Dem CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz werden in sozialen Netzwerken Behauptungen untergeschoben, die falsch sind. Darunter Positionen zum Verbrenner-Aus und der CO2-Bepreisung. Ein Faktencheck.

Im September 2024 nominierte die Union Friedrich Merz als Kanzlerkandidaten. Knapp zwei Monate später löste sich die Regierungskoalition aus SPD, Die Grünen und FDP auf. Nun soll es am 23. Februar 2025 zur Neuwahl kommen. Während die Bundestagsparteien darum ringen, welche Gesetzesvorhaben noch durchgebracht werden können, hat der Wahlkampf in sozialen Netzwerken längst begonnen – und so auch die Verbreitung von irreführenden und falschen Meldungen zu Politikern und Parteien.

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Dort verbreiten sich im November 2024 Sharepics mit zehn vermeintlichen Forderungen von Friedrich Merz, die er als Kanzler umsetzen würde: von der Erhöhung des Rentenalters bis zum Verbrenner-Aus.

Im November 2024 kursieren diese Sharepics zu angeblichen Plänen des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz für seine mögliche Kanzlerschaft. Die meisten der Behauptungen sind falsch. © Quelle: Facebook / Tiktok; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck

Wer die Sharepics erstellt hat, ist unklar. Beiträge damit erreichten auf TikTok, Instagram und Facebook hunderttausende Aufrufe. "Absolut unwählbar", oder "schade, aber mit diesen Vorhaben unwählbar", heißt es dazu.

Auf TikTok kursierte der angebliche Plan in leichter Abwandlung auch als Audioformat. CORRECTIV.Faktencheck konnte 55 Videos identifizieren (Stand: 11. Dezember 2024), in denen die Tonspur enthalten ist. Diese Videos erreichten etwa zwei Millionen Aufrufe. Viele der TikTok-Profile sprechen sich in weiteren Videos für die AfD aus – so auch der Erstverbreiter. Zu seinem Video schrieb er: "Warum wollt ihr die CDU wählen? Ich gebe euch Gründe warum ihr es nicht tun solltet." CORRECTIV.Faktencheck konfrontierte ihn mit der Recherche, erhielt bis zur Veröffentlichung jedoch keine Antwort.

Im Folgenden klärt CORRECTIV.Faktencheck auf, ob und inwiefern Friedrich Merz die genannten Forderungen gestellt hat.

Behauptung 1: Merz plane, das Rentenalter auf 70 Jahre zu erhöhen

Bewertung: Falsch. Wie die Rentenversichung und die Bundeszentrale für politische Bildung auf ihren Webseiten informieren, konnten und können die Geburtsjahrgänge 1947 bis einschließlich 1963 in einem Alter zwischen 65 und 67 Jahren ohne Abschlag in Rente gehen. Personen, die ab 1964 geboren wurden, können das erst im Alter von 67 Jahren. Das ist die aktuelle sogenannte Regelaltersgrenze.

Laut den Sharepics plane Merz, diese Grenze auf 70 Jahre zu erhöhen. Die Behauptung bezieht sich wohl auf Medienberichte aus dem Jahr 2000. Zum Beispiel schrieb der Spiegel: "Bereits am vergangenen Wochenende hatte der Unionsfraktions-Vorsitzende vor einer Verkürzung der Lebensarbeitszeit gewarnt. Die junge Generation müsse damit rechnen, bis zum Alter von 70 Jahren zu arbeiten, ehe sie in Rente gehen könne."

Eine "Rente mit 70" soll es laut Merz nicht geben: "Weder im Wahlprogramm noch in einem möglichen Koalitionsvertrag", sagte er im August 2024 gegenüber Medien. Im Wahlprogramm der CDU zur Bundestagswahl heißt es: "Wir halten an der bestehenden gesetzlichen Regelung zum Renteneintrittsalter fest."

Behauptung 2: Merz plane den Rentenbezug nach 45 Arbeitsjahren, also die "Rente mit 63", abzuschaffen

Bewertung: Falsch. Es geht hier um die Altersgrenze, ab der man ohne Abschläge in Rente gehen darf. Wie bereits erklärt, liegt die Regelaltersgrenze für Personen, die ab 1964 geboren wurden, aktuell bei 67 Jahren.

