- Leserinnen und Leser fragen Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitiker - unser Format bietet den Usern unserer Plattform die Möglichkeit, einen direkten Draht zum Berliner Politikbetrieb herzustellen.
- Vor der Bundestagswahl brennen den Usern offenbar sehr viele Probleme unter den Nägeln.
- Von Alice Weidel von der AfD erwarten sie unter anderem Antworten auf ihre Fragen zur sozialen Absicherung, der Migrationspolitik und dem Klimaschutz.
Vor der Bundestagswahl am 26. September haben wir unseren Leserinnen und Lesern die Chance gegeben, ihre Fragen und Anliegen an sechs Spitzenkräfte der im aktuellen Bundestag vertretenen Parteien zu schicken.
Teil 1: Ihre Fragen an Linke-Politiker Gregor Gysi
Teil 2: Ihre Fragen an CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus
Teil 3: Ihre Fragen an Grünen-Politiker Cem Özdemir
Gregor Gysi (Die Linke), Ralph Brinkhaus (CDU/CSU),
An AfD-Spitzenkandidatin
Stellen Sie sich vor, Sie wachen morgen auf und sind
Michael, Leinfelden-Echterdingen, 30, Lokomotivführer
Alice Weidel: Meine erste Amtshandlung wäre es, dem Grundgesetz und den darin verankerten Grundrechten endlich wieder uneingeschränkt Geltung zu verschaffen. Dazu gehört auch die Aufhebung sämtlicher Corona-Maßnahmen, denn es ist höchste Zeit, im Kampf gegen Corona auf die Eigenverantwortung der Bürger zu vertrauen, statt sie durch immer neue Maßnahmen zu gängeln.
Wie sieht Ihr Programm für die Zukunft der gesetzlichen Rente aus?
Bernd, Berlin, 55, Postzusteller
Weidel: Wir befürworten einen ausgewogenen, leistungsgerechten Ansatz, der die Belange aller Betroffenen einbezieht und das umlagefinanzierte Rentensystem für den Eintritt der Babyboomer ins Rentensystem tauglich macht. Es ist inakzeptabel, die Bürger bis zum Umfallen arbeiten zu lassen, während ihr Steuergeld in alle Welt verteilt wird. Der drohenden Überlastung der Beitragszahler muss durch einen höheren Steuerzuschuss in der Rentenfinanzierung entgegengewirkt werden, versicherungsfremde Leistungen sind aus Steuermitteln zu begleichen. Dieser höhere Steueraufwand darf jedoch nicht durch Steuererhöhungen finanziert werden. Die Steuerzuschüsse zur Rente sind durch konsequente Streichungen von unsinnigen ideologischen Politikmaßnahmen gegenzufinanzieren. Gute Renten bleiben nur dann finanzierbar, wenn wir die richtigen haushaltspolitischen Prioritäten setzen.
Wie unterstützen Sie die Mitte der Gesellschaft und vor allem diejenigen, die vom Mittelstand in die Arbeitslosigkeit abgerutscht sind?
Heiko, Main-Tauber-Kreis, 49, erwerbslos
Weidel: Die industriefeindliche und ideologiegetriebene Politik der Bundesregierung schlägt jetzt gnadenlos auf den Arbeitsmarkt durch. Mittelstand, Mittel- und Geringverdiener müssen endlich entlastet, das Arbeitslosengeld gerechter ausgestaltet werden: Wer arbeitslos wird, hat im Regelfall nur Anspruch auf ein Jahr Arbeitslosengeld I. Anschließend erhält er Arbeitslosengeld II wie jemand, der noch nie zuvor in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat. Dies stellt eine Geringschätzung langjähriger Beitragszahler dar. Die AfD setzt sich für eine Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I in Abhängigkeit von der Dauer der Vorbeschäftigung ein. Der Selbstbehalt bei der Berechnung von Arbeitslosengeld II ist sanktionsfrei zu erhöhen. Dies ist ein Gebot der Gerechtigkeit.
Was halten Sie vom bedingungslosen Grundeinkommen als Antwort auf die Digitalisierung und den absehbaren Rückgang an Arbeitsplätzen?
Eva, Hessen, 51, selbstständig
Weidel: Ein Grundeinkommen, das an keinerlei Bedingungen mehr geknüpft ist, motiviert nicht mehr Eigenengagement und ist daher keine geeignete Antwort auf die tiefgreifenden ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen in Deutschland. Jede menschliche Gesellschaft beruht auf dem Prinzip einer gewissen Eigenverantwortung von Individuen, ihre Lebensbedürfnisse aus eigener Kraft befriedigen zu können. Die AfD fordert die Wiederbelebung des Leistungsprinzips im Sozialstaat und will eine 'Aktivierende Grundsicherung' als Alternative zum Arbeitslosengeld II einführen. Das erzielte Einkommen soll nicht wie bisher vollständig mit dem Unterstützungsbetrag verrechnet werden. Stattdessen verbleibt dem Erwerbstätigen stets ein spürbarer Anteil des eigenen Verdienstes. Wer arbeitet, wird auf jeden Fall mehr Geld zur Verfügung haben als derjenige, der nicht arbeitet, aber arbeitsfähig ist.
Wie können Sie als homosexuelle Frau die Politik einer homophoben Partei vertreten?
Nico, Bayern, 24, Maschinenbauingenieur
Weidel: Die AfD die ist keine homophobe Partei. Die sexuelle Orientierung eines Menschen spielt in unserer Partei und für unsere Politik keine Rolle. Aber unsere politischen Gegner versuchen immer wieder, der AfD negative Etikette wie 'homophob' aufzukleben, um uns zu diskreditieren. Mit der Realität und mit unserer Politik hat das allerdings überhaupt nichts zu tun.
