Ein ZDF-Journalist ließ bei Maischberger kein gutes Haar an der Wahlkampfführung von Olaf Scholz. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst warf dem SPD-Politiker vor, "billige Punkte" zu machen. Nur ein Gast verteidigte den Amtsinhaber, der endlich mal Emotionen zeige.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Thomas Fritz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die CDU stellt ihr neues Wahlprogramm vor, mit dem sie die SPD von Bundeskanzler Olaf Scholz ablösen möchte. Welche Pläne verfolgt die CDU für Deutschland und wie sollen diese umgesetzt werden? Und wie will Scholz das Ruder im Wahlkampf noch einmal herumreißen? Zuletzt hatten sich die gegenseitigen Vorwürfe und Schuldzuweisungen zwischen Scholz und Merz deutlich verschärft. Besonders die höhnischen Bemerkungen des Kanzlers gegenüber dem CDU-Chef analysierten die Gäste bei Sandra Maischberger ausführlich.

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Das waren die Gäste

Hendrik Wüst: Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen (CDU) konterte Kritik an hohen Ausgaben im CDU-Wahlprogramm mit dem Hinweis, dass Wachstum geschaffen werden müsse. Dafür brauche es erste Impulse, die Geld kosten. Durch mehr Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum sowie weniger Ausgaben für Bürgergeld würde die Rechnung am Ende aufgehen, so Wüsts Kalkül.

Die Ablehnung einer schwarz-grünen Koalition im Bund durch Bayern konterte Wüst mit dem Verweis auf erfolgreiche Bündnisse in anderen Bundesländern. Wüst warf Kanzler Olaf Scholz vor, mit der Verhohnepiepelung des Namens von Friedrich Merz ("Fritze Merz") "billige Punkte zu machen". Es gehöre auch zur Verantwortung eines Amtes, mal auf die Bremse zu treten. Eine künftige Kanzlerkandidatur schloss Wüst nicht aus: "Warum soll ich das ausschließen? Das wäre doch Quatsch, das glaubt mir doch kein Mensch."

Sebastian Kurz: Der ehemalige österreichische Bundeskanzler und Unternehmer war in der Flüchtlingskrise einer der Gegenspieler von Angela Merkels Politik der offenen Grenzen. Dennoch sprach er sehr respektvoll von der Altkanzlerin. Kurz kritisierte die rückblickende Besserwisserei, was die engen wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland angeht. Der Grund für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands und Österreichs seien stabile und relativ niedrige Energiepreise gewesen und damit auch Gas aus Russland. "So zu tun, als sei das alles unmoralisch gewesen", stört den 38-Jährigen. Auch die Ukraine habe von Transitzahlungen für russisches Gas profitiert und selbst russisches Gas bezogen.

Theo Koll: Der langjährige Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios fand das Feiern von Olaf Scholz nach der verlorenen Vertrauensfrage im Bundestag "nicht angemessen". Für ihn ist das Ausdruck einer "moralisch-kulturellen Ebbe". Im Ukraine-Krieg sprach sich Koll für eine Politik der Stärke gegenüber Russland aus – nur das hätten Diktatoren wie Wladimir Putin ganz oft in der Geschichte verstanden, so Kroll.

Ann-Kathrin Hipp: Die Tagesspiegel-Journalistin hätte sich gewünscht, dass Scholz etwas mehr reflektiert, was in den letzten drei Jahren in der Ampel passiert ist, und nicht gleich in den Wahlkampfmodus übergeht und "seine Marktplatzsprüche" im Bundestag platziert. Das Vorgehen in der Ukraine sollten die Unterstützer des Landes "in erster Linie von der Ukraine aus denken". Und nicht daran ausrichten, was Wladimir Putin machen könnte.

Gregor Peter Schmitz: Auch der Chefredakteur des Sterns warf Kanzler Scholz vor, dass er "zur Selbstkritik nicht in der Lage gewesen ist in den letzten Jahren". Nur so könne er aber auch den Wahlkampf führen. "Es muss eine gewisse Autosuggestion dabei sein." Die Provokationen gegen Friedrich Merz haben aus Sicht von Schmitz ein bisschen funktioniert. Scholz wolle als der Stoische erscheinen, der schon lange im Geschäft sei und ausgebufft wirke, während er Merz als unerfahren und unbeherrscht darstellen wolle.