Früher in Rente zu gehen, ist möglich, wenn eine Versicherungszeit von 45 Jahren nachgewiesen wird. Das ist die Rente für "besonders langjährig Versicherte". Der Begriff "Rente mit 63" sei irreführend, erklärt eine Sprecherin der Deutschen Rentenversicherung auf Nachfrage per E-Mail. Der Begriff entstand, weil laut einer gesetzlichen Regelung aus dem Jahr 2014 alle Menschen, die vor 1953 geboren sind, mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen durften. Die Personen sind heute mindestens 72 Jahre alt und somit alle längst in Rente.

Für alle späteren Jahrgänge galt diese Regelung nie. Für sie wird die Regelaltersgrenze schrittweise angehoben. Wer zwischen 1953 und 1963 geboren ist, kann im Alter zwischen 63 und 65 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen. Für alle Personen ab dem Geburtsjahr 1964 ist das erst im Alter von 65 Jahren möglich.

Immer wieder berichten Medien über Vorstöße, zum Beispiel aus der Wirtschaft, die "Rente mit 63" beziehungsweise die Rente für "besonders langjährig Versicherte" abzuschaffen oder einzuschränken. 2023 forderte zum Beispiel Jens Spahn (CDU) laut Medienberichten eine "sofortige Abschaffung" der "Rente mit 63" wegen des Fachkräftemangels. Auch Merz sehe die "Rente mit 63" "kritisch", hieß es in den Berichten.

CORRECTIV.Faktencheck fragten bei der CDU-Pressestelle nach, ob Merz die Abschaffung des Rentenbezugs nach 45 Arbeitsjahren plane. Eine konkrete Antwort gab es nicht. Doch laut aktuellem Wahlprogramm der CDU hält die Partei an der bestehenden gesetzlichen Regelung zum Renteneintrittsalter fest.

Behauptung 3: Merz plane ein soziales Arbeitsjahr ohne Lohn für Rentner

Bewertung: Falsch. Medienberichten zufolge sprach sich Friedrich Merz 2022 für ein soziales Pflichtjahr für junge Leute aus. Von Rentnerinnen und Rentnern war nicht die Rede. Mehrere Google-Suchen belegen: Für die Behauptung gibt es keine belastbare Quelle.

Auf Anfrage schrieb die CDU-Pressestelle: "Zu diesem Thema kursierende Beiträge sind allesamt Unfug, Herr Merz hat nichts dergleichen gefordert." Auch im Grundsatzprogramm ist keine Rede von solchen Plänen. Die CDU schlägt laut dem Programm eine "Aktivrente" vor: Wer über das gesetzliche Rentenalter hinaus arbeiten möchte, soll demnach das Gehalt zu einem bestimmten Betrag steuerfrei erhalten.

Eine ähnliche Falschmeldung über Merz kursierte schon im November 2024. Anders als behauptet, kündigte er nicht an, eine Wehrpflicht für Rentner zu diskutieren.

Behauptung 4: Merz plane die "Umsetzung des Lastenausgleichs"

Bewertung: Falsch. Der Begriff "Lastenausgleich" stammt vom Lastenausgleichsgesetz, das im September 1952 in Kraft trat. Damals wurden Menschen finanziell entschädigt, die nach dem Zweiten Weltkrieg durch Zerstörung, Vertreibung oder die 1948 in Kraft getretene Währungsreform materielle Verluste erlitten hatten. Dafür wurden Abgaben von denjenigen Bürgerinnen und Bürgern erhoben, "die sich über die Kriegs- und Nachkriegszeit hinweg Vermögen erhalten konnten".

Dafür, dass der CDU-Kanzlerkandidat eine Form des Lastenausgleichs plane, gibt es keine Belege. Ein Pressesprecher der CDU dementiert die Behauptung, er schreibt: "Dieses Zitat stammt nicht von Friedrich Merz."

