- Der Lockdown ist da, aber bei "Anne Will" sagt ein Intensivmediziner: Das reicht nicht.
- Manuela Schwesig verteilt schlechte Betragensnoten an die Deutschen, Armin Laschet hat Probleme, die Weihnachtsregeln verständlich zu erklären.
- Und über Twitter mischt sich die SPD-Chefin Saskia Esken ein.
"Jetzt ging es wohl nicht mehr anders", sagt
Über die Gründe und den Weg heraus herrscht Uneinigkeit: SPD-Ministerpräsidentin
Was ist das Thema bei "Anne Will"?
Plötzlich geht alles ganz schnell: Nur eine Stunde soll die Schalte zwischen Bundeskanzleramt und den Ministerpräsidenten am Sonntagmorgen gedauert haben, dann war die Notbremse eingelegt. Ob noch rechtzeitig, das diskutiert Will unter dem Motto: "Lockdown vor Weihnachten – schafft Deutschland so die Pandemie-Wende?"
Mit diesen Gästen diskutierte Anne Will
- Auf
Markus Söders (CSU) Corona-Uhr ist es "fünf vor zwölf", sagt Bayerns Ministerpräsident am Sonntagabend. - "Es ist fünf nach zwölf", entgegnet Uwe Janssens, Präsident der Vereinigung der Intensiv- und Notfallmediziner. Die Kolleginnen würden "am Rande der Belastungsgrenze" arbeiten – jetzt brauche es einen "durchdringenden und nachhaltigen" Lockdown.
- Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) lobt sich und die restlichen Landesväter und -mütter für die "schnelle Entscheidung" und die "klare Botschaft". Nun liege es an den Bürgern, nicht noch schnell die Einkaufszentren zu stürmen: "Sie sollten gedanklich den Lockdown vorwegnehmen."
- Den Versuch eines Teil-Shutdowns findet Laschets Schweriner Amtskollegin Manuela Schwesig (SPD) nach wie vor richtig: "Unsere Experten haben gesagt, es hätte vielleicht gereicht, wenn sich alle dran gehalten hätten."
- Der Plan war gut, aber die Menschen nicht bereit? Schwesigs Parteifreund, der Philosoph Julian Nida-Rümelin, widerspricht: "Wir haben die Dinge treiben lassen, die Schulen nicht vorbereitet, die Gesundheitsämter auch nicht." Der Lockdown sei nun alternativlos, aber "nicht sehr effektiv".
- "Wir haben viel Zeit verloren", meint Politikkorrespondentin Kristina Dunz von der "Rheinischen Post". Sie erinnert an die schier endlosen Diskussionen, in denen die Ministerpräsidenten einen "großen Wurf" ankündigten, der nie zustande kam. "Jetzt kommen einige Maßnahmen natürlich sehr kurzfristig und ohne Möglichkeit, sich darauf einzustellen."
Was ist der Moment des Abends?
Mit britischem Humor lässt sich die Corona-Pandemie viel besser ertragen – und verstehen. Der "Independent" betitelte seinen Bericht über Angela Merkels Brandrede vor dem Bundestag mit der schönen Schlagzeile "
Leider sind die Gesetzestexte aber mitunter so umständlich formuliert, dass selbst ein Armin Laschet Probleme hat, sie zu übersetzen. Der Fairness halber sei gesagt, dass Journalistin Kristina Dunz Irritationen auslöst, weil sie von "bis zu 20 Personen" fabuliert, die zu Weihnachten zusammen feiern könnten. Was Laschet als Korrektur entgegnet, trägt aber auch nicht zur endgültigen Klärung bei, sodass Schwesig ("Wir sollten die Leute nicht in der Öffentlichkeit durcheinander bringen") ihrem Amtskollegen zu Hilfe kommen muss: Zusammenkommen dürfen der Hausstand plus vier Menschen, Kinder unter 14 Jahren zählen nicht.
Ganz schön kompliziert, meint Anne Will: "Wäre es nicht einfacher gewesen, an Weihnachten nur die feiern zu lassen, die zusammen wohnen?" Da findet Armin Laschet wieder zu einfachen Formulierungen zurück: "Wir können nicht 80 Millionen sagen, was an Weihnachten geht. (…) Aber die Botschaft jenseits aller Verordnungen ist: Es ist ernst, es muss ein anderes Weihnachten sein."
