Schon bald braucht die Bundeswehr viele neue Milliarden. Woher soll das Geld kommen? Die Union denkt über eine Aufstockung des Sondervermögens nach. Das Problem: Es müsste schnell beschlossen werden, weil es dafür eine Zweidrittel-Mehrheit braucht. Und die gibt es im neuen Bundestag für die Parteien der Mitte nicht mehr.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von F. Hartmann, R. Sawicki und F. Busch sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Friedrich Merz hat ein Problem. Der CDU-Chef hat zwar die Wahl gewonnen und wird voraussichtlich nächster Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Sein fiskalischer Handlungsspielraum aber dürfte beschränkt bleiben. Denn Merz hat sich Fesseln angelegt: Weil CDU und CSU die Schuldenbremse für unantastbar erklären, kann der Staat auch in Zukunft nur in überschaubarem Umfang investieren.

Mehr News zur Innenpolitik

Am Streit ums Geld ist schon die Ampel zerbrochen. Und die Herausforderungen sind seitdem nicht kleiner geworden. Vor allem die Sicherheitslage in Europa hat sich zugespitzt. Schwarz-Rot, so die Koalition zustande kommt, muss die Verteidigung neu organisieren: Das 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen der Bundeswehr ist Ende 2027 aufgebraucht. Unter Experten herrscht aber Einigkeit, dass die Truppe deutlich mehr Mittel benötigt.

Es geht um drei, vielleicht sogar vier oder fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Milliarden, die aus dem regulären Haushalt nicht zu finanzieren sind. Solange Friedrich Merz selbst in der Opposition saß, hatte er kein Interesse daran, der strauchelnden Ampel unter die Arme zu greifen. Jetzt ist die Lage eine andere. Bald will er selbst regieren. Und unter US-Präsident Donald Trump ist die transatlantische Partnerschaft brüchig geworden, Europa ist im Zweifel militärisch auf sich allein gestellt.

Auch eine unionsgeführte Bundesregierung muss die Bundeswehr also aufpäppeln. Nur wie? Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder über eine Reform der Schuldenbremse. Oder über den Umweg des Sondervermögens, das es schon gibt und das aufgestockt werden könnte. Auch dafür macht der Staat natürlich zusätzliche Schulden.

Die Wahlsiegern von CDU und CSU blicken auf Option zwei, das Sondervermögen. Dieses Mal ist sogar ein Betrag von 200 Milliarden Euro dafür im Gespräch. Es müsste allerdings schnell gehen. Wie bei einer Reform der Schuldenbremse bräuchte es auch hier eine Zweidrittel-Mehrheit im Parlament. Im nächsten Bundestag haben die Parteien der Mitte aber weniger Sitze, die Ränder links und rechts verfügen über eine Sperrminorität. Es ist genau das eingetreten, was viele Beobachter befürchtet haben.

SPD und Grüne kritisieren Friedrich Merz

Dementsprechend groß ist die Verwunderung bei SPD und Grünen. Am Dienstag kommen die Fraktionen im Reichstag zusammen, es ist die erste Sitzung nach der Wahl. Als SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich vor die Presse tritt, kommt er schnell auf Friedrich Merz zu sprechen.

Mützenich sagt, ein Beschluss mit dem alten Bundestag sei eine "Gratwanderung, weil da etwas vorweggenommen wird". Das hätte man verhindern können, wenn sich die Union bereits früher gesprächsbereit gezeigt hätte. Mützenich habe Merz immer wieder angeboten, über die Schuldenbremse zu sprechen. Die SPD-Fraktion sei nicht bereit, etwas zu beschließen, das nicht durchdacht sei. "Und deswegen sollte auch derjenige, der ins Kanzleramt möchte, nicht nur Ankündigung machen, sondern er soll auch sagen, was er ganz konkret will", sagt Mützenich.

Auch die Grünen haben die Union in den vergangenen Monaten gedrängt, bei einer Reform der Schuldenbremse mitzumachen. Ihre Fraktion würde da wohl auch jetzt mitziehen – auch wenn sie nicht einfach alles durchwinken, sondern Bedingungen stellen wird. Eine Grundgesetzänderung noch mit dem alten Bundestag halten die Grünen aber für problematisch. Die Noch-Minister Annalena Baerbock und Robert Habeck hatten das am Montag zwar auch vorgeschlagen. Bei der Fraktionsführung hört sich das einen Tag später aber anders an.

"Die Wählerinnen und Wähler haben am 23. Februar ihr Votum abgebeben", sagt die Co-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann. Eine Grundgesetzänderung mit dem alten Bundestag wird aus ihrer Sicht Diskussionen auslösen. "Ich halte das für demokratietheoretisch nicht so locker, nicht so easy", sagt sie. "Aber das werden in erster Linie CDU und CSU mit Friedrich Merz an der Spitze verantworten müssen."

Sondervermögen: Staatsrechtler sieht keine Hindernisse

Was also überwiegt? Die Bedenken oder die Einsicht, dass sich das Zeitfenster für neue Bundeswehr-Milliarden schließen könnte? Klar ist nämlich: Eine Aufstockung des Sondervermögens für die Bundeswehr wird unter den neuen Mehrheitsverhältnissen schwer bis unmöglich.

Linken-Chefin Ines Schwerdtner macht am Dienstag deutlich, dass es mit ihrer Partei nicht mehr Geld fürs Militär gebe. Wenn der alte Bundestag dies jetzt noch beschließe, sei das "ein Skandal". Schwerdtner wirft Merz vor, Angst "vor den neuen Mehrheitsverhältnissen und den Stimmen der Linken" zu haben. Von SPD und Grünen erwartet sie, die "Schnellschüsse eines Friedrich Merz" nicht zu unterstützen.

Neben der politischen stellt sich allerdings auch eine rechtliche Frage: Die Deutschen haben bereits gewählt, kann der alte Bundestag also noch mit seinen bestehenden Mehrheiten weitreichende Gesetze durchdrücken? Die Antwort ist: ja. Bei "Table Media" erklärt der Staatsrechtler Florian Meinel von der Universität Göttingen, dass es keine verfassungsrechtlichen Hindernisse gebe.

Der Bundestag sei bis zu seiner Auflösung noch vollständig arbeitsfähig – inklusive der Gesetzgebung und Verfassungsänderungen. Die konstituierende Sitzung des neuen Bundestags wird voraussichtlich am 24. März stattfinden. Bis dahin also hätte der alte Bundestag Zeit, sich gemeinsam um die benötigten Milliarden für die Bundeswehr zu bemühen.

Verwendete Quellen

  • Pressekonferenzen auf der Fraktionsebene im Bundestag
  • Pressemitteilung Die Linke
  • Table.media.de: Das Late-Night-Briefing für die Hauptstadt vom 24. Februar 2025