Das war in vielerlei Hinsicht mal wieder eine traumhafte Woche für Teilzeitchronistinnen wie mich. Sport, Comedy, Royals – alles dabei, was die Nation fremdemotional eskalieren lässt.

Marie von den Benken
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Marie von den Benken dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

So stehen wir etwa vor dem Schlussviertel der Bundesliga-Saison, an das nahtlos die Heim-EM anknüpfen wird. Keine besonders große Überraschung also, dass aktuell die meisten Corona-, Ukrainekrieg- und Nahostkonflikt-Experten im fußballverrückten Deutschland kurzfristig wieder zu Teilzeit-Bundestrainern metamorphosieren. Und als solche hatten sie eine fraglos atemberaubende Kalenderwoche. Schnappatmend für Fans des FC Bayern, durchatmend für die von Bayer Leverkusen und Rekordmeisterbesieger Borussia Dortmund.

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Dazu gehört explizit nicht der in den frühen Nullerjahren für damals noch hoffähigen, hart-rassistischen Humor bekannt gewordene Ex-Comedian Kaya Yanar. Kate Middleton dagegen soll man seit dem Champions-League-Finale 2013 in London häufiger im BVB-Trikot gesehen haben. Vielleicht war es aber auch nur Helene Fischer, die damals mit einem Privatkonzert im BVB-Mannschaftshotel in der Nacht nach der bitteren Endspielniederlage den Schmerz aller direkt Beteiligten ins Unermessliche potenzieren konnte.

Stellen Sie sich das mal vor: Da kämpfen Sie sich spektakulär mit einer Jahrhundertleistung in ein internationales Finale, das ihnen vorher nicht mal der euphorischste Schönwetterfan zugetraut hätte, fahren dann dank drei, vier skandalöser Schiedsrichterentscheidungen mit einer vollkommen unverdienten 1:2 Niederlage zurück ins Hotel und am Trauerbankett empfängt sie Helene Fischer mit einer Playbackversion von "Atemlos". Während Sie, liebe Leser, dieses Trauma gedanklich überwinden, starten wir jetzt aber mal mit dem Rückblick in nachvollziehbarer Reihenfolge.

Tschörmen Classico

Am Samstagabend standen sie sich also mal wieder gegenüber. Der FC Bayern München (mit dem unter bis heute ungeklärten Gründen einst beim BVB entlassenen Thomas Tuchel an der Seitenlinie, der auch beim Branchenprimus der Liga bereits wieder seine Demission zum Saisonende ausgehandelt hatte) traf auf den Ballspielverein Borussia Dortmund von 1909. Der hatte – für viele Fans inzwischen weniger nachvollziehbar als großflächige Stirn-Tattoos – nach wie vor seinen Südkurventrainer Edin Terzić auf der Chefcoach-Position mit ins schöne Fröttmaning gebracht. Der berühmte "German Classico" stand also ins Haus. In diesem Fall konkret in der Münchner Fußballarena, die nach einem großen Versicherungskonzern benannt ist. Signal Iduna Arena, glaube ich, oder so.

Während sich Bayernfans beeilten, vor dem Spiel darüber zu witzeln, ob es dieses Mal eine zweistellige Packung für den einstigen zweiten Leuchtturm der Liga aus dem Ruhrpott geben würde und sich die Schlachtenbummler aus der vermutlich zweithässlichsten Stadt Nordrhein-Westfalens nach Gelsenkirchen tatsächlich selbst eher unterdurchschnittliche Chancen dafür einräumten, nach zehn Jahren endlich mal wieder beim Erzrivalen zu gewinnen, freute sich der neutrale Fußballfan auf eine Partie, die zwar aktuell weder an Manchester City – FC Liverpool, noch FC Barcelona – Real Madrid auch nur ansatzweise heranreichen kann, aber eben immer noch das Beste ist, was es ligaintern an Ballzauberpotenzial abzurufen gibt.

Für VfL Wolfsburg gegen TSG Hoffenheim jedenfalls kommen keine 170 TV-Teams aus aller Welt vorbei, um live dabei zu sein, welche Influencerin Mats Hummels dieses Mal nach dem Spiel ins P1 ausführen würde. Und der spielt schon seinen 29. "German Classico". Hummels hat somit mehr Bayern-BVB-Showdowns auf dem Feld miterlebt als die meisten seiner Gespielinnen überhaupt zählen können.

Der Schiedsrichter ist schuld!

Und diesem neutralen Zuschauer wurde einiges geboten. Zwar schwand mit jeder Stunde, die der Anpfiff näher rückte, die Anzahl an Berufsoptimisten auf Seiten der Schwarz-Gelben, die noch an einen Überraschungssieg glaubten (vor allem weil mit Donyell Malen und Gregor Kobel die beiden zuletzt überragenden Spieler des BVB kurzfristig ausfielen), der BVB überraschte aber dennoch mit der besten Saisonleistung. Ausgerechnet in der ersten Saison der vergangenen zehn Jahre, bei der absolut eindeutig klar ist, dass der BVB bei der Frage nach der Meisterschaft definitiv kein Wörtchen mitzureden hat, gelang tatsächlich der erste Dreier in München. Also, Punkte-Dreier, nicht wieder Mats Hummels und die Influencerinnen.

