Sandra Maischberger sucht in ihrem Polit-Talk "maischberger. die woche" jedes Mal den Verlierer der Woche. Nach der Bundestagswahl scheint der mit Armin Laschet nicht lange gesucht werden zu müssen. Doch Maischbergers Gäste gehen am Mittwochabend mit einem anderen Politiker noch härter ins Gericht.

Christian Vock
Eine Kritik
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Nach Anne Will und Frank Plasberg ist Sandra Maischberger nun die dritte der vier großen wöchentlichen Politiktalk-Gastgeberinnen, die die jüngste Bundestagswahl aufarbeitet. Dazu gehören leider traditionell weniger Fragen nach Inhalten, als viel mehr Fragen nach Verlierern, Gewinnern und natürlich Koalitionen. Das war auch am Mittwochabend bei "maischberger. die woche" so.

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Mit diesen Gästen diskutierte Sandra Maischberger:

Das Gespräch des Abends

Grüne und FDP, das waren bisher zwei Parteien, die unterschiedlicher nicht sein können – so zumindest die öffentliche Wahrnehmung. Dass es zwischen beiden Parteien durchaus Gemeinsamkeiten und auch ständige Gesprächsrunden gibt, drang in der Vergangenheit weniger durch und auch Sandra Maischberger versuchte im Gespräch mit Claudia Roth und Marie-Agnes Strack-Zimmermann vor allem mögliches Konfliktpotenzial und Trennendes ans Tageslicht zu fördern. Das fand sie natürlich auch, sonst wären es ja nicht zwei unterschiedliche Parteien, aber beide Politikerinnen versuchten im Rahmen ihrer Möglichkeiten dagegen zu halten.

Einig sind sich beide Frauen darin, dass ihre Parteien den Stillstand und das "Weiter so" der bisherigen Regierung überwinden wollen. "Wir waren gemeinsam in der Opposition, wir haben diese müde, gähnend-leere Große Koalition auch nicht mehr ertragen und treten beide an, dass etwas anders passiert", erklärt zum Beispiel Strack-Zimmermann. Claudia Roth sieht das genauso, alleine schon aus inhaltlicher Notwendigkeit: "Wir wollen was Neues beginnen, wir wollen eine progressive Regierung hinbekommen, weil: Die Herausforderungen sind so groß."

Mit wem diese Herausforderungen angegangen werden sollen, da zeigen sich Roth und Strack-Zimmermann zwar gesprächsbereit, lassen aber ihre bekannten Präferenzen durchblicken. Die schienen bei der FDP in der Vergangenheit klar Richtung Union verteilt, doch Strack-Zimmermann macht bei Maischberger diesbezüglich eine klare Ansage. Derzeit gebe die Union nämlich alles andere als ein gutes Bild nach außen ab: "Wenn ich sehe, dass Herr Söder Herrn Laschet wieder vor sich hertreibt, dann finde ich das bemerkenswert."

Als Maischberger wissen will, mit wem Strack-Zimmermann bei den Verhandlungen mit Söder oder mit Laschet rede, sendet die FDP-Frau einen deutlichen Gruß nach München. Laschet kenne sie aus Nordrhein-Westfalen und als zuverlässigen Politiker, Söder hingegen habe sie nur einmal erlebt: "Er ist jetzt nicht der Traum meiner schlaflosen Nächte." Insbesondere Söders mangelnde Loyalität empfindet Strack-Zimmermann als unangenehm.

Der Irrtum des Abends

Die FDP schafft es seit Jahren, das Bild von sich als Partei der Freiheit und von den Grünen das Bild der Verbotspartei zu malen. Nun könnte man meinen, dass jetzt, da beide Parteien gemeinsam eine Regierung bilden wollen und betonen, dass nun das Gemeinsame, nicht das Trennende zähle, der richtige Zeitpunkt wäre, mal von diesem Klischee-Gerede abzulassen.

Doch FDP-Vorstandsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann kann offenbar auch nach dem Wahlkampf nicht aus ihrer Haut und haut bei Maischberger in die immer gleiche Kerbe. Als sie feststellt, dass Grüne und FDP zwar ein gemeinsames Ziel, aber unterschiedliche Wege hätten, behauptet die FDP-Politikerin: "Das eine sehr stark durch Regelungen, durch Verbote, durch Vorgaben, etwas zu verändern, während wir eben auf die Lust der Veränderung, also auch als Chance setzen."

Abgesehen davon, dass das in der Sache falsch ist, weil Die Grünen wie kaum zuvor in diesem Wahlkampf die Lust auf Veränderung betont haben, wiederholt Strack-Zimmermann hier den liberalen Logik-Fehler erneut. Nämlich, dass man beides machen kann. Verbote und Anreize zur Veränderung. Wer sagt denn, dass man klimaschädliches Verhalten nicht verbieten und gleichzeitig klimafreundliches Verhalten fördern kann? Künftige Generationen würden sich sicher über beides freuen.