Wann trennt sich die AfD von den rechtsextremen Führungsmitgliedern, sodass Ihre Partei für den Normalbürger akzeptiert werden kann?
Hans-Peter, Schwarzwald-Baar-Kreis, 74, Rentner
Weidel: Die Einschätzung dessen, was rechtsextremistisch ist, hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verschoben. Viele unserer politischen Positionen, etwa in der Ausländer- und Einwanderungspolitik, wurden in den 80er- und 90er-Jahren noch von der Union vertreten – und damals wie heute sind diese Positionen nicht rechtsextremistisch, sondern vernünftig. Was sich geändert hat, sind die öffentliche Meinung und die Medien, die in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter nach links gerückt sind. Auch hier gilt: Nicht immer glauben, was andere über die AfD erzählen, sondern sich selbst ein eigenes Bild machen. Wo sich dennoch mal jemand von uns im Ton vergreift und damit deutlich macht, dass er nicht zu uns passt, handeln wir schnell und konsequent.
Sollen wir weiter tatenlos zusehen, wie Menschen in Syrien von russischen Kampfbombern oder in Afghanistan von den Taliban terrorisiert werden und dann, wenn sie versuchen, ins sichere Europa zu flüchten, im Mittelmeer ertrinken?
Klaus, Berlin, 55, selbstständig
Weidel: In Afghanistan ist gerade auf erschreckende Weise der Versuch gescheitert, einem vom Islam geprägten Land das westliche System überzustülpen. Die Menschen vor Ort müssen selber klären, unter welcher Regierung sie leben möchten. Wir können nur im Rahmen unserer Möglichkeiten versuchen, Fluchtursachen zu bekämpfen und den Menschen in ihrer Heimat zu helfen. Gleichzeitig muss alles dafür getan werden, dass sich niemand auf die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer begibt. Natürlich müssen Menschen, die in Seenot geraten, gerettet und zu ihren Ausgangshäfen zurückgebracht werden. Aber es ist unverantwortlich, dass private sogenannte Rettungsschiffe das schmutzige Geschäft der kriminellen Schlepperorganisationen unterstützen und die Flüchtlinge quasi aufs Meer locken.
Der AfD-Ehrenvorsitzende
Ernst, Landkreis Amberg-Sulzbach, 61, selbstständiger Handwerker
Weidel: Der entscheidende Unterschied ist: Alexander Gauland ist von Deutschland nach Deutschland geflohen. Er war also ein Binnenflüchtling. Das ist, Gott sei Dank, seit der Wiedervereinigung nicht mehr nötig. Natürlich ist es nachvollziehbar, dass Menschen auf der Suche nach einem besseren Leben ihr Glück in Deutschland versuchen wollen, weil sie in ihrer Heimat keine Perspektive mehr sehen. Doch die Politiker in Deutschland sind ihren Bürgern verpflichtet und nicht Menschen, die aus fremden Ländern zu uns kommen wollen. Das schließt aber nicht aus, dass wir dabei helfen, die Bedingungen in den Heimatländern zu verbessern. Doch darüber, wer zu uns kommen kann, um dauerhaft hier zu leben, muss Deutschland souverän entscheiden.
Wie finden Sie die Idee, dass Benzin- und Dieselautos bald nicht mehr zugelassen werden sollen?
Bernhard, Schwarzwald-Baar-Kreis, 37, erwerbslos
Weidel: Eine ideologiegetriebene Verbotspolitik, die bestimmte Verkehrsmittel bevorzugt oder diskriminiert, lehnen wir als AfD ab. Im Vordergrund steht für uns die Freiheit der Bürger in der Wahl ihres Verkehrsmittels. Individuelle Mobilität muss zudem bezahlbar bleiben.
Die Bundesregierung und Brüssel haben die deutsche Automobil- und Zulieferindustrie mit der Erzwingung der Elektromobilität ohne Not einem technologischen Strukturbruch ausgesetzt, der immer mehr zum ökonomischen Desaster wird. Denn gerade der für den Großteil der Arbeitsplätze hierzulande zuständige Mittelstand ist abhängig vom Fortbestand des Verbrennungsmotors. Wir fordern daher Technologieoffenheit: Ob der Verbrennungsmotor zukünftig durch andere Antriebsformen abgelöst wird oder nicht, sollen technischer Fortschritt und der Markt entscheiden - und nicht die verantwortungslose Verbotspolitik der EU.
Wie wollen Sie mit dem Klimawandel als der größten Herausforderung unserer Zeit umgehen?
Sonja, Berlin, 65, Diplom-Ingenieurin
Weidel: Das Klima hat sich immer schon und völlig unabhängig vom menschlichen Tun geändert. Die jüngste Erwärmung liegt zudem im Bereich natürlicher Klimaschwankungen, wie wir sie auch aus der vorindustriellen Vergangenheit kennen.
Die Menschheitsgeschichte belegt, dass Warmzeiten immer zu einer Blüte des Lebens und der Kulturen führten. Statt einen aussichtslosen Kampf gegen den natürlichen Wandel des Klimas zu führen, sollten wir uns an die veränderten Bedingungen anpassen, so wie es Pflanzen und Tiere auch tun. Um dem Vorsorgeprinzip zu genügen, wäre die Einrichtung eines Klimawandelfolgenanpassungsfonds sinnvoll. Dieser sollte mit maximal zehn Prozent der bisher für den Klimaschutz aufgewendeten Mittel gespeist werden und zukünftigen Generationen die finanziellen Mittel geben, um Anpassungsmaßnahmen zu bewältigen.
In der fünften Folge unserer Reihe stellt sich Kevin Kühnert von der SPD den Fragen unserer Leserinnen und Leser.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.