- Öffnungen ja – aber vorsichtig: Das ist der Tenor wenige Tage vor der entscheidenden Bund-Länder-Runde am Mittwoch.
- Doch bei vielen Ministerpräsidenten und bei der Bundesregierung wächst die Angst, dass die dritte Corona-Welle schon bald mit voller Wucht durchs Land rollt.
Wenige Tage vor den neuen Bund-Länder-Beratungen zur Corona-Pandemie wird der Ruf nach mehr Freiheiten immer lauter. Gleichzeitig mehren sich eindringliche Warnungen vor einer mit Wucht durch Deutschland rollenden dritten Infektionswelle mit der gefährlicheren Virusvariante.
Die Zahl der gemeldeten Gestorbenen an und mit COVID-19 stieg am Sonntag auf über 70.000. Am Montag kletterte laut Robert-Koch-Institut (RKI) die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) auf 65,8 – der höchste Wert seit mehr als zwei Wochen.
Verantwortlich für die zuletzt wieder wachsenden Zahlen machen Wissenschaftler die ansteckendere und wohl auch tödlichere Mutation B.1.1.7 aus Großbritannien. Ihr Anteil an den Infektionen war laut den führenden Laboren in Deutschland schon vorvergangene Woche auf 30 Prozent gestiegen und dürfte laut Wissenschaftlern absehbar das Geschehen dominieren.
Zuletzt hatten sich Bund und Länder am 10. Februar getroffen und den Winter-Lockdown bis zum 7. März verlängert. Wie es danach weitergeht, wollen Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der Bundesländer bei ihrem Treffen am Mittwoch entscheiden. Doch schon vorab mehren sich die Forderungen:
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1. Öffnungspläne
Mehrere führende SPD-Politiker machen Druck auf Bund und Länder, in der Spitzenrunde eine konkrete Lockerungsstrategie zu beschließen. "Ich bestehe darauf, dass wir am Mittwoch eine Öffnungsperspektive konkret formulieren", sagte Vizekanzler
Scholz sprach sich dafür aus, die nächsten Öffnungsschritte nicht mehr allein vom Erreichen bestimmter Inzidenzwerte wie 50 oder 35 abhängig zu machen. Stattdessen müssten umfangreiche Schnelltests "aktiv für eine Öffnungsstrategie" genutzt werden. Testen sei "ein Teil des Wegs aus dem Lockdown", sagte Scholz. Hoffnung machte er den Bürgern auch auf Sommerurlaube.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin
Deutschland wird sich dabei nach Einschätzung von Berlins Regierendem Bürgermeister
Schonmal vorgeprescht war Bayerns Landeschef
Ähnlich wie Scholz rückt Bundeswirtschaftsminister
Schon am Freitag hatte der Minister gesagt, dass ein Öffnungskonzept mehr Kriterien als nur die Inzidenz berücksichtigen müsse – etwa die Zahl der Neuinfektionen, die Arbeitsfähigkeit der Gesundheitsämter oder die Auslastung der Intensivbetten. Altmaier hielt auch Außengastronomie um Ostern herum für möglich. Voraussetzung sei die Einhaltung von Hygienevorschriften, möglicherweise auch Schnelltests. Es sei eindeutig, betonte Altmaier, dass "wir uns eine unveränderte Fortführung der Lockdown-Maßnahmen immer weniger leisten können".
2. Warnungen vor zu schnellen Lockerungen
Bayerns Ministerpräsident Söder warnte zugleich vor einem "Blindflug in die dritte Welle" hinein. Es dürfe in der Runde mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch "kein Öffnungsrausch" entstehen. Sondern es müsse "ein kluges und ausbalanciertes Öffnen" geben, sagte Söder am Montag bei einer Online-Pressekonferenz mit seinem sächsischen Kollegen Michael Kretschmer (CDU).
"Wir müssen die richtige Balance finden zwischen Vorsicht und Öffnen", sagte Söder. Dabei müsse es regionale Differenzierungen geben – aber auch eine einheitliche Philosophie und keinen "Wildwuchs" in Deutschland. Es werde auch darum gehen, Zeitachsen zu definieren, etwa bis Ostern.
Wie Söder und Kretschmer drängte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet auf einen gemeinschaftlichen Kurs. "Wir sollten uns alle bemühen, dass wir das, was wir beschließen, auch gemeinschaftlich umsetzen", sagte der CDU-Chef. "Es gilt weiter das Gebot, vorsichtig zu sein."
Ebenso mahnt die Bundesregierung vor den Beratungen ein behutsames Vorgehen an. "Wir sind jetzt in einer Phase der Hoffnungen, Gott sei Dank. Aber es kann und darf nicht eine Phase der Sorglosigkeit sein", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin.
3. Debatte um eine Anpassung der Impfstrategie
Berlins Regierender Bürgermeister Müller forderte eine umgehende Änderung der Impfverordnung. "Gerade vor dem Hintergrund der steigenden Infektionszahlen dürfen wir jetzt keine Zeit mehr verlieren", sagte Müller dem "Tagesspiegel". Der Bund solle möglichst "noch diese Woche" die Impfverordnung anpassen, "damit Arztpraxen schon früher Impfungen vor allem für chronisch Kranke anbieten können".
Auch Söder bekräftigte am Montag seine Forderung nach einer Änderung des Impfkonzepts. Spätestes im April, wenn mehr Impfstoff komme, müsse jede Dose verabreicht werden, "wo es nur geht", sagte der CSU-Chef. Deshalb müsse man "das System verändern": Der Astrazeneca-Impfstoff solle neben den Impfzentren auch von Hausärzten, Betriebsärzten und Schulärzten verabreicht werden. Es brauche deshalb eine schnelle Änderung der Impfverordnung des Bundes.
Diesen Vorschlägen erteilte die Bundesregierung allerdings vorerst eine Absage. Eine "grundsätzliche Freigabe" sei nichts, was die man derzeit verfolge, sagte Regierungssprecher Seibert. Das Bundesgesundheitsministerium lehnte eine Freigabe zum derzeitigen Zeitpunkt ebenfalls ab. Auch für eine Ausweitung der Impfungen auf Arztpraxen stehe derzeit noch nicht genügend Impfstoff zur Verfügung, sagte ein Ministeriumssprecher.
Söder regte zudem an, ältere Schüler vor den Abiturprüfungen zu impfen – das würde dort "ein hohes Maß an Sicherheit" bringen. Sein Amtskollege Kretschmer äußerte den Wunsch, der gesamten Bevölkerung über 18 Jahren in Hotspot-Regionen an der Grenze bald ein Impfangebot machen zu können.
Neben den Kriterien der Ständigen Impfkommission müssten also weitere Kriterien dazukommen – auch darüber müsse man am Mittwoch reden. (dpa/afp/mf)
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