Am Tag nach der Wahl wirken die Vorsitzenden der Linkspartei, Ines Schwerdtner und Jan van Aken sowie Gruppen-Chefin Heidi Reichinnek gelöst. Sie stecken sich aber auch die nächsten großen Ziele, für deren Erreichung sie Jahre einplanen.
Ines Schwerdtner ist stolz. Auf ihre Partei, auf den Wahlkampf, auf ihren Wahlkreis und darauf, dass sie das Direktmandat in Berlin-Lichtenberg gegen AfD-Größe
Die Euphorie des Wahlabends, sie ist auch bei der Wahlnachlese im Haus der Bundespressekonferenz zu greifen. Nicht nur Schwerdtner konnte ihren Wahlkreis für sich entscheiden, sondern auch vier weitere Kandidaten – darunter die selbsternannten "Silberlocken" Bodo Ramelow und
"Die Linke ist wieder da", stellt der Parteivorsitzende
"Wir müssen in den nächsten Jahren wieder progressive Mehrheiten schaffen", sagt van Aken dazu. Ines Schwerdtner präzisiert das Ziel der Partei: "Wir werden der AfD nicht den Osten überlassen – und wir wollen ihn ihr streitig machen." Große Pläne für eine Partei, die sich durch einen starken Wahlkampf aus der Todeszone der Bundespolitik – also den Zustimmungswerten unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde – gerettet hat.
Mit jung, weiblich, urban gegen die AfD?
Mit Blick auf die Wählerschaft der Partei fällt auf: Die Linke ist eine junge Frau. So zumindest lassen sich die Auswertungen der Nachwahlbefragungen lesen. Überproportional häufig wurde die Partei von jungen Frauen in Städten gewählt. Die AfD hingegen ist die beliebteste Partei junger Männer. Und zumindest in den ostdeutschen Bundesländern auch so etwas wie eine Volkspartei, die unter anderem Menschen auf dem platten Land anspricht.
Wie lässt sich dem beikommen? Wie eine junge, urbane und weibliche Partei zu einer Anlaufstelle für AfD-Wähler in Ostdeutschland ummodeln? Aus Sicht
"Es macht mich glücklich, dass wir jungen Menschen ein Angebot machen können", sagt Heidi Reichinnek zur Auswertung des Ergebnisses. Gerade junge Frauen und Queers bräuchten dringend mehr Vertretung in der Politik. Klar sei aber auch, dass die Partei nun ins Tun kommen müsse.
Die bisherige Gruppen-Vorsitzende zählt auf, was sich die Partei für die kommenden Wochen und Monate vorgenommen hat: Miet-Gipfel, Kita-Gipfel, einen Expertengipfel zur Vermögenssteuer. Außerdem soll die Fraktion Gesetzentwürfe und Anträge vorlegen, gegen "Wuchermieten", für die Streichung der Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel und den ÖPNV. Gerade mit Blick auf die junge, weibliche Wählerinnenschaft soll auch ein Augenmerk auf Gewaltschutz, den Paragrafen 218 (also den zum Schwangerschaftsabbruch) und psychische Gesundheit gelegt werden.
Kurzum: Die Linksfraktion will dicke Bretter bohren. Oder zumindest Debatten anstoßen. Als Oppositionspartei ist es nahezu ausgeschlossen, dass einer der Anträge oder Gesetzentwürfe letztlich eine breite Zustimmung bekommt.
Linke sieht sich vor einem Marathon
Um die Beliebtheitswerte der AfD in Ostdeutschland einzuschmelzen, dürfte das aber kaum reichen. Das ist auch der Führungsriege der Linken klar. Schwerdtner räumt ein: Es dürfte Jahre dauern, das Vertrauen zurückzugewinnen. "Es kommt ein Marathon auf uns zu."
Aber: Seit dem Parteitag im Januar sind der Linken zehntausende neue Mitglieder beigetreten. Politik-Newcomer, die beschäftigt und eingebunden werden wollen. Mit dem Wahlkampf hatten sie direkt etwas zu tun – und nun müssen sie irgendwie weiterhin in die Partei integriert werden. Aus Sicht der Vorsitzenden offensichtlich eine gute Möglichkeit, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: In Zukunft werde es darum gehen, soziale Angebote vor Ort zu schaffen und kommunale Arbeit zu leisten.
Meint: Sozialsprechstunden, Beratungen – und weil es sich aus Sicht der Partei im Wahlkampf bewährt hat, weiterhin Klinken putzen. "Wir wollen den Menschen vor Ort zeigen, dass wir wirklich handeln", sagt Reichinnek. Sie stellt aber auch klar: "Wir werden nicht alle zu uns holen, aber jetzt haben wir eine deutlich bessere Basis."
Die Linke, die Ende 2024 von einigen bereits abgeschrieben war, ist zurück und kampfeslustig. Mut dürften die Genossen auch daraus schöpfen, dass sie mit Heidi Reichinnek und zahlreichen linken Influencern die Übermacht der AfD, die die Partei auf Social Media lange hatte, gebrochen hat. Ob diese Rückeroberung auch in der analogen Welt klappen wird, muss sich zeigen.
Verwendete Quellen
- Besuch der Pressekonferenz zur Wahlnachlese
- Tagesschau: Wer wählte die Linke – und warum?
- Tagesschau: Wer wählte die AfD – und warum?