Der 2:0-Sieg von Borussia Dortmund zerstörte die letzte Titel-Hoffnung des FC Bayern München. Bayern-Sportvorstand Max Eberl legt in der Bundesliga ein neues Minimalziel fest. BVB-Trainer Terzic feiert erst den Sieg und kritisiert danach die Medien.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Oliver Jensen sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Thomas Tuchel erlebte ein ungewolltes Déjà-vu. "Wir dachten, dass wir nicht mehr diesen Punkt erleben, dass ein Spiel einfach so dahingeht. Aber es ist offensichtlich wieder passiert", sagte der Trainer des FC Bayern nach der 0:2-Niederlage gegen Borussia Dortmund und musste einmal mehr feststellen: "Es ist offensichtlich extrem schwer für uns, Spiele mit dem richtigen Biss und der richtigen Leidenschaft anzugehen."

Mehr News zur Bundesliga

BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl war von der Leistung seiner Mannschaft begeistert: "Wir sind wahnsinnig viel gelaufen, haben sehr viel investiert, sind sieben Kilometer mehr gelaufen als Bayern. Das war ein verdienter Sieg. Ich bin stolz auf die Mannschaft."

Bayer Leverkusen sorgte bereits im Vorfeld für einen Dämpfer

Der Abend begann für die Spieler des FC Bayern bereits mit einem emotionalen Dämpfer. Als Trainer und Spieler die Allianz-Arena betraten, bekamen sie mit, dass der Tabellenführer Bayer Leverkusen das Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim in der Schlussphase drehte und 2:1 gewann. Bis zur 88. Minute lag Leverkusen noch zurück. "Das wäre ein schöner Rahmen für uns und die Zuschauer gewesen, den Rückstand zu verkürzen", sagte Tuchel.

Ob die Enttäuschung Spuren hinterließ? "Das hat uns mit Sicherheit nicht geholfen", gab der Trainer später zu. Die Meisterschaft schreibt er nun endgültig ab: "Glückwunsch an Leverkusen." Müller wollte das Spiel von Leverkusen zwar nicht als Ausrede nutzen, gab aber ebenfalls zu: "Das war ein kleiner Dämpfer."

Schwache Leistung des FC Bayern für Kimmich "unerklärlich"

Der FC Bayern hatte gegen Dortmund einerseits 61 Prozent Ballbesitz und mit einem Torschussverhältnis von 17:11 auch mehr Abschlüsse, ließ aber jegliche Dynamik und Kreativität vermissen. "Ich frage mich, wie das passieren kann, dass wir so eine Einstellung an den Tag legen. Das ist für mich frustrierend, völlig unerklärlich", sagte Joshua Kimmich.

Terzic hebt zwei Spieler besonders hervor

Nach dem ersten Bundesliga-Sieg des BVB in München seit zehn Jahren war die Freude bei Dortmund-Trainer Edin Terzic groß. Der Coach ordnete den Erfolg ein und schwärmte vor allem über seine überragende Innenverteidigung. Die Leistung möchte er gern in den Saisonendspurt mitnehmen.

Beim Gegentreffer zum 0:1 kam eine altbekannte Schwachstelle des FC Bayern zum Vorschein: die Konteranfälligkeit.

Thomas Müller spielte im Mittelfeld einen Fehlpass, sodass Dortmund einen schnellen Gegenangriff einleiten konnte. Mittelfeldspieler Konrad Laimer wurde einfach überspielt, weil er nach vorne verteidigen wollte. Der als Rechtsverteidiger aufgestellte Kimmich hatte sich zu weit nach vorne orientiert und fehlte in der Defensive, sodass der Torschütze Karim Adeyemi zu viel Platz hatte und erfolgreich abschließen konnte.

Bayern-Minimalziel: die Champions-League-Qualifikation

Sky-Experte Lothar Matthäus sah insgesamt viele Defizite im Spiel des FC Bayern: "Ungenauigkeit, Unkonzentriertheit, keine Zielstrebigkeit nach vorne, keine Geschwindigkeit." Das zweite Gegentor durch Julian Ryerson resultierte aus einem schwachen Abwehrverhalten. Matthäus war fassungslos: "Die Bayern laufen nur hinterher, da geht keiner in den Zweikampf, keiner ist da, im und um den Strafraum herum haben die (Dortmunder) zehn Meter Platz."

