In Berlin verhandeln gerade Vertreter der CDU und der SPD über eine neue Koalition. Mit am Tisch sitzen auch Politikerinnen und Politiker einer Regionalpartei aus Bayern. Wie kommt es, dass die CSU in der bundesdeutschen Politik mitbestimmen darf?

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Seitdem 1949 der erste Bundestag gewählt wurde und Konrad Adenauer (CDU) als erster Bundeskanzler die junge Bundesrepublik lenkte, saßen im Kabinett bereits Minister der CSU. Die Christlich-Soziale Union war also schon von Anfang an in der Machtzentrale in Bonn und später in Berlin vertreten.

Der eine oder andere Wähler dürfte sich allerdings fragen, warum die "christlich-soziale, liberale und konservative Volkspartei aus Bayern, für Bayern, Deutschland und Europa", so heißt es auf der Homepage der Partei, in der Bundespolitik mitmischen darf.

CSU übersprang bislang immer die Fünf-Prozent-Hürde

Die einfache Antwort ist: Sie wird gewählt! Seit der ersten Bundestagswahl nach dem Zweiten Weltkrieg 1949 überschritt die CSU nur mit den Stimmen aus Bayern bundesweit jedes Mal die erforderliche Fünf-Prozent-Hürde und zog so in den Bundestag ein. Auch wenn es 2021 mit 5,17 Prozent erdenklich knapp war. Bei der Bundestagswahl 2025 war der Wiedereinzug hingegen kaum gefährdet. Die CSU bekam deutschlandweit sechs Prozent der Zweitstimmen. Fast drei Millionen Bayern wählten die Christ-Sozialen.

Die komplexere Antwort führt noch weiter zurück – in die direkte Nachkriegszeit, ins Jahr 1945. Wie es auf der Parteihomepage heißt, wurde am 12. September bei einem Treffen im Münchner Rathaus der Name "Bayerische Christlich-Soziale Union" festgelegt. Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) nennt allerdings den 8. Januar 1946 als offizielles Gründungsdatum.

Beim Wieso ist man sich aber einig. In ganz Deutschland gründeten sich nach dem Zweiten Weltkrieg christlich-konservative Parteien, die sich als Gegenpol zur SPD und der kommunistischen KPD sahen. In den folgenden Jahren schlossen sich immer mehr von ihnen zur Christlich-Demokratischen Union (CDU) zusammen. In Bayern ging man einen anderen Weg.

"Bayern hat gesagt, dass es einen Sonderweg gehen möchte und als CSU bestehen bleiben will – das hat sich bis heute nicht geändert", erklärt die Politikwissenschaftlerin Sarah Strömel im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk. So schlossen sich 1949, nach der ersten Bundestagswahl, CDU und CSU zu einer Fraktionsgemeinschaft zusammen. Mit Fritz Schäffer (Finanzen), Wilhelm Niklas (Landwirtschaft und Ernährung) und Hans Schuberth (Post- und Fernmeldewesen) saßen die ersten drei von mittlerweile 30 CSU-Bundesministerinnen und -ministern in der Bundesregierung.

Am häufigsten übernahmen CSU-Volksvertreter bislang das Landwirtschafts-, das Post- und Fernmelde- sowie das Verkehrsministerium. Vor allem die Verkehrsminister Peter Ramsauer (2009-2013), Alexander Dobrindt (2013-2017) und Andreas Scheuer (2018-2021) genießen bis heute in der Bevölkerung und in der Opposition einen zweifelhaften Ruf und werden mitverantwortlich für den Investitionsstau in der deutschen Infrastruktur gemacht.

Insbesondere das "Mautgate" von Scheuer, das den Bund etwa 243 Millionen Euro kostete, ist wohl noch vielen im Gedächtnis geblieben.

Die CSU ist Franz-Josef Strauß

Die CSU war nicht nur an 17 (bald 18) der bislang 25 Bundesregierungen beteiligt, sondern regiert seit 1957 durchgängig den Freistaat Bayern – größtenteils allein. Die prägendste Figur der Christ-Sozialen war dabei wohl der langjährige Vorsitzende, mehrfache Bundesminister und Ministerpräsident Franz-Josef Strauß.

Er saß sowohl im Kabinett Adenauer, als auch im Kabinett der ersten Groko unter Kurt Georg Kiesinger. Von 1978 bis zu seinem Tod 1988 war er bayerischer Ministerpräsident und von 1961 bis 1988 Parteivorsitzender. Er gilt zudem als Vater des politischen Aschermittwochs.

Auch bei den jungen CSU-Mitgliedern noch sehr beliebt: die Lichtgestalt Franz-Josef Strauß. © IMAGO/Sven Simon/Frank Hoermann

Über mehrere Jahrzehnte war Strauß der Taktgeber in Bayern, aber auch im Bund. Auf ihn traf das CSU-Mantra "aus Bayern für Deutschland" wohl am meisten zu. Seine Popularität gipfelte in der ersten CSU-Kanzlerkandidatur 1980. Er setzte sich im internen Unionskampf gegen Helmut Kohl durch, verlor aber am Ende gegen den damals amtierenden SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt.

