Die CDU hat sich gerade erst für eine Frauenquote ausgesprochen. Ein zentrales Problem löst sie aber nicht: Wer rückt nach, wenn Annegret Kramp-Karrenbauer und bald auch Angela Merkel aus der Parteispitze ausscheiden?

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Es gibt wohl fast niemanden in der CDU, der das Problem leugnet: Die Partei ist zu wenig weiblich. "Es ist unbestritten, dass Frauen in der CDU deutlich unterrepräsentiert sind", sagte Wolfgang Schäuble, Mitglied des CDU-Präsidiums und Bundestagspräsident, vergangene Woche in einem Interview mit der "Zeit".

Für Kanzlerin Angela Merkel geht es bei dem Thema sogar um die "Existenzfrage der Volkspartei", wie sie es schon 2018 anlässlich des 70. Geburtstages der Frauenunion ausdrückte.

Gelöst werden soll das Problem nun auch mit einer schrittweisen Frauenquote. Die Regelung muss aber noch beim CDU-Parteitag im Dezember abgesegnet werden. Entschieden wird dann auch über die Nachfolge von Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer.

Dass mit ihr eine der zentralen weiblichen Figuren an der Parteispitze wegfällt, hat offenbar auch die rein männlichen Kandidaten aufgeschreckt: Norbert Röttgen und Friedrich Merz haben angekündigt, im Falle ihrer Wahl zum CDU-Vorsitzenden eine Generalsekretärin zu ernennen.

Röttgen wolle gar "als zweite Person" in seinem Team eine Frau bestimmen. Ebenso erklärte Armin Laschet, der zusammen mit Jens Spahn zu der Wahl antritt, dass er Frauen in sein Team berufen werde.

Wer hätte das Zeug dazu? Wer wird die neue starke Frau in der Bundes-CDU?

AKK weg, Merkel weg - und kaum Kandidatinnen

Auffällig ist: Bisher spielt das Problem in der CDU keine prominente Rolle. Im Gegenteil, die Parteispitze ruht sich auf dem Status quo aus. Die CDU sei mit Merkel als erster Kanzlerin und Kramp-Karrenbauer als Parteichefin anderen Parteien voraus, erklärte etwa Laschet Ende Februar.

Gesundheitsminister Spahn, der wie Schäuble Teil des Parteipräsidiums ist, sieht das genauso. Mit der Frauenquote wolle sich die CDU um mehr Frauen in Verantwortung bemühen. "An der Spitze ist das bereits gelungen", stellt Spahn fest.

Doch Kramp-Karrenbauer tritt im Dezember ab, Merkel im September kommenden Jahres. Dazu kommt: Die lange als Merkel-Nachfolgerin gehandelte Ex-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ist als Kommissionspräsidentin in Brüssel gebunden.

Der Kreis potentieller Kandidatinnen für die Parteispitze und dort insbesondere für das Amt der Generalsekretärin ist überschaubar. Die CDU hat – anders als die SPD mit Manuela Schwesig und Malu Dreyer – derzeit keine Ministerpräsidentinnen.

Merkels aktuelles Kabinett ist zwar so weiblich wie nie zuvor, doch werden wohl weder Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner noch Bildungsministerin Anja Karliczek den Schritt weg von der Regierungsbank wagen.

Silvia Breher – "Repräsentantin einer jüngeren Generation"

Mit Blick auf den aktuellen Führungszirkel der CDU wird immer wieder ein Name genannt: Silvia Breher, stellvertretende Parteivorsitzende.

Die 47-Jährige "repräsentiert eine jüngere Generation", sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Patzelt im Gespräch mit unserer Redaktion. "Sie hat einen rasanten Start hingelegt, ist erdverbunden, nicht schreckhaft und positiv unbedarft. Man spürt ihre Nähe zur Parteibasis und zur Wählerschaft."

Tatsächlich hat Breher einen beachtlichen Blitzstart hingelegt. 2017 kandidierte sie erstmals für den Bundestag und holte in ihrem Wahlkreis Cloppenburg-Vechta aus dem Stand das deutschlandweit beste Ergebnis ihrer Partei. Ende vergangenen Jahres wurde sie als Nachfolgerin für von der Leyen in den CDU-Vorstand gewählt. Aber würde sie für das Amt der Generalsekretärin zur Verfügung stehen?

"Das steht aktuell nicht zur Debatte", erklärt Breher auf Nachfrage unserer Redaktion. Sie sei auch noch nicht gefragt worden. Zugleich betont die Rechtsanwältin, ehemalige Geschäftsführerin eines Landwirtschaftsverbands und dreifache Mutter aber: "In der CDU braucht es mehr aktive Frauen – von den Kommunen bis zur Spitze."

