• Ein Forschungserfolg aus den USA hat eine Diskussion über die Energieversorgung der Zukunft angestoßen.
  • Kann Kernfusion die Menschheit mit sauberer und sicherer Energie versorgen?
  • Während Union und FDP die Forschung stärken wollen, warnen SPD und Grüne vor falschen Hoffnungen.

Mehr zum Thema Wissenschaft

Der Mensch holt das Sonnenfeuer auf die Erde und produziert damit große Mengen sauberer und sicherer Energie. Ist das ein realistischer Blick in die Zukunft oder doch eher ein Griff nach den Sternen? Der Forschungserfolg am Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien hat die Diskussion über die Kernfusion weltweit befeuert.

Die US-Energieministerin Jennifer Granholm jedenfalls jubelte, als sie den "Meilenstein" Mitte Dezember verkündete: Eines Tages könne die Technologie riesige Mengen Energie bereitstellen. Auch in Deutschland wird auf dem Gebiet geforscht. Doch in der hiesigen Politik fällt das Echo geteilt aus.

Das steckt hinter der Kernfusion

Die Kernfusion ist sozusagen das Gegenteil der Kernspaltung, auf der die Atomenergie beruht. Bei der Kernfusion werden die Kerne von Wasserstoff-Atomen verschmolzen. Dabei wird Energie freigesetzt.

Allerdings ist auch eine immense Menge Energie nötig, um diesen Prozess überhaupt in Gang zu setzen. In den USA kam zu diesem Zweck die weltgrößte Laseranlage zum Einsatz. Der Durchbruch des Experiments: Erstmals wurde bei der Kernfusion mehr Energie freigesetzt als verbraucht.

Auf der Kernfusion beruht auch die Energie der Sonne. Im Sonnenfeuer verschmelzen Wasserstoff-Atomkerne zu Helium. Einige Expertinnen und Experten sehen in der Kernfusion eine Energiegewinnung der Zukunft. Das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik etwa hat berechnet: Die Fusion von einem Gramm Wasserstoff zu Helium könnte so viel Energie erzeugen wie die Verbrennung von elf Tonnen Kohle. Diese Form der Energiegewinnung gilt zudem als sicher und sauber.

Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger: "Ambitionen dürfen nicht zu klein sein"

Bettina Stark-Watzinger (FDP), Bundesministerin für Bildung und Forschung, zeigte sich nach dem geglückten US-Experiment jedenfalls begeistert. Die Forscherinnen und Forscher hätten "die Sonne auf die Erde geholt", sagte sie im ZDF-"Heute Journal". Die Kernfusion biete eine neue Möglichkeit der Energieversorgung - "verlässlich und klimaneutral".

Stark-Watzinger will deshalb zusammen mit den europäischen Partnern eine "hohe Summe" in die Forschung investieren. In Frankreich ist bereits der Fusionsreaktor ITER im Bau. An unterschiedlichen Methoden der Kernfusion wird derzeit aber auch in Greifswald, Darmstadt und München geforscht. "Die Ambitionen dürfen da nicht zu klein sein", findet Stark-Watzinger.

Auch bei Kernfusion entsteht Strahlung

Allerdings ist aus Wissenschaft und Politik auch Skepsis zu hören. Die Vorstellung, die Energiegewinnung aus Kernfusion sei "völlig ungefährlich und umsonst", hält der Plasmaphysiker Hartmut Zohm für falsch: Der "überschwere" Wasserstoff Tritium, der dabei zum Einsatz kommt, ist eine radioaktive Variante des Wasserstoffs. Zudem werde auch die Wand eines Fusionsreaktors radioaktiv, erklärte Zohm im Interview mit der "taz". Allerdings sei die Strahlung viel geringer als bei der Kernspaltung: Es dauere "wenige Jahrzehnte", bis die Wandelemente nicht mehr strahlen.

Der Weg vom erfolgreichen Experiment bis zur Nutzung als Energiequelle ist zudem noch sehr weit. Nötig wären große Mengen an Hochleistungslasern und Brennstoff – und auch viele Menschen, die sich mit der Materie auskennen. Die Kernfusion sei weiterhin ein Griff nach den Sternen, heißt es in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Bezahlinhalt): "Mit ihr Energie zu gewinnen, ist noch eine Vision, über deren Realisierbarkeit und Kosten wir erst in einigen Jahrzehnten Bescheid wissen werden."