Schon im Frühjahr 2022 kursierte eine ähnliche Falschmeldung. Damals hieß es, eine Gesetzesänderung habe dazu geführt, dass Bürgerinnen und Bürger ab Januar 2024 für Schadensersatzforderungen aufkommen müssen, die Menschen mit Impfschäden stellen – ein angeblicher "Lastenausgleich". Wie CORRECTIV.Faktencheck bereits berichtete, war die Behauptung falsch.

Mit der vom Bundestag am 12. Dezember 2019 beschlossenen Reform des Sozialen Entschädigungsrechts erhalten Geschädigte durch Schutzimpfungen zwar sogenannte "Leistungen der Sozialen Entschädigung", aber nicht durch einen solchen Lastenausgleich, sondern durch Zahlungen vom Bund. So steht es auch auf der Webseite des Bundesministeriums für Soziales und Arbeit.

Behauptung 5: Merz plane eine "eventuelle" Koalition mit den Grünen"

Bewertung: Unbelegt. Friedrich Merz hat eine Koalition mit Grünen nicht kategorisch ausgeschlossen. Laut Medienberichten hat er sich beim Parteitag der CSU im Oktober – anders als Markus Söder – ein "Türchen" offen gelassen. Denn er habe gesagt: "Mit diesen Grünen, so wie sie heute da sind, ist auch aus meiner Sicht eine Zusammenarbeit nicht denkbar und nicht möglich."

Anfang Dezember berichtete die Tagesschau, Merz sehe "in der Außen- und Sicherheitspolitik mehr Gemeinsamkeiten mit den Grünen als mit der SPD". Was nach der Wahl passieren wird, ist offen.

Behauptung 6: Merz plane "weitere Milliarden für die Ukraine"

Bewertung: Fehlender Kontext. Friedrich Merz möchte die Ukraine weiter unterstützen, wie und in welcher Höhe ist allerdings unklar. Bei seinem Besuch in der Ukraine am 9. Dezember 2024 bekräftigte der CDU-Kanzlerkandidat, dass er offen für die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern sei. Medienberichten zufolge lag der Stückpreis des Waffensystems bei etwa einer Million Euro, eine Neuanschaffung soll inzwischen mindestens doppelt so viel kosten. Eine potenzielle Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine käme also einer indirekten monetären Unterstützung in millionenfacher Höhe gleich.

In einer Variante des Sharepics heißt es, dass Merz gleichzeitig zu den "Milliarden für die Ukraine" in Deutschland die Renten kürzen wolle. Gegenüber der Jungen Union, der Jugendorganisation der CDU/CSU, betonte Merz im Oktober 2024: Mit ihm werde es keine Rentenkürzungen geben.

Doch momentan ist fraglich, was hinter dieser Aussage steckt. Denn Tatsache ist auch, dass die derzeit geltende Garantie für das Rentenniveau 2025 auslaufen wird. Mit dieser Garantie galt bislang: Wer 45 Beitragsjahre geleistet und das Durchschnittsgehalt verdient hat, bekommt eine monatliche gesetzliche Rentenzahlung, die nicht unter 48 Prozent des Durchschnittsgehalts fällt.

In einem Gesetzentwurf der ehemaligen Ampel-Regierung war unter anderem vorgesehen, dieses Rentenniveau bis 2039 weiter zu garantieren. Die CDU/CSU sowie die FDP, als ehemaliger Koalitionspartner, machten laut Medienberichten aber deutlich, dass sie dem Entwurf nicht zustimmen würden.

Laut dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann das sogenannte "Rentenpaket 2" in dieser Legislaturperiode nicht mehr umgesetzt werden. Wie es mit der Sicherung des Rentenniveaus weitergeht, ist folglich offen. Im CDU-Grundsatzprogramm findet sich dazu keine konkrete Angabe, ebenso wenig im frisch beschlossenen Wahlprogramm der CDU.

