Für Militärexperte Carlo Masala hat die Frühjahrsoffensive in der Ukraine schon längst begonnen. Ein früherer Botschafter beklagte, der russische Präsident Wladimir Putin nehme sein ganzes Land "in Geiselhaft". Und Sänger Marius Müller-Westernhagen gab zu, dass er bei einem Treffen Angst vor Putin hatte.

Eine Kritik
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Das war das Thema:

Angesichts des nahenden einjährigen Jahrestags des russischen Einmarschs sprach Sandra Maischberger in ihrer Talkshow über den Krieg in der Ukraine. Dabei ging es unter anderem um die Frage, ob das Land die Angriffe aus Russland im zweiten Kriegsjahr weiter abwehren kann und wie Chancen auf Friedensverhandlungen stehen.

Gast bei "Maischberger" war zudem der Musiker Marius Müller-Westernhagen, der – anders als angekündigt – gar nicht über seine Karriere sprach, sondern ebenfalls zum Kriegsgeschehen, zu seinem Treffen mit Wladimir Putin und seiner früheren Freundschaft mit Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) Stellung nahm. Theo Koll, Helene Bubrowski und Stefan Aust erklärten, kommentierten und diskutierten die Themen der Woche. Darunter die Wahl in Berlin und die Personalie Hans-Georg Maaßen.

Die Gäste

Carlo Masala: Der Militärexperte hat in Deutschland durch den Ukraine-Krieg einen Paradigmenwechsel beobachtet. Die Leute hätten realisiert, dass Deutschland "keine große Schweiz sein" könne, die sich auf den Wohlstand konzentriert und aus allem raushält.
Das Land habe stattdessen Verantwortung, sich zu engagieren, und gegebenenfalls auch durch Waffenlieferungen Flagge zu zeigen. "Jetzt wird realisiert, dass Europa nicht die Insel der Glückseligen ist."
Den blutigen Kampf um Bachmut nannte Masala einen "Fleischwolf für beide Seiten", die Frühjahrsoffensive der Russen habe schon längst begonnen. Sie sei vorgezogen worden, weil die Nato-Staaten die Panzerallianz angekündigt haben und weil die Wetterbedingungen jetzt besser als im Frühling sind, wenn wieder Schlamm erwartet wird.

Rüdiger von Fritsch: Dem früheren deutschen Botschafter in Moskau tut es um die Opfer in der Ukraine leid, aber auch für Russland und seine Menschen hat er hat immer noch große Sympathien. "Hier nimmt ein Mann sein ganzes Land in Geiselhaft", sagte der Diplomat. Putin setze "auf den Gewöhnungseffekt des Krieges in seiner Kriegsdiktatur". Von Fritsch übte außerdem scharfe Kritik an dem von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer unterstützten Friedensmanifest. Es beschreibe nicht die Realität: Die Atommacht USA habe gegen Vietnam verloren, die Atommacht Sowjetunion habe gegen Afghanistan verloren, sagte Fritsch. In dem Manifest wird unter anderem wegen einer möglichen atomaren Eskalation der Stopp von Waffenlieferungen und die Aufnahme von Friedensverhandlungen gefordert.

Theo Koll: Der ZDF-Journalist äußerte sich über die Berlin-Wahl und die heftige Wahlschlappe der SPD. "Es ist nicht ausgeschlossen, dass sie gegangen wird von ihrer Partei", sagte er über die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey. Die SPD-Frau müsse letztlich ein Wahlergebnis ausbaden, dass sie in Teilen nicht zu verantworten habe. Denn Giffey habe Beschlüsse ihres eher linken Landesverbands umsetzen müssen, "obwohl sie viel rechter" sei als die Landes-SPD. Für die Fortsetzung der rot-rot-grünen Koalition spreche in seinen Augen, dass die SPD keinen strategischen Grund hat, "sich als Juniorpartner unter der CDU einzuordnen".

Helene Bubrowski: Für die FAZ-Korrespondentin könne die Dreier-Koalition in Berlin, in der alle drei Parteien verloren haben, nicht einfach so tun, als wäre nichts gewesen. Ein großes Problem: Rot-Rot-Grün habe so getan, als sei Berlin eine Mischung aus Mitte und Kreuzberg. Die gesperrte Friedrichstraße und das Gendern seien dort große Themen gewesen. "Aber der Rest von Berlin hatte andere Themen". Dass CDU-Chef Friedrich Merz seiner Partei mit der "Kleine-Paschas"-Bemerkung über die Silvesterkrawalle in Berlin nicht geschadet hat, erklärte sie so: Merz habe bei vielen Menschen "einen Punkt gemacht", weil er etwas ausgesprochen hat im Bereich Migration, das manche als "Klartext reden" verstehen.