Zudem gilt die Energieausbeute noch als gering: In den USA erzeugte die Kernfusion wie erwähnt zwar mehr Energie als sie verbrauchte. Allerdings wurde dabei nicht berücksichtigt, wie viel Energie in die Laser geflossen ist.

Nina Scheer (SPD): "Kernfusion ist keine einsetzbare Energiegewinnungstechnologie"

Die Bundesregierung hat bisher keine einheitliche Haltung zur Kernfusion, denn die Begeisterung der FDP teilen SPD und Grüne nicht. "Kernfusion ist seit Jahrzehnten ein milliardenschweres Vorhaben, das in Fragen der Nutzbarkeit längst von erneuerbaren Energien überholt wurde", sagt etwa Nina Scheer, klima- und energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion.

Man müsse die Kraft der Sonne hier nutzen, statt sie "technisch, teuer und mit ungewisser Zukunft zu erzeugen", so Scheer. "Nach wie vor ist die Kernfusion keine einsetzbare Energiegewinnungstechnologie – anders als Erneuerbare-Energien-Technologien, die heute schon die günstigsten und am schnellsten nutzbarsten Formen der Energiegewinnung darstellen. Forschungsfortschritte sollten nicht mit Entscheidungen zur Energiegewinnung verwechselt werden."

Kernfusion Symbolbild

Videografik: Kernfusion – Energie der Zukunft?

Die Kernfusion könnte eine Lösung sein, um den weltweit steigenden Energiebedarf zu decken. Dabei werden zwei Atomkerne zu einem neuen Kern verschmolzen, die dabei freigesetzte Energie kann zur Stromerzeugung genutzt werden.

Auch von den Grünen kommt Ablehnung, auch sie wollen andere Prioritäten setzen. "Die Kernfusion kann in absehbarer Zeit keinen Beitrag zur Energieversorgung leisten. Prognosen dazu, wann Kernfusion einsatzbereit ist, verschieben sich regelmäßig um Jahrzehnte", sagt der Bundestagsabgeordnete und Energieexperte Bernhard Herrmann.

Um das Erderwärmung auf 1,5-Grad-Ziel zu begrenzen, brauche man aber eine schnelle Reduktion des CO2-Ausstoßes: "Dafür sind die Stärkung der Energieeffizienz und der Ausbau der erneuerbaren Energien zentral." In diesem Jahr, so Herrmann, hätten erneuerbare Energien fast die Hälfte des in Deutschland genutzten Stroms bereitgestellt.

Jens Spahn (CDU): Bund sollte Forschung mit 200 Millionen Euro fördern

Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger hat im ZDF dagegen das ehrgeizige Ziel ausgegeben, in zehn Jahren die ersten Kernfusionsreaktoren für die Energiegewinnung zu nutzen. Das halten Expertinnen und Experten für kaum machbar. Plasmaphysiker Zohm sagte in der "taz", in frühestens 20 bis 30 Jahren könne dies klappen.

Neben der FDP spricht sich auch die CDU/CSU-Opposition dafür aus, die Forschung auf dem Gebiet voranzutreiben. Die Union setze auf technologischen Fortschritt, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Jens Spahn. "Ob und wann Kernfusion zum Einsatz kommen kann, ist offen. Aber der amerikanische Erfolg zeigt: Sie kann eine klimaneutrale Lösung für unsere Energieversorgung sein", so Spahn.

Das müsse ein Ansporn sein, sie weiter zu erforschen: "Der Bund sollte die Entwicklung von Kernfusion in Deutschland mit 200 Millionen Euro fördern. In Darmstadt und München gibt es gute Ansätze." Den Ausbau der Erneuerbaren ersetze das nicht – das sagt auch Spahn: "Doch der richtige Mix macht es."

Verwendete Quellen:

  • Stellungnahmen von Nina Scheer, Jens Spahn und Bernhard Herrmann
  • FAZ.net: Kernfusion für Kraftwerke – Eine Vision mit Fragezeichen
  • Max-Planck-Institut für Plasmaphysik: Was ist Kernfusion?
  • taz.de: Experte zu Durchbruch bei Kernfusion – "Fusion kann Erneuerbare ergänzen"
  • ZDF.de: "Ja, heute ist ein historischer Tag"
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.