• Seit rund zehn Jahren kooperiert der FC Bayern mit dem Emirat und einigen seiner wichtigsten Unternehmen.
  • Das bringt für beide Seiten sehr viele Vorteile, ist aber immer wieder auch Gegenstand heftiger Kritik.
Eine Analyse

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Es ist wohl kein Zufall, dass der FC Bayern München erstmals im Winter 2011 in ein Trainingslager nach Katar aufbrach. Das Emirat hatte nur ein paar Wochen zuvor den Zuschlag für die Ausrichtung der Weltmeisterschaft 2022 bekommen - es war der vorläufige Höhepunkt einer lange angelegten Imagekampagne. Da passte die vertragliche Beziehung mit einem der größten und populärsten Klubs der Welt perfekt ins Konzept.

Seit zehn Jahren machen die Bayern und Katar gemeinsame Sache, zwischen 2013 und 2016 war sogar Katars ehemaliger WM-Botschafter Pep Guardiola Trainer bei den Bayern. Ein schöner, wenngleich auch zufälliger Nebenaspekt. Die Verbindung zwischen den Vertragspartnern hat sich in den letzten Jahren immer wieder verändert, als Konstante blieb und bleibt die teilweise heftige Kritik am Engagement der Bayern am Persischen Golf. Aber worum geht es eigentlich?

Kooperation mit Katar bringt Geld

Den Wettlauf mit der Premier League in Asien hatte die Bundesliga und damit auch der FC Bayern schon in den Nullerjahren verloren. Der Markt der Zukunft war längst abgegrast, noch ehe die größten deutschen Klubs in China, Indien, Indonesien oder Pakistan mit mehr als drei Milliarden Menschen auch nur einen Fuß in die Tür bekamen. Die Bayern forcieren deshalb seit einigen Jahren den nordamerikanischen Markt mit seinem zahlungskräftigen Klientel, den vielen Latinos in den USA samt ihrer Fußballbegeisterung und den Wachstumschancen, die der Soccer in den Vereinigten Staaten immer noch hat.

Und zusätzlich kommt seit rund einem Jahrzehnt noch die Kooperation mit dem Nahen Osten, sprich Katar, dazu. Hier geht es weniger um strategische Ziele oder die Entwicklung einer langfristigen Praktik. Es geht um schnell verfügbares Geld - auch wenn die Bayern das in etwas kleidsamere Sätze packten. "Diese Partnerschaft ist ein weiterer Schritt in unserer Internationalisierungsstrategie. Teil der Kooperation ist es, dass wir gemeinsam soziale Projekte und den Dialog über gesellschaftspolitisch kritische Themen fördern werden", sagte Karl-Heinz Rummenigge vor fünf Jahren, als die Bayern die Kooperation mit Katar erstmals ausweiteten. Damals wurde der Flughafen von Doha zu einem von zehn Platinpartnern des Klubs.

Qatar Airways statt Lufthansa

Mittlerweile ist dieses Engagement abgelöst worden von Katars Fluglinie Qatar Airways. Das Logo der Luftfahrtgesellschaft, ehemals Hauptsponsor beim FC Barcelona und seit einigen Tagen auch neuer Partner der UEFA, prangt auf dem Trikotärmel der Bayern. Der Vertrag mit dem Hamad International Airport ging nach Angaben der Bayern vollständig auf Qatar Airways über.

"Qatar Airways expandiert gegenwärtig und erschließt sich neue Destinationen auf dem asiatischen sowie amerikanischen Markt", sagte Bayerns Marketing-Vorstand Andreas Jung der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" nach der Vertragsunterzeichnung. "Das kommt unserer Internationalisierung entgegen, hier werden wir gemeinsame Strategien entwickeln können." Kein Teil dieser Strategie war fortan die Lufthansa, mit der die Bayern zuvor 16 Jahre lang zusammengearbeitet hatten.

Geld, Geld, Geld - und gute Trainingsbedingungen

Nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" soll Qatar Airways jährlich deutlich mehr als jene zehn Millionen Euro zahlen, die die Bayern zuvor vom Flughafen Doha bekommen hatten. Der genaue Betrag ist allerdings nicht bekannt. Die Lufthansa sei damals jedenfalls nicht bereit gewesen, die Offerte der Qatar Airways zu überbieten. Die Kooperation mit den Katarern ist bis 2023 datiert, Qatar Airways ist neben den (deutschen) Gesellschaftern Adidas, Audi und Allianz sowie Hauptsponsor Telekom einer der wichtigsten Partner und damit einer der größten Finanziers des FC Bayern.

Wichtig war den Bayern stets zu betonen, dass Eingriffe in die Gesellschafterstruktur nie geplant waren. So sei es "zu keinem Zeitpunkt ein Thema gewesen", Anteile an der Aktiengesellschaft der Bayern an Qatar Airways zu veräußern, sagte Jung. "Hier sind wir durch Adidas, Allianz und Audi mit deutschen Dax-Konzernen bestens ausgestattet."

Neben den jährlichen Zahlungen profitieren die Bayern bei ihren Trainingslagern von den hervorragenden Bedingungen an der immer noch recht neuen Aspire Academy in Doha. "Wenn ich das Wetter in Europa betrachte, waren die Bayern wieder einmal klüger", sagte der damalige Bayern-Präsident Uli Hoeneß der "Neuen Zürcher Zeitung" vor einigen Jahren. "Die Mannschaften, die nun im Süden Spaniens und Portugals frieren, haben keinen Vorteil. Ich komme aus Doha. Dort sind die Temperaturen angenehm und der Rasen wird mit der Nagelschere gepflegt."

