• Die Parteien der Ampel-Koalition diskutieren über den Bundeshaushalt für das kommende Jahr.
  • Verteidigungsminister Pistorius will einen höheren Wehretat, die Grünen wollen die Kindergrundsicherung durchsetzen.
  • Die FDP wiederum pocht auf das Einhalten der Schuldenbremse. Die finanziellen Spielräume sind gering.

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Mehr als 420 Milliarden Euro will die Bundesregierung im kommenden Jahr 2024 ausgeben. Das klingt nach unendlich viel Geld – doch die Summe ist offenbar nicht groß genug, um alle Pläne und Vorhaben der Koalition zu finanzieren.

Überall wird Geld gebraucht, erst recht seit dem russischen Krieg gegen die Ukraine und der von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufenen Zeitenwende: für die Sanierung und den Bau von Verkehrswegen, für die Unterbringung von Geflüchteten, für den Ausbau der Erneuerbaren Energien, für die Abfederung der Inflation, auch für die Aus- und Aufrüstung der Bundeswehr. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will gleichzeitig in Zukunft keine Sondertöpfe mehr schaffen, sondern sich an die Haushaltsdisziplin und einen liberalen Grundsatz halten: Es wird nur so viel verteilt, wie erwirtschaftet wird. Lindners Ministerium arbeitet gerade am Bundeshaushalt für das Jahr 2024. Hinter und vor den Kulissen ringen SPD, Grüne und FDP deshalb hart um die Frage: Wo setzt die Ampel-Koalition ihre Prioritäten?

Pistorius fordert zehn Milliarden Euro mehr für Wehretat

Der neue Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zum Beispiel will den Haushalt für die Bundeswehr aufstocken. Im Bundeshaushalt 2023 umfasst der Verteidigungsetat rund 50 Milliarden Euro. Pistorius will im nächsten Jahr zehn Milliarden Euro mehr ausgeben. "Weil wir sonst die Aufgaben nicht wahrnehmen können, die es 30 Jahre nicht wahrzunehmen galt", sagte er im Bericht aus Berlin.

Das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro, das die Ampel-Koalition zusätzlich zum regulären Haushalt im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht hat, reicht aus seiner Sicht nicht aus, um die Bundeswehr zukunftstauglich zu machen. Die Bundesregierung hat sich auf das Ziel der Nato verpflichtet, zwei Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. Zudem fehlt es der Bundeswehr nach eigenen Angaben an Munition im Wert von 20 bis 30 Milliarden Euro.

Grüne pochen auf Kindergrundsicherung

Die Grünen wollen dagegen andere Prioritäten setzen: Sie dringen auf die Einführung der Kindergrundsicherung, die die Ampel-Parteien in ihrem Koalitionsvertrag verabredet haben. "Äußere Sicherheit gibt es nur mit innerem Zusammenhalt – und inneren Zusammenhalt gibt es nur mit guter Sozialpolitik", sagte die Parteivorsitzende Ricarda Lang am Montag.

Die Kindergrundsicherung ist ein zentrales sozialpolitisches Projekt der Koalition, vor allem für die grüne Bundesfamilienministerin Lisa Paus. Verschiedene Sozialleistungen für Familien mit Kindern sollen darin gebündelt werden: zum Beispiel das Kindergeld und der Kinderzuschlag für einkommensschwache Haushalte. Sie soll außerdem leichter zu beantragen sein – sodass mehr Familien als bisher davon profitieren. SPD und Grüne erhoffen sich davon, Kinderarmut besser zu bekämpfen. In ihrer Heimatstadt Gelsenkirchen seien 42 Prozent aller Kinder von Armut betroffen, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, am Mittwoch. Das sei für ein Land wie Deutschland "vollkommen inakzeptabel".

Das bringt Mehrkosten für den Haushalt mit sich. Das Familienministerium rechnet mit einem zusätzlichen Bedarf von 11 bis 13 Milliarden Euro. Bundesfinanzminister Lindner sieht dafür bisher aber offenbar keinen Spielraum. Das Finanzministerium blockiere die Einführung, berichtete Mitte Februar das Portal "Business Insider".