Bayernfans beeilten sich, wahlweise zu erläutern, das Spiel sei entweder ohnehin wertlos, weil es um nichts mehr ging, oder der Schiedsrichter trage die Hauptschuld für die Niederlage. Interessanter Standpunkt für ein Fanlager, das durch haarsträubende Fehlentscheidungen von Schiedsrichter-Gespannen sowohl den in der Fußballhistorie bislang wichtigsten "German Classico" gewann (das schon angesprochene Champions-League-Finale 2013) als auch das Pokalfinale 2014, als ein etwa drei Meter hinter der Torlinie einschlagender Ball von Mats Hummels als "kein Tor, weil Torlinie nicht überschritten" eingeordnet wurde. Aber wer möchte schon mit Erfolgsfans die Causa Bayernbonus durchkauen.

Da kann es nur Verlierer geben. So wie Uli Hoeneß beispielsweise, der die Niederlage seiner Bayern in Bochum offenbar noch schlimmer findet als die Heimniederlage gegen Dortmund. Vermutlich, weil dort der Schuldige schneller zu identifizieren war: Die eigenen Fans. Denn Hoeneß weiß: "Die werfen Bälle auf den Platz, dann wird das Spiel unterbrochen, unsere Spieler stehen 15 Minuten im Regen auf dem Platz und dann wundern die sich, wenn wir das Spiel verlieren!" Und da hat der zweitgrößte Würstchenproduzent Deutschlands (nach den Windelinhalten meines 15 Wochen alten Sohns) Recht! Das erkennt der gemeine Bayern-Hasser nicht unbedingt sofort. Aber nur, weil er den Kontext nicht kennt: Damals standen die Hochleistungs-Filigrankörper der Bayernspieler nicht nur 15 Minuten im Regen, sondern die eigentlich in allen Belangen unterlegenen Bochumer Spieler kehrten derweil in ein Luxushotel ein und ließen sich 15 Minuten in einer Dampfsauna von Physiotherapeuten massieren. Logisch, dass sich selbst ein Rekordmeister da anschließend die Bude von einem Abstiegskandidaten vollballern lassen muss.

Lady Di, Kaya Blackfacing Yanar und Kate Middleton

Den Hinweis, dass das 0:2 gegen die Jungs vom Borsigplatz nicht mal die schmerzhafteste Niederlage der Woche war, wenn man die Abfuhr von Xabi Alonso mitrechnet, der im Sommer trotz großer Hoffnung der Erfolgsfan-Armada nicht an die Säbener Straße wechseln wird, lasse ich heute mal weg. Die 4.000 Mails, in denen mir Bayernfanatiker mit Schaum vor Mund und Tastatur schreiben, dass der FC Bayern so einen Amateurtrainer wie Alonso, der noch nie einen Titel gewonnen hat, sowieso nie verpflichtet hätte, erspare ich mir lieber.

Ich kenne die Inhalte alle schon von den 5.000 Mails, die ich damals erhalten habe, als ich irgendwo schrieb, wie stabil ich es finde, dass Marco Reus auch in der Blütezeit seiner Karriere oder zu Zeiten, als der BVB auf Platz 18 der Tabelle stand, jedes Angebot von Top-Clubs und auch einige des FC Bayern ausgeschlagen hat. Seinerzeit wurde ich bereits ausreichend mit der Sportinformation versorgt, Reus sei sowieso zu schlecht für den FC Bayern, hätte sich gar nicht nach München getraut und sei daher ohnehin nie eine Option gewesen. Stattdessen holte man dann Superstars wie Landon Donovan, Ali Karimi, Jan Schlaudraff, Vahid Hashemian, Jan Kirchhoff oder Tobias Rau, die allesamt nur haarscharf am Ballon d’Or vorbeischrammten.

Nun habe ich mich so sehr in Rage geclassicot, dass in dieser lauschigen Familienkolumne kein Platz mehr ist für die vollmundig angekündigten Themen Kaya Yanar und Kate Middleton. Über Kaya Yanar (die sehr viel Älteren kennen ihn noch als offiziellen Comedypreisträger für seine Paradedisziplin: humorfragwürdige Blackfacing-Gags) und seinen intellektuellen Komplettabsturz werde ich in der kommenden Woche noch ausführlich beleuchten.

Über Kate Middleton dagegen vermutlich nicht, denn wie ich einschlägigen Aluhut-Telegramgruppen brandaktuell entnehmen durfte, ist sie bereits vor Monaten ermordet und durch einen Repitloiden in Menschengestalt ersetzt worden. Warum genau, da war man sich nicht ganz einig. Entweder, es hat was mit Illuminaten-Eliten zu tun, die in geheimen Tunneln unter dem Central Park das Blut von Achtjährigen trinken, oder sie ist der Wahrheit um den Tod von Lady Di zu nahe gekommen. So oder so: Es wird auch kommende Woche eine Knaller-Kolumne, das ist klar. Die dürfen Sie nicht verpassen! Bis dann!

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