Behauptung 7: Merz wolle das "Verbrenner-Aus vollziehen"

Bewertung: Falsch. Ab 2035 dürfen in der EU nur noch Neuwagen verkauft werden, die beim Fahren keine CO2-Emissionen verursachen. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor können zugelassen werden, wenn sie mit E-Fuels betrieben werden. Diese Regelung entspricht einem Verbot der bisherigen Diesel- und Benzinmotoren, also einem "Verbrenner-Aus". Anders als behauptet, hat sich Friedrich Merz 2024 jedoch nicht dafür, sondern dagegen ausgesprochen.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (hier und hier) sagte Merz bei einer Wahlkampfveranstaltung in Saarlouis im Mai 2024: "Dieses Verbot des Verbrenners muss rückgängig gemacht werden [...]."

Als Merz am 17. September 2024 in einem ARD-Interview (Minute 9:21) gefragt wurde, ob er sich unter "einer Regierung Merz", dafür einsetzen würde, dass "der Verbrenner wieder ein zugelassenes Antriebsmittel ist?", antwortete Merz: "Die Antwort ist klar und eindeutig: ja."

Behauptung 8: Merz plane ein Prozent des Lohns für Ausbauhilfe in der Ukraine einzusetzen

Bewertung: Falsch. Ein CDU-Sprecher schreibt, dass die Aussage nicht von Friedrich Merz stamme. Mehrere Stichwortsuchen bei Google führen zu keinerlei belastbaren Quelle für diese Behauptung.

Behauptung 9: Merz wolle die "CO2-Steuer erhöhen"

Bewertung: Größtenteils falsch. Es gibt keine "CO2-Steuer". Gemeint ist hiermit wohl die CO2-Bepreisung, die es schon sehr lange gibt und die die Bürgerinnen und Bürger indirekt zahlen. Es handelt sich dabei um einen Preis pro Tonne CO2, den "Inverkehrbringer" von Brennstoffen zahlen müssen. Unternehmen, die mit Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel handeln, müssen seit dem 1. Januar 2021 dafür einen CO2-Preis bezahlen. Das ist der sogenannte nationale Emissionshandel.

Der CO2-Preis pro Tonne lag 2024 bei 45 Euro, ab Januar 2025 soll er auf 55 Euro steigen – das hat aber nicht Friedrich Merz so geplant, sondern steht seit Jahren im Brennstoffemissionshandelsgesetz. In der Folge wird erwartet, dass zum Beispiel der Verbraucherpreis für Benzin steigt.

Im Grundsatzprogramm der CDU steht dazu folgendes: "Wir setzen auf einen weltweiten Emissionshandel. Der Emissionshandel ist als marktwirtschaftliches Instrument unser Weg, um das Klima effizient zu schützen. [...] Der Staat muss den Menschen etwas zurückgeben. Für die Akzeptanz dieses Instruments ist es wichtig, die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung grundsätzlich zur Entlastung von Bürgern und Wirtschaft zu nutzen."

CORRECTIV.Faktencheck bewerten die Behauptung als größtenteils falsch, weil Friedrich Merz keine CO2-Steuer erhöhen will, aber die CDU den Emissionshandel und die CO2-Bepreisung generell befürwortet.

Fazit: Mehrheit der Behauptungen auf den Sharepics über Friedrich Merz sind unbelegt oder falsch

Der letzte Punkt des angeblichen Zehn-Punkte-Plans lautet: "Fortführung des Energiewahnsinns." Da es sich dabei um eine Meinungsäußerung handelt, ist die Aussage nicht für einen Faktencheck geeignet.

Die anderen Behauptungen unterstellen Friedrich Merz Aussagen, die er nicht gemacht hat und Vorhaben, die er so nicht angekündigt hat oder aktuell nicht belegbar sind. In einem Fall ist die Behauptung insofern richtig, als dass Merz die Ukraine zumindest durch die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern unterstützen möchte.

Seit dem Aus der Ampelregierung Anfang November 2024 kursierten bereits mehrere Behauptungen über den CDU-Kanzlerkandidaten. Beispielsweise zu seiner Abstimmung gegen die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe. Auch eine Aussage von Merz über den Krieg mit Russland wurde irreführend verkürzt. Anders als behauptet sagte er nicht, dass er keine Angst vor einem Atomkrieg mit Russland habe.

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Verwendete Quellen

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