Die achte Meisterschaft in Folge für den FC Bayern hat viele Väter: Den Trainer Hansi Flick, das Gerüst der Mannschaft von Kapitän Manuel Neuer bis Torjäger Robert Lewandowski - aber auch fünf Spieler, die auf ihre eigene Art zu überraschen wussten.

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Und es geht einfach so weiter für Kingsley Coman. 24 Jahre ist der Flügelangreifer von Bayern München jung, seit acht Jahren spielt Coman auf dem allerhöchsten Niveau Fußball. Für Paris Saint-Germain als junger Hüpfer, für Juventus als aufsteigender Star und für den FC Bayern als gestandener Spieler.

Das allein ist schon außergewöhnlich genug, aber Coman hat eine geheime Kraft und die macht ihn einmalig: Der Franzose kennt das Gefühl nicht, am Ende einer Saison nicht als Meister gekürt zu werden. Coman hat offenbar eine eingebaute Titelgarantie - vielleicht spielte und spielt er aber auch "nur" bei den jeweils überragenden Mannschaften der jeweiligen Liga.

In Paris (zwei) und in Turin (ein Mal) holte Coman mit seinen Mannschaften den Titel, bei den Bayern nun schon das fünfte Mal in Folge. Vermutlich liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Immerhin hatten Coman und die Bayern in dieser Saison aber auch mal ein paar Widerstände mehr zu umgehen.

Erstaunliche Leistungskurve: Wer im Bayern-Trikot überraschte

Bayerns natürliche Lust auf Platz eins wurde bisweilen auf eine harte Probe gestellt und letztlich waren es neben der entscheidenden Rochade auf der Trainerbank auch ein paar Einzelspieler, die das Kollektiv nach vorne bringen konnten. Um die Achse Manuel Neuer, David Alaba, Joshua Kimmich und Robert Lewandowski herum beschrieben einige Kollegen eine teilweise erstaunliche Leistungskurve. Eine Auswahl.

Benjamin Pavard

35 Millionen Euro überwiesen die Bayern vor Saisonbeginn nach Stuttgart, und obwohl Pavard als Weltmeister in München vorstellig wurde, blieben Zweifel an seiner Eignung für den deutschen Rekordmeister. Pavard ging in Stuttgart in einer verstörend schlechten Mannschaft mit unter, konnte seinem eigenen Anspruch als Führungsspieler in einer schweren Situation nie gerecht werden.

In Lucas Hernández stellten sich die Bayern einen 80-Millionen-Euro-Zugang auf den Hof, der wie Pavard auf mittelfristige Sicht den Platz des abgewanderten Mats Hummels in der Innenverteidigung einnehmen sollte. Tatsächlich fand sich aber schon schnell ein anderes Betätigungsfeld für den Franzosen: Pavard etablierte sich bei den Bayern als rechter Außenverteidiger - auf jener Position also, auf der er in der französischen Nationalmannschaft reüssiert.

Pavard mag in München als Notnagel gestartet sein und hatte ganz sicher nicht nur positive Momente. Aber er hat sich durchgebissen in seiner ersten Saison bei einem ganz großen Klub.

Kein Münchener Defensivspieler stand öfter auf dem Platz als Pavard (29 Spiele), keiner hat mehr Tore erzielt (vier), keiner sammelte mehr Assists (fünf) - bis zum 32. Spieltag. Selbst im sensationellen Kollektiv der Bayern ragt Pavard damit heraus.

Jérôme Boateng

Jérôme Boateng, deutscher Weltmeister von 2014, galt in München als Auslaufmodell. Im vergangenen Frühjahr wurde schon über einen Abschied Boatengs spekuliert. Ebenso wie übrigens ein Jahr zuvor, als Boateng mit Manchester United und Paris Saint-Germain in Verbindung gebracht wurde oder sich selbst dort ins Gespräch brachte.

Mit Ex-Trainer Niko Kovac hatte Boateng ein anhaltend angespanntes Verhältnis und vermutlich hätte der Spieler nicht die Entwicklung der vergangenen Wochen und Monate genommen, wenn Kovac immer noch Trainer der Bayern wäre. Boateng bemängelte den fehlenden Rückhalt unter anderem von Kovac.

Bei Flick, mit dem er bereits bei der Nationalmannschaft vertrauensvoll zusammengearbeitet hatte, war das offenbar ganz anders. "Ich brauche das Vertrauen des Trainers und seines Trainerteams. Das habe ich wieder. Auch vor der Zeit unter Hansi Flick habe ich gut und hart trainiert, durfte aber nicht spielen und hatte so nie die Chance, in meinen Rhythmus zu kommen. Da ist es für jeden Spieler schwer", sagte Boateng der "Welt".

