Die Dauer-Streithähne Grüne und FDP bemühten sich bei "Hart aber fair" demonstrativ um gute Laune. Selbst die CDU stimmte teilweise mit ein und bot in entscheidenden Fragen die ganz große Zusammenarbeit an. Gut, dass ein Journalist den Finger immer wieder in die Wunde legte.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Thomas Fritz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Das war das Thema bei "Hart aber fair"

Heizungsgesetz, Kindergrundsicherung, Klimapolitik: Die Ampel-Koalition befindet sich gefühlt im Dauerstreit, die Umfragewerte vor allem von SPD und FDP sind stark abgesackt. Kann sich die Regierung in der zweiten Halbzeit endlich zusammenraufen oder steht das Bündnis aus SPD, Grünen und FDP vor dem Ende?

Viel diskutiert wird auch die Frage, ob Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mehr Führung zeigen muss. Das Thema bei Hart aber fair: "Schwierige Halbzeitbilanz: Verliert sich die Ampel im Dauerstreit?"

Das waren die Gäste

  • Michael Kellner: Der parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium (Grüne) gab zu, dass alle drei Parteien Fehler im Umgang miteinander gemacht haben. "Wir haben uns zu sehr am Fußball orientiert und zu wenig am Basketball", sagte Kellner. Ein Verweis auf den WM-Titel der Basketballer und den aktuell schlechten Zustand des DFB-Teams. Das Heizungsgesetz nannte er einen "Tiefpunkt". Dass die soziale Flanke dabei so lange offen geblieben ist, sei ein Fehler gewesen. Schließlich lobte der 46-Jährige die Errungenschaften der Ampel, die Grünen und FDP wichtig waren – wie ein modernes Einwanderungsgesetz und die Zuverdienstmöglichkeit beim Bürgergeld.
  • Christian Dürr: Auch der FDP-Fraktionsvorsitzende bemühte sich um maximale Harmonie mit dem Koalitionspartner und erinnerte an die schwierigen äußeren Bedingungen. Die Koalition würde in "Krieg und Krise regieren" und es sei fast 20 Jahre nichts geschehen an großen Reformen in Deutschland. "Der Fehler beim Heizungsgesetz war, dass man streitig aus dem Kabinett herausgegangen ist", gab Dürr zu. Er nannte das Gesetz nach den Anpassungen, auf die vor allem die FDP gedrängt hatte, "vom Ergebnis her gut". Ihn ärgert, dass die Union – wie zuletzt im Bundestag – immer noch Ängste vorm Heizungsgesetz schürt, obwohl es massiv geändert wurde.
  • Ralph Brinkhaus: Der CDU-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Fraktionsvorsitzende warf Bundeskanzler Olaf Scholz mangelnde Führung vor. In der Großen Koalition sei vieles besser moderiert worden, so Brinkhaus. "Ich frage mich: Wo ist Olaf Scholz beim Heizungsgesetz gewesen? Wo ist er bei der Kindergrundsicherung gewesen?" Zudem hätte sich Brinkhaus beim Heizungsgesetz eine "Einbindung der demokratischen Opposition gewünscht". Und ganz generell, dass man die großen Dinge, die das Land über Jahre verändern, zusammen entscheidet.
  • Prof. Dr. Ursula Münch: Die Professorin für Politikwissenschaft an der Universität der Bundeswehr München sowie Direktorin der Akademie für Politische Bildung gab der Ampel-Koalition im Zwischenzeugnis eine Note drei. Weil die Herausforderungen enorm und vielschichtig gewesen seien. "Das wird völlig unterschätzt." Das ständige Abwägen des Kanzlers, auch aktuell im Fall der diskutierten Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern, ist auch ihr gelegentlich zu langsam. Aber sie findet es so besser als einen Kanzler zu haben, der gerade in Fragen von Krieg und Frieden ein reiner Erfüllungsgehilfe ist.
  • Stephan Lamby: Der Journalist, Autor und Produzent hat die Ampel mit einem Dokumentarfilm lange begleitet, der Film lief im Vorfeld der Sendung. Er übte scharfe Kritik an dem kritischen Tweet von Christian Lindner zum Heizungsgesetz, in dem er noch während der Pressekonferenz von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) Nachbesserungen forderte. Lamby hat den Eindruck, "dass da etwas – nicht zerbrochen – aber gebrochen ist". Zudem übte er scharfe Kritik an dem mangelnden Einsatz der Koalition für den Klimaschutz. "Es war beschämend, was da gelaufen ist. Es wurde der Größe der Aufgabe, der Größe des Problems, nicht gerecht." Und schließlich wünscht er sich auch mehr Einsatz für den Frieden in der Ukraine, mehr Geheimkanäle nach Moskau. "Da passiert zu wenig von Olaf Scholz, auch von Annalena Baerbock."

Das war der Moment des Abends

Ralph Brinkhaus regte mehrfach an, mehr Dinge gemeinsam zu entscheiden, um das Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen und zu zeigen, dass Politik handlungsfähig ist. Und das in einer Zeit, "wo die Gesellschaft droht, sich zu radikalisieren". Sein Appell an die Regierung: "Lasst uns sagen: Ein paar Sachen machen wir gemeinsam."

