Karl-Theodor zu Guttenberg erklärte in der Talkshow von Sandra Maischberger, warum er ein Politik-Comeback kategorisch ausschließt. Der frühere Verteidigungsminister konnte sich die eine oder andere Spitze gegen alte Weggefährten nicht verkneifen.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Thomas Fritz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Ex-Verteidigungsminister Guttenberg spricht über seinen Rückzug aus der Politik, währenddessen erwartet eine Ukraine-Expertin ein ganz schweres nächstes Kriegsjahr für Kiew. Und ein Journalist spekulierte über eine Zukunft Deutschlands als Atommacht.

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Das war das Thema

Deutschland steckt mitten in einer Rezession und auch die Welt ist im Krisenmodus: Sandra Maischberger sprach mit ihren Gästen darüber, ob die Bundeswehr für künftige Herausforderungen ausreichend gerüstet ist. Großes Thema war auch der Stand bei der Gegenoffensive der Ukraine gegen Russland. Zwei Expertinnen gaben Einblicke, wie die Lage in dem nun eineinhalb Jahre währenden Krieg weitergehen könnte.

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Das waren die Gäste

  • Anja Kohl: Die ARD-Moderatorin bemängelte, dass Deutschland viele Probleme (Ausbau der Erneuerbaren, Steuerreform) lange Jahre nicht angepackt hat. "Das rächt sich jetzt." Vor allem der Mittelstand sei durch Strompreise und Steuern überproportional belastet. Eine Arbeitspflicht, wie von manchen nun als Ausgleich für die Erhöhung des Bürgergeldes gefordert, sehe Kohl kritisch: "Man löst ja damit die Problematik nicht." Und meinte damit schlecht ausgebildete Langzeitarbeitslose, die die Qualifikationen für den Arbeitsmarkt oft nicht haben. Dennoch müsse die Regierung aufpassen, dass der Anreiz zu arbeiten nicht zu klein werde.
  • Dagmar Rosenfeld: Die Journalistin der "Welt am Sonntag" schwang sich überraschenderweise zur Verteidigerin der Ampel-Regierung auf. Sie habe Deutschland, obwohl das russische Gas weggebrochen ist, "gut durch den Winter bekommen" und beispielsweise den Klimawandel deutlicher adressiert als die Vorgängerregierungen. Rosenfeld sprach sich zudem dafür aus, den Rückhalt in der Gesellschaft für die Bundeswehr und die notwendige Wehrtüchtigkeit zu erhöhen. Sie fände es daher "sehr richtig", einen Veteranentag wie in den USA oder anderen Ländern einzuführen.
  • Hajo Schumacher: Der Journalist und Autor kritisierte den CDU-Politiker Jens Spahn für seine Forderung nach einer Arbeitspflicht ("Macht 'ne billige Schlagzeile"). Später überraschte Schumacher durch eine gewagte These. Wie könnte ein Europa ohne den Schutz der US-Atomwaffen aussehen? Etwa für den Fall, dass Donald Trump erneut Präsident wird und die Nato aus Europa zurückzieht. Deutschland müsse dann womöglich ein "Tabu brechen" und nicht nur darüber nachdenken, wie wir die Atomwaffen anderer Länder hier lagern, so Schumacher. "Oder werden wir da selbst tätig werden?" Das sollte wohl heißen: Deutschland könnte angesichts einer veränderten Weltlage selbst Atommacht werden.
  • Karl-Theodor zu Guttenberg: Der Bundesverteidigungsminister a.D. (2009-2011) legte einen bemerkenswerten Auftritt hin. KTG rechnete knallhart mit dem Spitzenpolitikbetrieb ab. "Ich konnte nicht mehr, ich war platt geschossen", gab der ehemalige CSU-Politiker zu. Er sei körperlich und irgendwann auch geistig ein Wrack gewesen. Sein Fazit: "In diesen Laden kehre ich nie wieder zurück". Das Problem sei, dass man 90 Prozent mit anderen Dingen zu tun habe als mit der Arbeit an Sachthemen: "Intrigen-Abwehr" oder langwierige Gremiensitzungen.
    Guttenberg machte sich auch über seinen Hang zur Selbstinszenierung lustig: Maischberger zeigte die Bilder. Guttenberg mit Sonnenbrille und hervorgestrecktem Kinn in Afghanistan, Guttenberg mit ausgestreckten Armen auf dem Times Square in New York. Eitelkeit "hatte ich eine Überdosis bereits im Leben", gab er zu.
    Die Abschaffung der Wehrpflicht, die manchen Konservativen heute als Kardinalfehler gilt, erklärte er mit dem völlig anderen Zeitgeist der Jahre 2009/2010 und dem strengen Sparvorhaben des damaligen Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble (CDU). Er habe nicht an den Auslandseinsätzen und der Ausrüstung der Soldaten sparen wollen, daher die Entscheidung für die Abschaffung. Guttenberg glaubt aus Kostengründen nicht, dass sie wieder eingeführt wird. Viel Lob äußerte er über seinen Amtsnachfolger Boris Pistorius (SPD). Mit dem Begriff "Kriegstüchtigkeit" habe der SPD-Mann Recht. Man könne diesen Begriff durchaus benutzen, angesichts der Kriege in oder nahe an Europa.
    Spannend war auch, was der Ex-Minister über ehemalige Weggefährten sagte. Markus Söder? Es sei gut, dass er nicht als Kanzler angetreten ist. Angela Merkel? Habe durch ihre "Ruhe, die sie ausgestrahlt hat" einige Großkrisen in Deutschland und Europa gut gemeistert. Der chinesische Staatspräsident Xi (damals als Vizepräsident unter anderem für Außenpolitik zuständig)? War jemand, "der mit absoluter Wonne das Protokoll gebrochen hat" und mit dem man auch über Persönliches sprechen konnte. Er würde ihn heute nicht wiedererkennen.
  • Ina Ruck: Die Leiterin des ARD-Studios in Moskau berichtete, dass sich Russland auf einen langen, zermürbenden Krieg in der Ukraine einstelle. Es sei gar keine neue Mobilisierung nötig, denn genügend Russen melden sich freiwillig. Die Mehrheit trage diesen Krieg mit. "Es gibt eine breite Unterstützung." In einem persönlichen Eingeständnis gab Ruck zu, dass sie sich durch den Ukraine-Krieg und den Verlust vieler Freunde, teils durch Auswanderung, teils aus politischen Gründen, von Russland entfremdet hat. Sie würde das Land heute nicht mehr als ihre zweite Heimat bezeichnen.
  • Claudia Major: Die Militärexpertin würde nicht sagen, dass die ukrainische Gegenoffensive gescheitert ist. "Es gab durchaus Erfolge, aber der große Durchbruch, der ist nicht gelungen." Der Westen würde nur so viele Waffen liefern, dass die Ukraine stehen, aber Russland nicht zurückdrängen kann. Die Chancen, dass die Ukraine künftig an Waffen bekommt, was sie will, bewertete die Expertin als gering. Trotzdem plädiert sie weiterhin nicht für Verhandlungen mit Russland. Die Ukraine als souveräner Staat müsse das selbst entscheiden.
Hajo Schumacher, Dagmar Rosenfeld, Anja Kohl und Sandra Maischberger
Auch Hajo Schumacher (Kolumnist und Autor, v.l.n.r.), Dagmar Rosenfeld (Chefredakteurin der Welt am Sonntag) und Anja Kohl (ARD-Börsenexpertin) waren zu Gast bei Sandra Maischberger. © WDR/Oliver Ziebe