Es sei wichtig, dass es weibliche Vorbilder gebe, bemerkt Breher. "Wenn ich im Wahlkreis unterwegs bin, werde ich von Frauen oft gefragt, wie man Politik und Kinder unter einen Hut bekommt. Und als Quereinsteigerin bin ich deshalb für viele vielleicht eher ein Vorbild als beispielsweise die Bundeskanzlerin. Für die meisten Frauen ist sie zu weit weg."

Diskussionen wie die um eine Frauenquote ist sie leid. Gerade bei jungen Männern registriere sie oft eine "Abwehrhaltung".

"Man will mehr Frauen, ja, aber bei Posten heißt es dann, dass es so viele talentierte Männer gebe", berichtet Breher. "Wir treten bei dieser Diskussion seit Jahrzehnten auf der Stelle", klagt die CDU-Politikerin. "Wir können einfach nicht mehr weitermachen wie jetzt."

"Gerade in der Jungen Union haben viele nur ihre eigene Karriere im Blick"

Brehers Bundestags- und Parteikollege Patzelt tut sich schwer, Veränderungen innerhalb der Parteistrukturen in seinem Wahlkreis ganz im Osten Brandenburgs durchzusetzen. 2017 verteidigte er dort sein Direktmandat gegen den damaligen AfD-Spitzenkandidaten Alexander Gauland.

Mit seinem Vorhaben, künftig eine Frau ins Rennen zu schicken, stößt er nun auf Widerstände. "In meinem Wahlkreis gibt es eine ganz starke Bewegung, künftig wieder einen Mann aufzustellen", sagt Patzelt. "Doch viele von ihnen, gerade in der Jungen Union, sehen nur die eigene Entwicklung, sie haben nur ihre eigene Karriere im Blick und basteln an ihrem Lebenslauf. Das blockiert die Politik."

Die Gefahr besteht auch beim CDU-Vorstand. "Ohne eine Frau an der Spitze wird die CDU zu einer Partei alter Männer. Wir brauchen frischen Wind, das ist schlichtweg strategisch vernünftiger", argumentiert der 73-Jährige.

Neben Breher findet Patzelt auch lobende Worte für Elisabeth Winkelmeier-Becker, die dem Fraktionsvorstand der Union im Bundestag angehört. Aus seiner Sicht wäre Winkelmeier-Becker "eine kluge und angemessene Frau" für das Amt der Generalsekretärin.

Für ebenso geeignet hält Patzelt die ehemalige Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht: "Eine weibliche Führungsfigur aus den neuen Bundesländern hätte eine symbolhafte Wirkung." Zusammen mit Norbert Röttgen würde sie "ein tolles Gespann bilden", sagt Patzelt.

Lieberknecht selbst hatte sich im Februar in der "Süddeutschen Zeitung" für eine gemischte Parteiführung ausgesprochen. "Ich wäre dafür, dass es ein Kandidaten-Tandem mit einer Frau und einem Mann für den neuen CDU-Vorsitz als Doppelspitze gibt", sagte sie damals.

Nicht zuletzt muss auch immer mit der Vorsitzenden der Frauen-Union, Annette Widmann-Mauz, zu rechnen sein. Die Staatssekretärin im Kanzleramt gilt als einflussreiche Netzwerkerin und wurde bereits als Ministerin gehandelt.

Doch genauso wie bei Monika Grütters, seit 2013 Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, wäre der Weg vom Kanzleramt ins Konrad-Adenauer-Haus für sie eher ein Rückschritt.

Auch Merkels Aufstieg in der CDU begann als Generalsekretärin

Egal ob Röttgen, Merz oder Laschet: Dass sich die Kandidaten für den Parteivorsitz demnächst, sprich Monate vor der Wahl im Dezember, auf eine Partnerin festlegen oder auch nur entsprechende Andeutungen tätigen, ist unwahrscheinlich. Auch mit Blick auf die Abstimmung bei der Frauenquote, die vor der Wahl des Parteivorsitzenden stattfindet, werden sich die Herren aber zwangsläufig positionieren müssen.

Dabei werden alle drei auch im Hinterkopf haben, dass Merkels Aufstieg in der CDU als Generalsekretärin begann. Auf dem Bonner Parteitag im November 1998 schlug Schäuble sie für das Amt vor, in der damaligen Oppositionspartei CDU eine der wenigen Positionen mit Gestaltungsmacht. Als Schäuble zwei Jahre später als Partei- und Unionsfraktionschef zurücktrat, befand sich Merkel in einer Schlüsselposition. Mit großer Zustimmung übernahm sie schließlich den CDU-Vorsitz. Der Rest ist Geschichte.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Martin Patzelt
  • Gespräch mit Silvia Breher
  • zeit.de: Wolfgang Schäuble und Jens Spahn: "Er hat den Willen zur Macht" – "Ich schätze Schäubles Rat"
  • tagesspiegel.de: Merkel: Höherer Frauenanteil ist Existenzfrage für CDU

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