Nach ihm versuchte sich von der CSU nur noch Edmund Stoiber 2002 an einer Kanzlerkandidatur. Aber auch er musste sich einem amtierenden SPD-Kanzler geschlagen geben. In seinem Fall war das Gerhard Schröder. Und auch wenn man dem derzeitigen CSU-Chef Markus Söder des Öfteren unterstellt hat, ein Auge auf das Kanzleramt geworfen zu haben, wurde er nie als offizieller Kanzlerkandidat der Union aufgestellt.

Skandale in der CSU

Die Lichtgestalt der CSU, Strauß, hatte aber nicht nur glanzvolle Momente während seiner langen Laufbahn. Wegen mehrfacher politischer Affären (Starfighter, Fibag und Spiegel) musste Strauß 1962 als Bundesminister zurücktreten. Auch die CSU war nicht vor Skandalen gefeit. Vor allem die Begriffe Amigo-Affäre und Spezlwirtschaft fallen häufig im Zusammenhang mit den Christ-Sozialen. Ihre langjährige "Alleinherrschaft" in Bayern versetzte einige Parteifunktionäre in die Lage, Freunde und Verwandte in hohen Ämtern und Posten einzusetzen und damit Vetternwirtschaft zu betreiben.

Der letzte größere Skandal in Reihen der CSU ereignete sich während der Corona-Pandemie. Im Zuge der Masken-Affäre wurde den CSU-Politikern Georg Nüßlein und Alfred Sauter sowie der Tochter des ehemaligen CSU-Ministers und -Generalsekretärs Gerold Tandler, Andrea Tandler, vorgeworfen, bei der Beschaffung von Schutzmasken für den Staat bestechlich gewesen zu sein. Tandler wurde am Ende wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Nüßlein und Sauter wurden freigesprochen.

Das beinahe Aus der Union

Der jahrzehntelange Fraktionszusammenschluss zwischen CDU und CSU verlief ebenfalls nicht immer reibungslos. Mit dem gruseligen Namen "Der Geist von Kreuth" wird wohl der dunkelste Abschnitt der Unionszweckgemeinschaft umschrieben. Gemeint ist damit der Trennungsbeschluss von Wildbad Kreuth aus dem Jahr 1976. Damals beschloss die CSU, eine eigene Fraktion im 8. Bundestag bilden zu wollen. Als jedoch die CDU kurz vor der konstituierenden Sitzung ankündigte, einen eigenen CDU-Landesverband in Bayern gründen zu wollen und Helmut Kohl zum Fraktionschef ernannte, knickte die CSU ein. Nach einem Monat war der Spuk auch schon wieder vorbei.

Vergleichbar eng wurde es nur noch einmal, als sich die schwelende Fehde zwischen der damaligen CDU-Kanzlerin Angela Merkel und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer 2018 am "Masterplan Migration" entzünde. Damals ging es um noch immer aktuelle Thema der Ablehnung von Migranten an der Grenze und um eine Obergrenze für Flüchtlinge. Die Unionsfraktion drohte an diesen Fragen zu zerbrechen. Die CSU sprach von "ganz großem Krach". Am Ende brachte – wie so oft – ein Kompromiss die beiden Schwesterparteien wieder zusammen.

Friedrich Merz, Markus Söder, Lars Klingbeil, Saskia Esken

Koalitionsverhandlungen auf der Zielgeraden

Am Sonntag gönnte sich die Spitzenrunde von CDU, CSU und SPD einen Tag Pause von den Koalitionsverhandlungen. Am Montag geht es weiter. Es gibt noch viele offene Fragen.

Inzwischen haben sich die Wogen geglättet – zumindest teilweise. In der CDU gibt es nicht wenige Mitglieder, die dem amtierenden CSU-Chef Söder bis heute übel nehmen, dass möglicherweise durch seine Sticheleien gegen Kanzlerkandidat Laschet 2021 die Union die Bundestagswahl verloren hat.

Nach dem unrühmlichen Ende der Ampel hat die CSU jetzt wieder die Schalthebel in der Hand. Schon im Oktober 2024 – also weit vor der Bundestagswahl – reklamierte Söder auf einem CSU-Parteitag das Landwirtschaftsministerium für die CSU. "Eigentlich gehört das Bundeslandwirtschaftsministerium endlich mal wieder in unsere Hand." Sein Wunschkandidat, der bayerische Bauernpräsident Günther Felßner, wird es jetzt zwar nicht mehr, dennoch markierte Söder mit seiner Forderung gleich mal das Revier der CSU.

Wie viele Ministerposten am Ende der Koalitionsverhandlungen für die CSU rausspringen, wird sich wohl bald zeigen. Sicher dürfte aber sein, dass die Regionalpartei aus Bayern auch diesmal wieder ein entscheidendes Wörtchen in der Bundesregierung mitreden wird.

Verwendete Quellen