Natürlich gehört das Aufbauen von Narrativen zur politischen Abgrenzung dazu, aber deshalb werden sie nicht wahrer. Es wäre ein Zeichen des Entgegenkommens gewesen, wenn Strack-Zimmermann in einer Situation, in der mehr denn je die Zukunft vom Gelingen der künftigen Koalition abhängt, auf die inzwischen langweilige Verbotspartei-Märchenerzählerei verzichtet hätte. Wie die FDP ohne Verbote, also ohne Gesetze, regieren will, hat sie unabhängig davon nämlich auch noch nicht erzählt.

Der Verlierer des Abends

Dass es nicht unbedingt die Woche des Armin Laschets war, dürfte er selbst am besten wissen. Doch wer glaubt, dass sein ehemaliger Konkurrent um die Kanzlerkandidatur, Markus Söder, nun zu Recht den Oberlehrer spielen kann, ganz nach dem Motto "Ich hab’s euch ja gesagt", der sah sich am Mittwochabend getäuscht. Denn der bayerische Ministerpräsident erhielt von Maischbergers Gästen ein noch härteres Urteil.

FDP-Politikerin Strack-Zimmermann hatte ihre Ansichten über Markus Söder ja bereits mittgeteilt, die journalistischen Politik-Beobachter in Maischbergers Runde fällten aber noch deftigere Urteile über den bayerischen Ministerpräsidenten. "Wenn Markus Söder irgendwo mitregiert, gibts Hauen und Stechen – will keiner", macht Hajo Schumacher den Auftakt, als es um die Frage geht, ob es eine Jamaika-Koalition geben könnte.

Kurz darauf zeigt Maischberger einen Einspieler, in dem Söder Olaf Scholz öffentlich gratuliert, was zu diesem Zeitpunkt Laschet noch nicht getan hat. Dementsprechend fragt Maischberger: "Warum treibt er jetzt noch Armin Laschet vor sich her?" Schumachers Antwort: "Ich glaube, das ist notorisch." Die verlorene Kanzlerkandidatur sitze noch tief, meint Schumacher und zieht dann einen harten Vergleich: "Die CSU kann man ja gut vergleichen mit so einem Clan. Da geht’s viel um Ehre, es geht um Vergeltung, um Rache." Söder habe noch in der Elefantenrunde gesagt, dass Scholz die Wahl verloren hat, jetzt folge "dieses geheuchelte ‚Ich gratuliere‘, weil Laschet das halt noch nicht getan hatte. Immer einen mitgeben." Schumachers Fazit: "Wenn’s Fußball wäre und es gäbe einen Videobeweis, dann wäre Markus Söder schon fünfmal vom Platz gestellt worden."

Dagmar Rosenfeld sieht Söders Verhalten ähnlich negativ, findet aber eine Erklärung: "Markus Söder möchte, glaube ich, nicht bei den Verlierern sein. Der hat demnächst auch Wahlen in Bayern zu gewinnen." Söder habe sich mit der Niederlage bei der Kanzlerkandidatenwahl schwergetan. Als die Umfragen für die Union hochgingen, sei er sehr leise gewesen, nach dem Absturz habe er "wieder quergeschossen". Söders Ziel sei jetzt, zu verhindern, dass Friedrich Merz bei der Erneuerung der CDU eine Rolle spielt.

So sieht es auch Tina Hassel: "Er setzt sich jetzt ab." Söder wolle die Neuaufstellung der Schwesterpartei beeinflussen und gleichzeitig habe er die Landtagswahl im Blick. Bei einem schwachen Kanzler in einer Jamaika-Koalition müsse man große Zugeständnisse an die Grünen machen "und er säße dann in Bayern und müsste endlich mal beweisen, dass er auch eine Wahl richtig gut gewinnen kann – denn das ist ihm bis jetzt ja noch gar nicht gelungen – da hat er sehr kühl nachgerechnet und gedacht: Nee, das ist nicht das, was ich will."

Nein, es war wirklich kein Abend für einen Image-Boost des bayerischen Ministerpräsidenten. Da konnte Markus Söder fast froh sein, wenn die Kritik mal nicht von Politik-Beobachtern, sondern von der politischen Konkurrenz kam. Ralf Stegner teilte im Gespräch mit Carsten Linnemann über Söders Leistungen aus, zum Beispiel beim Klimaschutz: "Herr Söder hat da keine berühmte Bilanz. Der tut ja so, als ob die CDU der kranke Teil war und die CSU der gesunde. Schauen Sie sich mal an, was in Bayern los ist: Große Sprüche. Bei Corona waren die keineswegs besser als andere und die Wahlergebnisse in Bayern sind genauso bescheiden."

Das Fazit

Wenn es eine Erkenntnis an diesem Abend gab, dann die: Grüne und FDP scheinen tatsächlich gelernt zu haben, dass trotz mancher inhaltlicher Unterschiede, der Wille zum gemeinsamen Arbeiten und vor allem zu gegenseitigem Respekt vorhanden ist. Diese Einschätzung lässt nicht nur das Auftreten von Roth und Strack-Zimmermann zu, sondern auch die Einschätzung von Hassel, Schumacher und Rosenfeld. Wenn daher Robert Habeck dieser Tage erklärt "Scheitern ist keine Option", dann scheint das glaubwürdig.

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