal "Wetten Dass" moderiert) und
Stargäste auf der nächsten "Querdenker"-Demo könnten beide dagegen schon eher werden. Immerhin haben die beiden diese Woche in ihrem gemeinsamen Podcast die Causa Kimmich, dem Impfverweigerer der Herzen, wie folgt kommentiert: "Ich finde das moralisch ausgesprochen fragwürdig, wie viel Druck da aufgebaut wird". Oder auch: "Das geht quasi in Richtung Impfflicht".
Insbesondere Medienprofis, die sich für überdurchschnittlich informiert und sprachbegabt halten, sollten ziemlich genau wissen, wessen Vokabulars sie sich damit gemein machen. Zuweilen, und das endet in der Regel tragisch, übersteigt das Ego eines hochbegabten Denkers auf dem langen Weg über den Boulevard der Schulterklopfer irgendwann seine verbliebene Relevanz.
Dann kann es passieren, dass man zwischen "Maybrit Illner", Buchmesse und "Bambi" versehentlich falsch abbiegt und nur noch verkomplizierte Sätze wie "es ist nicht die Aufgabe des Staates, jedermanns Krankheitsrisiko nach allen Regeln der Form auszuschließen oder zu verunmöglichen" von sich gibt. Eines Tages scheint es dann womöglich auch egal zu sein, näher an Attila Hildmann zu argumentieren als an Karl Lauterbach.
Bas, Bas wir brauchen Bas
Besagter Podcast der Quasi-Impfpflicht-Darth-Vaders heißt übrigens, daran kann man den aktuellen Kreativ- und Innovationslevel der Veranstaltung ganz gut ablesen: "Lanz & Precht". Während man also im Querdenker-Lager jubelnd Precht und Lanz zur Kollektion der mutigen "Erwachten" hinzufügt und in einer Ahnenreihe mit Volker Bruch, Jan Josef Liefers, Til Schweiger, Nena und Michael Wendler zu Ikonen des Widerstandes hochschwurbelt, ist das Urteil des Twitter-Tribunals bereits gefällt: Precht und Lanz gehören mindestens gecancelt. Am besten mit strafverschlimmernden Zusatz-Maßnahmen wie 10 Jahre nur noch Kaninchenzüchter-Misswahlen im Ruhrpott moderieren oder die Camp-David-Shirts von Dieter Bohlen auftragen.
Zum Glück ging es diese Woche nicht überall ausschließlich um Corona und die oftmals eigentümlichen Stilblüten, die der Diskurs um Impf-Statistiken, Freedom Day und Intensivstations-Belegungsquoten so automatisch mit sich bringen wie hautintensive Instagram-Bilder ungefragte Privatnachrichten mit Schnappschüssen fremder, männlicher Geschlechtsorgane. Zum Beispiel im Bundestag in Berlin. Während mit Peter Altmaier oder Annegret Kramp-Karrenbauer einige der Ikonen der ablaufenden Legislaturperiode ihre Abschiedsvorstellung liefern und selbst Angela Merkel ihre Entlassungspapiere erhält, wird Bärbel Bas zur neuen Bundestagspräsidentin gewählt.
B.B. ist nicht immer King
Der letzte deutsche Promi mit B-Alliterations-Initialen gewann mit 17 erstmals Wimbledon. Danach ging es im Prinzip für Boris Becker allerdings langsam, aber sicher zielgenau in Richtung Privatinsolvenz.
Das verbindet sie mit der Grünen-Hoffnung Cansin Köktürk. Die war vor einigen Wochen maximal einigen Bochumer Lokalredakteuren ein Begriff, heute hat sie bereits eine veritable Talkshow-Tournee und einen ausgewachsenen Shitstorm hinter sich. Nun ist es auch nicht unbedingt uneingeschränkt demokratiefreundlich, es pauschal als "Skandal" zu bewerten, dass viele Erstwähler sich bei der Bundestagswahl für die FDP entschieden haben.
Ich verstehe, dass die Frage, warum das so ist, durchaus schlaflose Nächte machen kann und man darf auch jederzeit sagen, es fehle dafür das Verständnis. In einer Zeit, in der es mehr als ausreichend skandalöse Vorgänge in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik gibt, ist es aber womöglich keine zielführende Strategie, Wähler und Wählerinnen einer fraglos demokratischen und eben für viele auch sehr modernen Partei zu verteufeln.
Zumal bislang wenig seriöse Informationen darüber vorliegen, was ein 18-Jähriger spannend an Christian Lindner findet. Anstatt sich über das Wahlverhalten junger Politikinteressierter zu echauffieren, könnte man ja auch damit beginnen, in seiner eigenen Partei so attraktive Zukunfts-Konzepte anzubieten, dass dem heutigen FDP-Wähler beim nächsten Mal eigentlich nichts anderes übrigbleibt, als mit seinem Stimmzettel von den Freien Demokraten zu den Grünen zu wechseln.
Ich weiß. Bessere Konzepte. Eine ziemlich verwegene Taktik zum Wählergewinn. Fast so verwegen wie Profifußballer, die sich gegen Corona impfen lassen, um sich, ihren Hochleistungskörper (der gleichzeitig ihr Kapital ist) und andere zu schützen. Aber das ist eine andere Geschichte. Kimmich vielleicht nächste Woche dazu. Bis dann!
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