"Meilenstein" oder Verwaltungsreform?

"Die Kindergrundsicherung wird Geld kosten. Die Kindergrundsicherung wird kommen, dann müssen wir sie auch finanzieren", sagte dagegen Ricarda Lang am Montag. "Den Kampf gegen Kinderarmut gibt es nicht zum Nulltarif."

Unterstützung erhalten die Grünen unter anderem vom Deutschen Städtetag. Die Koalition müsse den Streit beilegen und das Projekt auf den Weg bringen, sagte der Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Die neue Kindergrundsicherung sollte ein Meilenstein gegen Kinderarmut werden. Nun muss die Ampel den Knoten durchschlagen, damit das neue System bis 2025 kommen kann." Ähnlich äußerte sich Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.

In der FDP dagegen würde man das Wort "Meilenstein" wohl nicht benutzen. Die Kindergrundsicherung sei in erster Linie eine "Reform der Sozialverwaltung", sagt FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai gegenüber unserer Redaktion. "Sie kann ein Erfolgsprojekt dieser Koalition werden, wenn es gelingt, den Bürokratie- und Leistungsdschungel des bestehenden Systems zu lichten und sicherzustellen, dass das Geld überhaupt bei den Kindern und den Familien ankommen kann." Wichtige Verwaltungsfragen habe das von den Grünen geführte Familienministerium aber noch immer nicht beantwortet.

Bundeshaushalt 2024: Esken erwartet schwierige Verhandlungen

Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) hat sich dafür ausgesprochen, die Kindergrundsicherung wie verabredet in dieser Legislaturperiode einzuführen. Auch SPD-Chefin Saskia Esken bezeichnete sie am Montag als "Kernprogramm" der Ampel. "Wir werden uns gemeinsam daran begeben, sie umzusetzen."

Allerdings räumte Esken auch ein, dass schwierige Haushaltsverhandlungen anstehen. Selbst ihr Parteifreund Bundesverteidigungsminister Pistorius sagte im Bericht aus Berlin: "Wir dürfen militärische Notwendigkeiten, die es wieder neu gibt, nicht ausspielen gegen wichtige, ganz wichtige, für den sozialen Frieden wichtige soziale Projekte." Kompromisse müssten nun her.

Diese zu finden, wird aber offenbar immer schwieriger. Das zeigt auch der bissige Briefwechsel zwischen dem liberalen Finanzminister Lindner und dem grünen Vizekanzler Robert Habeck. Einerseits warten weitere Reformvorhaben auf ihre Umsetzung: etwa ein "Startchancen-Programm" für bessere Bildungschancen von benachteiligten Kindern oder eine Pflegereform. Andererseits sind die finanziellen Räume gering. Einem Bericht der "Zeit" (Bezahlinhalt) zufolge muss der Bund nach Berechnungen des Finanzministeriums 30 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr einsparen.

Lindner jedenfalls will auf keinen Fall mehr Schulden aufnehmen, das bekräftigte er auf Twitter: Die Zinslast des Bundes sei seit 2021 bereits von vier auf 14 Milliarden Euro gestiegen. "Die Schuldenbremse einzuhalten, ist daher ökonomisch weise", schrieb er. Für den Koalitionsausschuss an diesem Mittwoch, bei dem die Spitzen der drei Ampel-Parteien Lösungen für hartnäckige Probleme finden müssen, dürfte es jedenfalls viel Gesprächsbedarf geben.

Verwendete Quellen:

  • Stellungnahme von Bijan Djir-Sarai (FDP)
  • Agence France Presse (afp)
  • bundeshaushalt.de
  • businessinsider.de: Streit um Kindergrundsicherung: Finanzminister Lindner lehnt Elf-Milliarden-Plan von Familienministerin Paus ab
  • rnd.de: Kindergrundsicherung: Kommunen fordern "echten Systemwechsel"
  • tagesschau.de: Pistorius verteidigt höheren Wehretat
  • zeit.de: Ampelkoalition: Kriegst du nicht, Alter!
  • Twitter-Account von Christian Lindner
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