Bezeichnend, dass Boateng bei Kovac‘ letztem Spiel beim 1:5 in Frankfurt früh vom Platz flog. Nach der folgenden Sperre und unter Flick ging es aber nur noch bergauf. Boateng fand in diesem Kalenderjahr wieder seinen festen Platz neben Alaba in der Innenverteidigung und erlebt in München seine gefühlt vierten Frühling.

Boateng könne sich vorstellen, nun doch bei den Bayern zu bleiben, sagt er. Seine Leistungen, sein Lupfer auf Lewandowski vor dessen Titel-Tor am Dienstagabend in Bremen, bieten dafür jedenfalls eine ordentliche Verhandlungsgrundlage.

Alphonso Davies

Zum Alphonso Davies ist eigentlich schon alles geschrieben und gesagt: Der Kanadier ist der Aufsteiger der Saison bei den Bayern, vielleicht sogar der Bundesliga. Erst mit und dank ihm als verlässlichem Spieler auf der linken Außenverteidigerposition konnte Alaba ins Zentrum einrücken - was vermutlich auch so bleiben wird.

Sowohl Alaba als linker Innenverteidiger als auch Davies als linker Außenverteidiger überzeugten voll. Auch für Davis entpuppte sich der Trainerwechsel als entscheidendes Signal. Seitdem spielt Davies auf einen gleichsam hohen wie konstanten Niveau und verkörpert die (rosige) Zukunft der Bayern.

Ähnlich wie bei Pavard rankten sich um Davies‘ Wechsel als Offensivspieler zu den Bayern ein paar Zweifel, die mittlerweile aber restlos ausgeräumt sein dürften. Der Spieler ist jetzt schon dick drin in der internationalen Spitze auf seiner Position und bringt trotzdem noch eine ganze Menge Entwicklungspotenzial mit. Er ist ja immer noch erst 19 Jahre jung…

Leon Goretzka

Und noch ein Spieler, der nach einer durchwachsenen Startphase in die Saison regelrecht explodiert ist. Leon Goretzka verpasste die ersten Spiele wegen diverser Verletzungen und fand nur schwerlich Tritt. Mehr als ein, im wahrsten Sinne des Wortes, Mitläufer war der 25-Jährige in der Hinserie nicht.

Aber Goretzka wusste die beiden großen Unterbrechungen der Saison gewinnbringend zu nutzen: Nach der Winterpause war Goretzka plötzlich da und erzielte oder bereitete wichtige Treffer vor. Die Coronakrise und die wochenlange Auszeit nutzte Goretzka, um sich nicht nur körperlich total fit, sondern auch in Form zu bringen.

Aus dem ehemals hageren Spieler ist ein Athlet geworden, Goretzka hat massiv Muskelmasse aufgebaut. Das macht ihn noch nicht zu einem besseren Fußballer, zeigt aber die Einstellung und Haltung zu seinem Beruf.

Vielleicht war es auch reiner Zufall, dass Goretzka aus einer Torbeteiligung vor der Winterpause in den Spielen danach 13 Torbeteiligungen gemacht hat, sechs Tore und sieben Assists. Oft genug waren es wichtige Treffer, nicht eine 3:0- oder 4:0-Führung.

Goretzka ist der Spieler, der aus der Tiefe plötzlich im gegnerischen Strafraum mit auftaucht und sein hervorragendes Timing im Nachrücken und dann auch im Torabschluss zeigt. Und der sich für die Bayern in der Form der Rückserie unverzichtbar gemacht hat.

Thomas Müller

Für Thomas Müller lief es unter Kovac schleppend. Der ehemalige Nationalspieler pendelte zwischen Startelf und Ersatzbank, Kovac‘ sehr unglückliche Aussagen vor dem Spiel gegen Hoffenheim (1:2) befeuerte die Debatten nur noch.

"Not am Mann" wurde zum geflügelten Begriff im Zwist zwischen Trainer und Spieler, den Kovac nicht mehr einfangen konnte. Bis zu dessen Demission kam Müller auf nur 450 von 900 möglichen Spielminuten, auf vier Assists und kein einziges Tor. Nur ein einziges Mal stand er die kompletten 90 Minuten auf dem Platz.

Mit Flick kam die große Wende. Müller startete in 20 möglichen Spielen 18 Mal und hat seitdem sieben Tore und unfassbare 16 Assists gesammelt. Mit insgesamt 20 Torvorlagen hat Müller jetzt schon den Bundesligarekord geknackt, ist vom Bankdrücker längst wieder zum Antreiber und Herz der Mannschaft geworden.

Ähnlich wie Boateng geht Müller deshalb fast als eine Art Neuzugang durch. Und als eine der Überraschungen dieser Bayern-Saison.

Verwendete Quellen:

  • Welt am Sonntag: "Ich stehe immer noch hier. Ich kann mir vorstellen, dass ich bleibe"
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