Das war der Moment des Abends

Dieser Vorwurf von Theo Koll hatte es in sich. Anlass war Scholz' Beschimpfung von CDU-Chef Friedrich Merz in einer Schalte aus dem Kanzleramt im "Heute Journal" am Montag ("Fritze Merz erzählt gern Tünkram"). Mit dem plattdeutschen Begriff bezichtigte er Merz der Lüge. "Olaf Scholz bekleidet derzeit eine Doppelrolle als Kanzler und Wahlkämpfer. Er muss aufpassen, dass er die Kanzlerschaft nicht missbraucht", warnte der Journalist. "Er hat das ganze Instrumentarium eines Kanzlers. Er hat die Wucht, Kanzler zu sein. Er bespielt internationale Termine, lässt sich aus dem Kanzleramt schalten und steigt dann auf das Niveau eines Wahlkämpfers. Und da müsste er sich eigentlich bremsen. Er missbraucht seine Funktion."

Das war das Rededuell des Abends

Ann-Kathrin Hipp war der Meinung, dass sich die Leute im Wahlkampf für Inhalte und nicht für Demütigungen oder Beleidigungen interessieren. Für sie wirkt der Fritze-Merz-Spruch von Scholz wie politisches Kabarett. Den Gegensatz zwischen dem gern zitierten Respekt, den der Kanzler immer für gewisse Bevölkerungsgruppen einfordert, und dem eigenen respektlosen Handeln, findet Hipp offensichtlich.

Dem widersprach Stern-Chefredakteur Schmitz. Vorher habe es immer Kritik gegeben, dass Scholz keine Emotionen zeige, und jetzt, wo er harte Bandagen anlegt, sei es einigen auch nicht recht. "Wenn er noch etwas reißen will, muss er aus sich herausgehen", betonte Schmitz.

So hat sich Sandra Maischberger geschlagen

Ein unaufgeregter Auftritt der Gastgeberin, die Hendrik Wüst nach langem Vorlauf seine Ambitionen aufs Kanzleramt entlockte. Kleiner Patzer: Kurz vor Wüsts Vorstellung als Gast sprach sie noch über den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, als ihr der Kugelschreiber aus der Hand rutschte und herunterfiel. "Da fällt der schwarze Stift runter, wenn ich über Söder reden will", kommentierte Maischberger amüsiert. Und einmal nervös geworden, kündigte sie Wüst als Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg an. Fehler bemerkt, Fehler sofort korrigiert.

Das ist das Fazit

Was blieb nach 75 Minuten Maischberger am Dienstag? Vor allem der souveräne Auftritt von Hendrik Wüst, der auch bei den kommenden Wahlen im Februar 2025 schon ein würdiger Kanzlerkandidat der Union gewesen wäre. Der 49-Jährige liegt in den Umfragen derzeit bei 41 Prozent. "Und das in NRW", wie er stolz betonte. NRW? War das nicht immer das Stammland der SPD? Genau. Aber dort krebst die Kanzlerpartei auch wegen Wüst derzeit bei nur 16 Prozent herum.

Wüst lief an allen Bananenschalen, die ihm Sandra Maischberger hinwarf, souverän vorbei. Über den bayerischen CSU-Ministerpräsidenten Markus Söder verlor er kein böses Wort – trotz dessen Störfeuer in Sachen Schwarz-Grün. Auch seine früheren Differenzen mit Friedrich Merz stellte Wüst völlig überzeugend als erledigt dar. Anfang des Jahres hatte Wüst in einem Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" Merz indirekt kritisiert, sodass dieser sogar über den Rücktritt als CDU-Chef nachgedacht haben soll. Heute ist das nur noch eine Anekdote. Wüst würde Merz sogar eine zehnjährige Kanzlerschaft wünschen, das sei "gut für das Land".

Könnte man sich so viel Fairness auch von Friedrich Merz vorstellen, wenn er sich hinter Wüst hätte einreihen müssen? Eher schwer. Das beantwortet nicht die Frage, wer der bessere Kanzler wäre. Aber wer charakterlich wahrscheinlich besser für die Härten und Enttäuschungen in so einem Amt geeignet ist, schon. Da war von Markus Söder, der 2021 den Wahlkampf von CDU-Chef Armin Laschet torpediert hatte und jetzt mit seinem Schwarz-Grün-Bashing schon wieder querschieß, noch gar nicht die Rede. Der künftige Schattenkanzler der Union heißt Wüst.

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