Der Bundestagswahlkampf ist schon in vollem Gange: CDU-Chef Friedrich Merz stattete am Mittwoch Sandra Maischberger einen Besuch ab. Dabei überraschte, wie hart er Christian Lindner und die FDP anging.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Thomas Fritz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich in einer Fragerunde im Bundestag am Mittwoch ungewohnt angriffslustig. Wie würde sich CDU-Chef Friedrich Merz am Abend bei Sandra Maischberger schlagen? Auch zum umstrittenen Ampel-Papier der FDP bezog der Kanzlerkandidat der Union Stellung.

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Ein weiteres großes Thema war der Krieg in der Ukraine. Im dritten Kriegswinter befindet sich das Land immer weiter in der Defensive. Bald wird Donald Trump als neuer US-Präsident vereidigt. Was bedeutet das für die Ukraine und die Unterstützung durch Deutschland?

Das waren die Gäste

Friedrich Merz: Der CDU-Parteichef vermied anders als früher eine klare Aussage zur Lieferung des deutschen Marschflugkörpers Taurus, sollte er Bundeskanzler werden. Merz will sich diesbezüglich europäisch abstimmen – wobei Frankreich und Großbritannien ihre weitreichenden Raketensysteme bereits liefern, wie Maischberger feststellt.

Merz schloss jedenfalls aus, dass deutsche Soldaten in der Ukraine an Taurus ausbilden. Mit diesen etwas vorsichtigeren Aussagen adressierte er wohl indirekt auch die Kritik von Olaf Scholz, der Merz in dieser Frage als Risiko für die Sicherheit Deutschlands darstellt.
Dagegen erteilte Merz einer Koalition mit den Grünen erneut keine Absage.

Das Nein der CSU zur Ökopartei stehe "nirgendwo geschrieben", erklärte Merz. Schließlich gab er zu, dass er sich in politischen Fragen keinen Rat von Altkanzlerin Angela Merkel holt. Außerdem störe es ihn nicht, dass seine alte Rivalin ihn im Wahlkampf mit wenig enthusiastischen Botschaften unterstützt.

Andrij Melnyk: Der Ex-Botschafter der Ukraine in Deutschland sieht die Situation in der Ukraine derzeit in der "schwierigsten Phase seit Kriegsbeginn". Seit Anfang des Jahres habe sein Land eine Fläche so groß wie das Saarland an Russland verloren.

Auch wenn es ihn schmerzt, schloss Melnyk es nicht aus, dass die Ukraine bei einem Friedensschluss Gebiete im Osten des Landes vorerst nicht von Russland zurückbekommen könnte. Von Deutschland und Europa forderte er mehr Engagement und einen eigenständigen Kurs, da Donald Trump im Januar ins Weiße Haus zurückkehren wird.

Giovanni di Lorenzo: Der Chefredakteur der Wochenzeitung "Die Zeit" nannte die Art und Weise, wie die FDP mit den Enthüllungen um ihren Ampel-Ausstiegsplan ("D-Day-Papier") umgeht, "tragisch". Es gebe "glaubhafte Hinweise", dass FDP-Chef Christian Lindner dieses Papier selbst in Auftrag gegeben haben soll.

Das öffentliche Leugnen zahle wieder auf das Konto von Menschen ein, für die die Parteien "nicht glaubwürdig" seien. Das Verhalten der FDP-Spitze bediene viele Vorurteile, so di Lorenzo.

Dagmar Rosenfeld: Die Herausgeberin von Media Pioneer findet es schade, dass aufgrund der Enthüllungen um das FDP-Papier das inhaltliche Scheitern der Ampel gar nicht mehr besprochen wird. Für Rosenfeld sind dessen ungeachtet noch Fragen offen: "Wann wusste Christian Lindner von diesem Papier?" Sie fordert, dass die FDP die offenen Fragen beantwortet.

Laura Kipfelsberger: Die freie Journalistin ist sicher, dass durch den Umgang der FDP mit den Enthüllungen das Ansehen der Politik Schaden nimmt. Sie hält es sogar für gefährlich, dass "auf offener Bühne gelogen wird". Dennoch ist das politische Klima in Deutschland laut Kipfelsberger in dieser Hinsicht noch weit von den USA entfernt.

