In dieser Woche soll das Gebäudeenergiegesetz (GEG) verabschiedet werden. Kein anderes Vorhaben der Ampel hat die Gemüter derart erhitzt – auch und vor allem innerhalb der Koalition. Die Chronik eines Dramas.
Am Ende dieser Woche soll es beschlossene Sache sein: das Gebäudeenergiegesetz (GEG), besser bekannt als Heizungsgesetz. So mancher in der Ampelkoalition dürfte erleichtert aufatmen. Geschafft!
Am Freitag (8. September) stimmt der Bundestag über jenes Vorhaben der Regierung ab, das die Koalition an den Rand des Abgrunds getrieben hat. Wir blicken zurück auf ein Drama in mehreren Akten.
Die Grundidee
Schon in ihrem Koalitionsvertrag haben sich die Ampel-Partner darauf verständigt, im Gebäudebereich mehr für den Klimaschutz zu tun. Beim Heizungsgesetz hat die Ampel auf das zurückgegriffen, was die Vorgängerregierung aus Union und SPD bereits auf den Weg gebracht hat. Es handelt sich also um eine Novelle, kein neues Gesetz.
Im Koalitionsvertrag heißt es: "Zum 1. Januar 2025 soll jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden". Ein Satz, der harmlos daherkommt. Und der noch für viel Unruhe sorgen soll.
Russlands Krieg in der Ukraine
Der 24. Februar 2022. Russland marschiert in die Ukraine ein. Ein Tag, der die Welt erschüttert – und Deutschland hart trifft. Die hohe Abhängigkeit von russischem Gas rächt sich jetzt. Die Rohstoffpreise explodieren und Moskau drosselt seine Gas-Lieferungen. Die Ampel reagiert im März 2022, in dem sie das Gebäudeenergiegesetz um ein Jahr nach vorne zieht, also aufs Jahr 2024. Der Austausch alter Gas- und Ölheizungen soll damit nicht nur dem Klimaschutz dienen. Sondern auch der Energiesicherheit.
Der Gesetzentwurf ist da – und sorgt für monatelange Unruhe
Rund ein Jahr später ist es so weit: Der Gesetzentwurf ist da. Allerdings wird er vorzeitig an die "Bild"-Zeitung durchgestochen. Und das Springer-Boulevardblatt nutzt die Gelegenheit, um eine Kampagne gegen die Grünen und ihren Wirtschaftsminister
Der Grünen-Politiker beklagt sich, dass der Entwurf bewusst geleakt worden sei, um dem Vertrauen innerhalb der Regierung zu schaden, es ginge um den eigenen taktischen Vorteil – eine Kritik, die in Richtung FDP zielt. Die Liberalen, in den Umfragen abgerutscht und von Wahlschlappen gezeichnet, mutieren zum erbittertsten Gegner des Gesetzes in der eigenen Regierung.
Grüne und FDP gehen aufeinander los
Ein an die Presse lancierter Gesetzentwurf, jede Menge Unruhe. Und das Wirtschaftsministerium versucht, zu beruhigen. Nein, die Entwürfe, die kursieren, seien nicht der aktuelle Stand. Die Opposition wittert ihre Chance und auch die FDP geht zum Angriff über. Technologieoffenheit ist das Wort, das nun immer öfter fällt.
Was damit gemeint ist?
Im Kern geht es den Liberalen darum, beim Heizen nicht nur auf die Wärmepumpe – eine Technologie, die nicht auf Verbrennung basiert, sondern Wärme aus der Umwelt, etwa dem Boden oder der Luft, in Heizungswärme umwandelt – zu setzen. Auch Holz, Fernwärme, Biogas und mit Wasserstoff betriebene Gasheizungen sollten weiter erlaubt sein.