Das war der Moment des Abends

Karl-Theodor zu Guttenberg berichtete von den Geburtstagswünschen, die ihn aus der Parteizentrale der CSU erreicht hätten. Nicht der bayerische Ministerpräsident Marks Söder persönlich habe ihm gratuliert "sondern wahrscheinlich ein Algorithmus aus der Partei", berichtete Guttenberg herzlich lachend. Als Geschenk habe es einen Fünf-Euro-Gutschein für den CSU-Fanshop gegeben – "aber Mindestbestellwert 20 Euro".

So hat sich Sandra Maischberger geschlagen

War es angesichts der immensen menschlichen Verluste auf beiden Seiten des Ukraine-Krieges und der festgefahrenen Lage an der Front ein Fehler, nicht früher in Verhandlungen einzusteigen? Bei dieser Frage, die immer aktueller wird, je länger die blutigen Kämpfe andauern, hätte die Gastgeberin Claudia Major auch etwas härter in die Mangel nehmen können. Lob bekam Maischberger von Anja Kohl für eine Frage nach den Folgen für die Bundeswehr, sollten weitere Waffen an die Ukraine geliefert werden. "Wenn wir mehr liefern, sind wir nicht mehr verteidigungsfähig?", wollte die Gastgeberin wissen. Mit dieser kaputt gesparten Bundeswehr seien wir es wohl schon jetzt nur mit Hilfe anderer Staaten, urteilte auch Ex-Minister Guttenberg.

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Das ist das Fazit

Wie schlimm steht es nun um Deutschland angesichts der teilweise miesen wirtschaftlichen Zahlen? Anja Kohl bemühte sich, die Stimmung nicht noch schlechter zu machen als sie ist. Die Bezeichnung Deutschlands als "kranker Mann Europas" fand sie völlig überzogen. Man dürfe eine Krise nicht herbei reden. Sie zählte große Unternehmen auf, die längst wieder fette Gewinne machen.

Pessimistischer war die Journalistin außenpolitisch. "Trump wird gar nicht daran denken, die Ukraine noch zu unterstützen", sagte sie ein wahrscheinliches Szenario für den Sieg des Ex-Präsidenten bei der Wahl 2024 voraus. Genau das dürfte auch das russische Kalkül sein. "Russland hat es gar nicht nötig zu verhandeln", befand Ina Ruck. "Es läuft ja gut für Russland" So zynisch das klingen man, das Land setze darauf, dass der Ukraine "die Menschen und die Waffen des Westens ausgehen." Claudia Major befürchtet daher, dass 2024 "für die Ukraine ein extrem hartes Jahr werden" wird.

Bei allen negativen Szenarien, die die Gäste am Dienstagabend bei Maischberger verbreiteten, war es gleichzeitig eine der unterhaltsameren Ausgaben der Talkshow in diesem Jahr. Was vor allem am Auftritt von Karl-Theodor zu Guttenberg lag. Der Mann hat einen hohen Unterhaltungswert, Charisma und auch inhaltlich etwas zu sagen. Eine seltene Mischung (in der Spitzenpolitik). Der nächste Kanzler würde beim heutigen Stand der Umfragen Friedrich Merz heißen. "Ein guter Mann?", wollte Maischberger wissen. "Inhaltlich schon", sagte Guttenberg und schmunzelte. Das sollte heißen: Aber wirklich nur inhaltlich.

Verwendete Quelle:

  • ARD: Sendung "Sandra Maischberger " vom 14.11.2023
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