Was ist das Rede-Duell des Abends?
Julian Nida-Rümelin ahnt Böses: "Das gibt Streit", sagt der Philosophie-Professor, als er seine Idee einer völlig neuen Corona-App skizziert, die er mit allen Funktionen für ein umfassendes Tracking ausstatten will – und mit Zugriffsrechten für die Gesundheitsämter. "Ich bin für Datenschutz", sagt Nida-Rümelin, "aber ich vertraue den Gesundheitsämtern mehr als Google, Facebook und der NSA."
Im Studio erntet er für den Vorschlag Zustimmung, auch Armin Laschet will die Diskussion aus den "ideologischen Kämpfen" um den Datenschutz herausholen, auch wenn er eher auf die bestehende App setzt: "Alles auf den Kopf zu stellen, ist nicht zu empfehlen."
Der Streit bricht derweil am Second Screen aus, auf Twitter meldet sich SPD-Chefin
Und auch Karl Lauterbach, ausnahmsweise nicht vor Ort, mischt sich ein: Eine Tracking App hätte den Lockdown nicht verhindert, schreibt der SPD-Gesundheitsexperte auf Twitter. "Tracking Apps helfen nur, wenn ich alle neuinfizierten Kontakte ausfindig machen kann. Dazu braucht man erstmal einen Lockdown."
Wie hat sich Anne Will geschlagen?
Keine Spur von Vorweihnachtsfriede, besonders den beiden Spitzenpolitikern in der Runde macht Anne Will an diesem Abend das Leben schwer. "Kommen Sie bei Ihrem eigenen Durcheinander noch mit?", fragt sie einmal Laschet, der ein Gesicht zieht wie der Grinch, was als Antwort im Prinzip reicht.
Auch sonst hakt Will immer wieder nach und bringt so Tempo in ein mittlerweile doch schon arg erschöpftes Diskussionsthema.
Was ist das Ergebnis?
So eine Art "Bitte-nicht-die-Großeltern-umbringen"-Appell richtet auch Kristina Dunz an die Zuschauer. Die Journalistin war selbst an Corona erkrankt – einige Tage nach einem Familientreffen, bei dem sie, wie sich herausstellen sollte, ihre Schwester angesteckt hat. "Es hätte sich am besten ein Loch aufgetan und ich wäre reingefallen", sagt sie. Wer also an Weihnachten seine Oma infiziere, "das verwindet ein Leben nicht", sagt Dunz.
Die Frage, ob man Eltern oder Großeltern zu sich nach Hause holt für das Fest, sei eine "schwierige, emotionale Entscheidung", meint Schwesig. Und einen Fehler wolle sie nicht wiederholen: Die Menschen in den Pflegeheimen wie im ersten Lockdown quasi wegzusperren. Aber, so Schwesig: Die Kontakte müssen auch im nächsten Jahr deutlich eingeschränkt werden, erst unter einer Sieben-Tages-Inzidenz von 50 könne man an Lockerungen denken. "Das müssen wir den Menschen deutlich sagen."
Zwei Dinge sollten, das kristallisiert sich an diesem Abend heraus, am 10. Januar erreicht sein, damit der "harte" Lockdwon enden kann: Eine Inzidenz von unter 50 – und ein Konzept für danach. Das Personal auf den Intensivstationen hält jedenfalls nicht mehr lange durch, warnt Mediziner Janssens. Wichtig sei, die Menschen darauf einzuschwören, dass sie noch weitere "drei bis fünf Monate mit erheblichen Einschränkungen" leben müssten. "Aber wenn wir das mit einer Stimme sagen, folgen uns die Menschen auch."
Nur: Was tun? Will führt das "Tübinger Modell" vor, mit dem die Stadt die Pandemie in den Griff bekommen hat: Schnelltests in den Pflegeheimen, FFP2-Masken und eigene Einkaufszeiten für Ältere. Die Reaktion der Politiker in der Runde: Sollte man sich anschauen. Viel Zeit bleibt dafür aber nicht – weniger als über die Sommerferien. Und was da passierte, ist bekannt: Sehr, sehr wenig.
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