Stefan Aust: Der Publizist und Welt-Herausgeber verdarb allen AfD-Wählern mit dieser Aussage den Abend. "Wer AfD wählt, wählt am Ende Rot-Grün", behauptete Aust. Die zehn Prozent der AfD würden nämlich der CDU fehlen. Das schwache Ergebnis der FDP, die seit der Regierungsübernahme im Bund bei allen Landtagswahlen verloren hat, erklärte Aust so: Ihr Problem sei es, dass sie eine Politik vertreten muss, "für die sie die Wähler nicht gewählt haben". SPD und Grüne machen nur in Ausnahmefällen die Politik der FDP mit.

Marius Müller-Westernhagen: Der Musiker nahm kein Blatt vor den Mund. Er hält im Ukraine-Krieg "beide Seiten für verrückt". Bei den USA sieht er "nicht so das wahnsinnige Interesse, diesen Krieg zu beenden." Da werde Geld verdient und die USA hätten die Europäer "wieder an der Leine", sagte er.
Westernhagen stellte zugleich klar, dass er Russland als Aggressor sieht und was er von Putin hält. Der habe ihm bei einem Treffen vor vielen Jahren regelrecht Angst gemacht. "Wenn der dich verschwinden lassen möchte, wird es möglich sein", sagte der Musiker. Zudem übte der "Freiheit"-Sänger Medien-Schelte. "Was mich ankotzt, ist auf einmal diese Kriegseuphorie, die hier auch manchmal in den Medien herrscht". Das Ziel müsse es sein, möglichst schnell das Töten von Menschen zu beenden. Westernhagen unterscheidet dabei nicht zwischen ukrainischen und russischen Opfern, stellte er klar.

Das war der Moment des Abends

Es war zweifellos eine der Szenen des Talkabends, als sich Carlo Masala über das Friedensmanifest echauffierte. "Dieses Manifest ist Ausdruck eines übelsten Nationalpazifismus", schimpfte der Militärexperte. "Zu sagen, der Angegriffene darf sich nicht mehr verteidigen, das ist Zynismus pur."

Während auch Helene Bubrowski die Unterzeichner scharf kritisierte ("merkwürdige Ansammlung"), verteidigte Stefan Aust das Ansinnen der Initiative. Es sei wichtig und richtig, sich über den Frieden Gedanken zu machen. "Jeden, der das tut, in die Ecke des Kremlpropagandisten zu drängen, finde ich ein bisschen übertrieben."

Das war das Rededuell des Abends

Helene Bubrowski machte sich leidenschaftlich für den Parteiausschluss des früheren Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen aus der CDU stark. Auch Theo Koll fand Maaßens möglichen Rauswurf richtig. Wieder gab Stefan Aust den Spielverderber: "Aus dem einen Rassisten und Antisemiten zu machen, finde ich reichlich übertrieben", gab der Welt-Herausgeber zu Bedenken.

Bubrowksi blieb dabei. Sie sagte, es sei unstrittig, dass sich Maaßen mit seinen Bemerkungen zum "Great Reset" und der "rot-grünen Rassenlehre" rechter und antisemitischer Codeworte bediene. "Wir sollten ihn nicht zum Waisenknaben machen." Punktsieg für Bubrowski.

Das ist das Fazit

Rüdiger von Fritsch wagte eine Prognose, wie es in Russland mit Wladimir Putin weitergehen könnte. Die fiel im Hinblick auf das Kriegsgeschehen nicht rosig aus. "Die Macht Putins in Russland ist unangefochten", sagte der Diplomat. Einen Massenaufstand gegen den Kreml-Herrscher könne er sich nicht vorstellen, eher könnte das Militär aufbegehren, "wenn es in der Ukraine nicht gut ausgeht". Hinsichtlich möglicher Friedensgespräche wünscht er sich mehr Initiative von den Vereinten Nationen. "Wo ist denn der Uno-Generalsekretär?"

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Für Helene Bubrowski – das war auch als Appell an die Manifest-Unterschreiber gedacht – steht eines fest: "Wir dürfen nicht entscheiden, dass die Ukraine verhandelt." Das müsse das Land selbst entscheiden.

Stefan Aust warnte vor der Gefahr, dass der Krieg weiter ausgeweitet wird "Das ist eine Atommacht", sagte er über Russland. Keiner könne wissen, was sie tun, wenn sie mit dem Rücken zur Wand stehen. "Ich wäre da nicht so sicher, dass sie das nicht machen würden." Er befürchtet eine Reaktion, falls Russland die Krim verlieren sollte: "Die ultimative Erniedrigung kann Leute gefährlich machen".

Die Krim-Frage bewertete Carlo Masala ganz anders: "Wenn Russland befürchten muss, dass es die Krim verliert, dann kann das zu einem Umdenken in Moskau führen". Mit Umdenken meinte er die Bereitschaft zum Frieden. Eines ist für Masala allerdings völlig inakzeptabel: Dass Russland die Anerkennung der Annexion der vier Regionen im Süden des Landes als Bedingung für Friedensgespräche nennt. "Das kann die Ukraine nicht akzeptieren". Ein Friedensschluss scheint aktuell noch ganz weit weg.

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