Christian Dürr nahm den Ball auf. Planungsbeschleunigungspaket, Digitalisierung der Behörden, Deutschlandpakt: "Wenn wir diese Dinge zusammen machen, dann erreichen wir eine richtig große Reform nach 20 Jahren." Ob diese gut gemeinten Äußerungen dann konkrete Folgen auf die Zusammenarbeit im Bundestag haben, muss sich erst noch zeigen.

Das war das Rededuell des Abends

Noch immer ist die Frage ungeklärt, wer bei der Debatte um das Heizungsgesetz den Entwurf frühzeitig an die Bild-Zeitung durchgestochen hat. Münch hat die Vermutung, dass das Leck "eher von der FDP" kam. Christian Dürr widersprach dem kategorisch: "Weil wir es schlicht nicht hatten." Gemeint war der Entwurf.

In der Folge fuhr die Bild eine Kampagne gegen das Gesetz, die laut Lamby die FDP parteipolitisch nutzte. Brinkhaus musste beim Dementi Dürrs breit grinsen. Dürr sagte daraufhin: "Herr Brinkhaus, mit Verlaub, man kann sich natürlich gegenseitig Lüge unterstellen, aber ich kann Ihnen nur sagen, was meine Erfahrung damit war."

Brinkhaus kommentierte, weiter grinsend: "Wenn irgendwas aufs Papier kommt, kriegt es Füße." Zudem konnte er nicht verstehen, dass immer noch über das Leck diskutiert wird, während die AfD gerade einen Höhenflug erlebe und es viel drängendere Probleme im Land gebe.

So hat sich Louis Klamroth geschlagen

Klamroth war hellwach, gut vorbereitet und ließ sich nicht mit den typischen Politikerfloskeln, mit dem "Um-den-heißen Brei-herumreden" abspeisen. Immer wieder ging er dazwischen, um eine konkrete Antwort auf seine Frage einzufordern. Was dem Diskussionsfluss der Sendung aber keinen Abbruch tat. Ganz im Gegenteil.

Am Ende gelang ihm noch ein Lacher, als Ursula Münch darauf hinwies, dass bestimmte Errungenschaften oder Pläne der Ampel wie die Cannabis-Legalisierung in einem bayerischen Bierzelt sicherlich nicht so gut ankommen würden. Daraufhin Klamroth: "Die kiffen nicht, sondern trinken mehr Bier".

Das ist das Fazit

Es war eine Sendung der Selbstkritik und Läuterung. Vonseiten der anwesenden FDP- und Grünen-Vertreter, aber auch vonseiten der CDU. Ralph Brinkhaus forderte, dass die eigene Arbeit im Bundestag positiver sein müsse. Es braucht in seinen Augen mehr Lösungen und Konzepte und es reicht nicht, den Finger in die Wunde zu legen. Es sei "Konsens in der Union, dass wir da mehr dran arbeiten müssen".

Arbeiten müssen alle Parteien laut Brinkhaus auch daran, wieder mehr Menschen an die etablierten Parteien zu binden. Nimmt man die Nicht-Wähler hinzu, würden 50 Prozent der Leute die klassischen demokratischen Parteien nicht mehr wählen. "Dann können wir uns das nicht mehr schön reden", sagte er. Daraufhin erinnerte ihn Michael Kellner an die aus seiner Sicht nicht so klare Brandmauer gegen die AfD in der Thüringer CDU.

Auch Christian Dürr fand die 22 Prozent für die AfD in den deutschlandweiten Umfragen "nicht akzeptabel". Da könne nur eine gute Reformpolitik der Regierung helfen. Stephan Lamby warf ihm daraufhin vor, unter anderem mit der massiven Kritik am Heizungsgesetz der AfD in die Karten gespielt zu haben "Hinter den 22 Prozent steckt Angst und für diese Angst tragen Sie eine Mitverantwortung."

Lamby gab schließlich zu, dass er "ganz schön Bammel vor dem nächsten Jahr" hat. Landtagswahlen in Ostdeutschland, Europawahl, die häufig eine Protestwahl ist, und die US-Wahl, auf die die Regierung nicht vorbereitet sei. Eine Kombination aus Trump und Putin, dafür bräuchte es Rezepte. Etwa die Bindung zu Frankreich und Großbritannien jetzt schon stärken. Die Vorbereitung auf den "worst case" in den USA vermisst er aber komplett.

Zumindest bei der Zukunft der Ampel sah der Journalist nicht schwarz. Er hat "keinen Zweifel", dass die Regierung bis zum Ende der Legislatur durchhält. "Und zwar aus machtstrategischen Überlegungen". Die FDP würde sich ins machtpolitische Aus schießen, sollte die Koalition platzen lassen. Scholz brauche die FDP und die Grünen wären nicht glücklicher mit einer Merz-geführten CDU als in der Ampel. Das klang arg nach Zweckkoalition bis 2025. Es war am Ende der Sendung nicht ganz klar, ob Lambys Prognose eine gute oder schlechte Nachricht für Deutschland ist.

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