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Das war der Moment des Abends

"Wir sollten in Deutschland ein klein bisschen mehr Milei oder Musk wagen", hatte Christian Lindner am Sonntag im ARD-Talk bei Caren Miosga gesagt. An diesen schmeichelnden Worten für den rechtspopulistischen, argentinischen Präsidenten und den Trump-Freund ließ Merz kein gutes Haar.

"Ich bin ehrlich gesagt völlig entsetzt gewesen, dass Christian Lindner diesen Vergleich gemacht hat", sagte der Kanzlerkandidat der Union. "Was dieser Präsident dort macht, ruiniert das Land, tritt die Menschen mit den Füßen. Das als Beispiel für Deutschland zu nehmen, hat mich einigermaßen sprachlos gemacht – und das passiert bei mir nicht so häufig."

Später bezeichnete er den Begriff D-Day für das interne FDP-Papier als "einigermaßen geschmacklos". Volle Breitseite für die Liberalen – das war von Friedrich Merz nicht unbedingt zu erwarten gewesen.

Das war das Rededuell des Abends

Für Laura Kipfelsberger ist FDP-Chef Christian Lindner nach den Enthüllungen des D-Day-Papiers schon jetzt "nicht mehr zu halten". Sie legte dem Oberliberalen den Rücktritt nahe. "Ich finde, dass die One-Man-Show von Christian Lindner zu einem Ende kommen sollte."

Di Lorenzo sah das etwas nüchterner. Tatsächlich könne die FDP auf Lindner derzeit nicht verzichten. Zumal es keinen geeigneten Nachfolger als Vorsitzenden gebe und die Wahl vor der Tür steht.

So hat sich Sandra Maischberger geschlagen

Die Gastgeberin versuchte, Merz an seinen Schwachstellen einige Fallen zu stellen. Als sie fragte, ob Merz ein gleichermaßen weiblich und männlich besetztes Regierungskabinett bilden würde, sagte Merz, in seinem Kabinett würde es nach "richtig guter fachlicher Expertise gehen".

Dafür gab es kräftigen Applaus aus dem Publikum. Maischberger antwortete schlagfertig: "Das schließt dann alle CSU-Verkehrsminister aus, oder?" Da musste selbst der CDU-Chef lachen. Bei Maischbergers Bemerkung zu seiner relativen Unbeliebtheit bei Frauen und insbesondere jungen Frauen verwies Merz auf die guten Umfragewerte der Union und stritt ab, dass seine Werte bei Frauen so schlecht seien.

Aufschlussreich war, wie Maischberger sein schwieriges Verhältnis zu Angela Merkel herausarbeitete. Von menschlicher Größe zeugt es jedenfalls nicht, die langjährige Kanzlerin aufgrund persönlicher Differenzen nicht als Ratgeberin in Anspruch zu nehmen.

Das ist das Fazit

Im Vergleich zum angriffslustigen Auftritt von Olaf Scholz im Bundestag präsentierte sich Friedrich Merz bei Sandra Maischberger fast so, als habe er die Bundestagswahl schon gewonnen. Lieber nicht so viel ins Risiko gehen. Nur gegen die FDP und ihren Parteichef Christian Lindner teilte Merz so richtig aus.

War das etwa schon ein Fingerzeig Richtung künftiger Koalitionspartner? Hat Merz die FDP, die aktuell den Einzug in den Bundestag verpassen würde, schon abgeschrieben? Auffällig war jedenfalls, dass er nicht mal gegenüber dem grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck ein wirklich böses Wort verlor. Die Grünen sind ein denkbarer Partner für die Union nach der Bundestagswahl im Februar. Die andere Option wäre eine Große Koalition mit der SPD.

Vor so einer Koalition der "großen Kompromisse" warnte Laura Kipfelsberger. Wichtige Reformvorhaben könnten so erneut ausgebremst werden. Für Friedrich Merz wird es am Ende zweitrangig sein, mit welchem Partner er sich seinen großen Traum vom Kanzleramt erfüllt. Etwas Vorteilhaftes konnte sogar Angela Merkel kürzlich über ihren alten Rivalen sagen: Er besitzt den unbedingten Willen zur Macht, den man als Kanzler braucht.

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