Charme-Offensive aus Katar

Die Vorteile für die Bayern liegen klar auf der Hand - aber wie profitiert das Emirat von der Beziehung zum deutschen Top-Klub? Der Wüstenstaat hat seinen immensen Reichtum den Bodenschätzen innerhalb seiner Landesgrenzen zu verdanken. Katars Öl versorgt die ganze Welt - als fossiler Brennstoff ist diese Versorgung aber nicht für die Ewigkeit verfügbar, die Ressourcen sind endlich. Also fährt das Land seit rund zwei Jahrzehnten eine Art Charme-Offensive, um auf Sicht andere Einnahmequellen zu erschließen, unter anderem im Tourismusbereich.

"Soft Power" wird die Strategie genannt, mit der Katar vordringen will in andere gesellschaftliche Bereiche wie Wissenschaft oder Kultur. Dafür sichert sich das Land immer mehr Foren oder Großveranstaltungen, von der FIFA-Klub-WM über die Asienmeisterschaft, die Handball-WM, den Großen Preis von Katar (Motorsport) oder eben als Highlight im kommenden Jahr die WM.

Der Fußball ist dabei das wichtigste Vehikel, um Katar in der Welt auch über die Dimension des reinen Öl-Dienstleisters hinaus bekannt und populär zu machen. Deshalb auch die Übernahme von Paris Saint-germain vor knapp zehn Jahren, mit dem Ziel, als Champions-League-Sieger zu reüssieren. Oder eben die Zusammenarbeit mit den Bayern, der derzeit besten Fußballmannschaft der Welt.

Bayern-Fans empört über "Blutgeld"

Begleitet wird diese Zusammenarbeit aber vom ersten Tag an von teilweise heftiger Kritik auch aus den eigenen Reihen. Immer wieder finden Teile der Bayern-Fans Gehör oder verschaffen sich Aufmerksamkeit. Von "Blutgeld" war bereits die Rede, welches sich ihr Klub einverleibe. Tatsächlich werden Katar immer noch massive Verstöße gegen Menschenrechte und die Finanzierung von Terroristen vorgeworfen. Die Nachbarstaaten hatten einst ihre Beziehungen zum Emirat abgebrochen, die Grenzen geschlossen. Dieser Isolationszustand ist mittlerweile aber wieder weitgehend aufgehoben.

Die Diskrepanz zwischen dem FC Bayern als ein Klub, der sich Vielfalt und Toleranz auf die Fahnen schreibt und sich für ein buntes Miteinander und gegen Rassismus in Stellung bringt, auf der anderen Seite aber bei den Geschäften mit einem Staat die Augen verschließt, in dem Freiheitsrechte nicht viel gelten, bleibt unüberbrückbar. Die Arbeitsbedingungen in Katar seien "nicht perfekt", würden aber sich auch nicht bessern, "wenn wir nicht hinfliegen und Diskussionen anstoßen", sagte Hoeneß einst.

Auch Rummenigge, der schon auf der Jahreshauptversammlung der Bayern im Jahr 2019 von einer "nachweislichen Entwicklung in Sachen Menschen- und Arbeitsrechte zum Positiven" berichtet hatte, wiederholte diese Sicht der Dinge jüngst im "Aktuellen Sportstudio".

Demgegenüber stehen aber auch nach mehreren Jahren allenfalls marginale Verbesserungen für die deutlich mehr als zwei Millionen Gastarbeiter in Katar. Derzeit leben rund zehnmal so viele ausländische Arbeitskräfte im Land wie es Einwohner mit einem katarischen Pass gibt. Die meisten sind als Bedienstete angestellt, ein anderer beträchtlicher Teil aber auch beim Bau der Stadien und Infrastruktur für die WM 2022.

"Guardian": 6.500 tote WM-Gastarbeiter

Immer wieder berichtete "Amnesty International" von schweren Versäumnissen beim Arbeitsschutz, von einem nicht existenten Mindestlohn, von verweigerten Lohnzahlungen, von der katastrophalen Unterbringung der Arbeiter und deren Ausbeutung. Am Dienstag sorgte ein Bericht des englischen "Guardian" für Aufsehen.

Rund 6.500 Arbeiter aus Indien, Pakistan, Nepal, Bangladesch und Sri Lanka seien in den letzten zehn Jahren in Katar gestorben. Das wären zwölf tote Menschen pro Woche. Ein beträchtlicher Teil von ihnen war auf den Baustellen der WM-Stadien oder beim Bau der dafür notwendigen Infrastruktur tätig.

Der "Guardian" beruft sich bei seiner Erhebung auf offizielle Stellen in den Heimatländern der Arbeiter. Die Dunkelziffer dürfte allerdings noch deutlich höher liegen, weil entsprechende Daten zum Beispiel in Kenia oder auf den Philippinen über ihre entsandten Arbeiter gar nicht erst erhoben werden.

Über die Todesursachen schweigt sich die katarische Regierung aus. Chronische Lungen- und Herzerkrankungen nehmen aber offenbar einen großen Teil ein - manche Arbeiter sind bis zu vier Monate täglich den extremen Temperaturen ausgesetzt -, außerdem gibt es eine ganze Reihe von Unfällen in den teilweise inakzeptablen Unterkünften und eine nicht näher verifizierte Anzahl an Suiziden.

Verwendete Quellen:

  • FAZ: Qatar Airways löst Lufthansa beim FC Bayern ab
  • NZZ: Energie aus 5.500 Briefen
  • Spiegel: FC Bayern schließt umstrittenen Sponsoren-Deal ab
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