Die Grünen sind genervt, doch die Kritik der FDP reißt nicht ab. Und es kommt zu verbalen Entgleisungen. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki rückt Robert Habeck in einem Interview in die Nähe von Russlands Machthaber
"Putin und Habeck haben eine ähnliche Überzeugung davon, dass der Staat, der Führer, der Auserwählte besser weiß als die Menschen, was gut für sie ist", sagte der FDP-Vize. Eine Aussage, für die er sich später entschuldigt.
Eine Einigung, die doch keine ist
Ende März sieht es so aus, als hätte die Ampel den Durchbruch erzielt. Nach wochenlanger Diskussion heißt es aus dem Koalitionsausschuss: grünes Licht fürs Heizungsgesetz.
SPD, Grüne und FDP verständigen sich darauf, dass es dabei bleibt, dass ab 2024 jede neu eingebaute Heizung zu mindestens 65 Prozent aus erneuerbaren Energien betrieben werden muss. Aber: Es gibt eine ganze Reihe von Ausnahmen, Übergangsfristen und Fördermöglichkeiten.
Mitte April billigt das Kabinett einen entsprechenden Gesetzentwurf. Ende gut, alles gut?
Die FDP stellt sich quer – und auch die SPD hat Fragen
Die Ampel kommt nicht zur Ruhe. Schon bei der Verabschiedung des Entwurfs machen die Liberalen klar, dass die Diskussion noch nicht beendet ist. Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner verfasst im Kabinett eine Protokollerklärung, in der es heißt, dass er dem Entwurf nur vor dem Hintergrund zustimme, dass die Fraktionen im parlamentarischen Verfahren noch "intensiv beraten und notwendige Änderungen" vornehmen werden.
Der Streit spitzt sich weiter zu. Führende FDP-Politiker erklären, dass das Gesetz so, wie es ist, nicht bleiben könne. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hält den Gesetzentwurf für "nicht praxistauglich". Und der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler, einst bekannt geworden als Euro-Rebell, nennt die Pläne "eine Atombombe für unser Land".
Nun reicht es den Grünen. Wirtschaftsminister Habeck wirft den Liberalen Wortbruch vor. "Ich nehme zur Kenntnis, dass die FDP sich nicht an das gegebene Wort hält an dieser Stelle." Die Co-Vorsitzende der Grünen Bundestagsfraktion, Katharina Dröge, spricht von "Arbeitsverweigerung" und Innenpolitiker Marcel Emmerich nennt die FDP via Twitter, heute X, "eine unzuverlässige und destruktive Clique".
Doch auch die SPD hat Fragen. Dort heißt es, dass Habeck ein handwerklich unzureichendes Gesetz vorgelegt habe. Die Sozialdemokraten sind in Sorge, dass Mieter über Maß belastet werden könnten. Heizen müsse bezahlbar bleiben.
Der Sommer kommt, das Gesetz steht – bis zum Veto aus Karlsruhe
Nach tagelangen Verhandlungen erzielen die Ampel-Spitzen Mitte Juni eine Einigung. Der Kompromiss weicht deutlich von den ursprünglichen Plänen ab. Ein Beispiel: Die Regelungen für den Heizungstausch sollen nicht gelten, wenn keine kommunale Wärmeplanung vorliegt – die soll es aber deutschlandweit erst bis spätestens 2028 geben.
Ende Juni stehen die letzten Details, noch vor der Sommerpause möchte die Koalition das Gesetz durch den Bundestag bringen. Anfang Juli soll das Parlament darüber abstimmen. Doch dann folgt die nächste Wende.
Im Eilverfahren stoppt das Bundesverfassungsgericht das Vorhaben. Karlsruhe moniert die "maximal verkürzten" Beratungen im Parlament. Soll heißen: Die Abgeordneten brauchen mehr Zeit.
Die Ampel zeigt sich demütig. Sie verzichtet auf eine parlamentarische Sondersitzung in der Sommerpause. Erst nach ihrem Urlaub, in der ersten Sitzungswoche im September, sollen die Abgeordneten über das Gesetz abstimmen.
Am Freitag ist es so weit. Damit endet eine monatelange Hängepartie. Und diesmal soll alles klappen.
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