Sportvorstand Max Eberl äußerte sich im "aktuellen Sportstudio" ebenfalls sehr kritisch: "Ich hätte mir mehr Energie und mehr Willen gewünscht, um das Spiel zu gewinnen." Tabellarisch schaut er (völlig ungewöhnlich für den FC Bayern) jetzt nach unten: "Der Blick nach vorne ist deutlich weiter als nach hinten. Ich bin beim FC Bayern, das weiß ich, da geht er Blick immer nach vorne, das muss auch so sein. Aber wir sollten jetzt Punkte machen, um - das hört sich skurril an - die Champions-League-Qualifikation einzutüten."

BVB-Verteidiger Schlotterbeck und Hummels empfehlen sich für die EM

Während die Defensive des FC Bayern oft zu passiv war, schmissen sich vor allem die BVB-Innenverteidiger Nico Schlotterbeck und Mats Hummels in jeden Zweikampf und in jeden Ball. Kehl lobte: "Beide haben das heute herausragend gut gemacht – im Zusammenspiel, im Verteidigen, im Herausschieben. Das ist für mich sehr hohes Niveau."

Beide Verteidiger waren für die letzten beiden Länderspiele der deutschen Nationalmannschaft nicht nominiert. Ob sie sich mit solchen Leistungen noch einmal in den Fokus spielen? "Zumindest wollten sie ein Statement setzen. Und das haben sie getan", sagte Kehl.

Rückblickend könnte es sogar ein Vorteil gewesen sein, dass viele BVB-Spieler nicht für die Nationalmannschaft nominiert waren. "Wir konnten intensiver trainieren, hatten viele Einheiten in der größeren Gruppe. Es ist ein bisschen ungewöhnlich, dass so viele Nationalspieler da waren. Aber wir haben die Zeit genutzt. Ich denke, das hat man auch gesehen", sagte Kehl.

Terzic rechnet mit den Medien ab

BVB-Trainer Edin Terzic freute sich ebenfalls über den Sieg, war aber gleichzeitig von den oftmals negativen Fragen der Journalisten genervt. "Es ist ziemlich schwer mit Euch", sagte er bei Sky, als darauf angespielt wurde, dass der Trainer zeitweise in der Kritik stand. "Wenn wir verlieren, ist eh alles scheiße. Wenn wir gewinnen, werden uns Fragen gestellt: Warum hat der nicht gespielt? Jetzt haben wir gegen Bayern gewonnen und werden wieder nach etwas Negativem aus den letzten Wochen gefragt."

Er verwies auf die positive Bilanz: "Wir haben in zwölf Monaten fünf Bundesligaspiele verloren. Trotzdem haben wir häufig das Gefühl, dass wir in den zwölf Monaten nur fünf Spiele gewonnen haben." Tatsächlich hat der BVB nur eines der letzten 13 Bundesligaspiele verloren und die letzten vier alle gewonnen.

Wiedersehen zwischen Bayern und Dortmund im Champions-League-Finale?

Bayern und Dortmund sind nun bald im Viertelfinale der Champions League gefordert. Der FC Bayern tritt am 9. April zum Hinspiel in London beim FC Arsenal an. Dortmund spielt einen Tag später bei Atletico Madrid.

Matthäus blickt den Spielen aus deutscher Sicht positiv entgegen und sagte im Exklusiv-Interview mit unserer Redaktion: "Die Auslosung hat gezeigt, dass beide Mannschaften gute Titel-Chancen haben. Sie könnten erneut im Wembley-Stadion (wie 2013, Anm. d. Red.) gegeneinander spielen."

Nach dem Samstagabendspiel lässt sich allerdings festhalten: Speziell der FC Bayern müsste sich dafür ordentlich steigern.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels wurde berichtet, dass Leverkusen das Auswärtsspiel bei der TSG Hoffenheim drehte. Richtig ist, dass Leverkusen ein Heimspiel hatte.

Tuchel kritisiert nach Pleite gegen Dortmund fehlenden "Spirit"

Nächstes Stimmungstief beim Rekordmeister: Nach der ersten Heimniederlage im Bundesliga-Klassiker seit zehn Jahren war Trainer Thomas Tuchel mächtig bedient. Besonders die fehlenden Grundtugenden bei seiner Mannschaft machten dem scheidenden Bayern-Coach zu schaffen.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.

Teaserbild: © picture alliance/Eibner-Pressefoto/Michael Weber