Kim Kardashian wird auf der OMR-Messe in Hamburg sein, für ganze 40 Minuten. Immerhin: Jeremy Fragrance bleibt wohl ein paar Stunden. Ansonsten lief es für FC-Bayern-Fans diese Woche super - ganz im Gegensatz zu Heinz Hoenig.

Marie von den Benken
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Marie von den Benken dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Eine gute Woche für Fans des FC Bayern. Mit Roger Schmidt und Pep Guardiola haben nur zwei bekannte Fußballlehrer den Trainerjob an der einst legendären Säbener Straße abgelehnt und man hat am Samstag ausnahmsweise mal nicht gegen einen deutlich schwächer eingestuften Gegner verloren, sondern gegen den frisch gebackenen Champions-League-Teilnehmer VfB Stuttgart.

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Die Strafe folgt auf dem Fuß, das kennt Fußballdeutschland spätestens nach der 5:2 Klatsche, die der BVB den Bayern im Pokalfinale 2012 zugefügt hatte. Danach wurde Uli Hoeneß sauer und verpflichtete kurz darauf mit Mario Götze, Mats Hummels und Robert Lewandowski das Herzstück der Dortmunder. Es ist also davon auszugehen, dass diesen Sommer Spieler wie Chris Führig, Maximilian Mittelstädt, Serhou Guirassy oder Enzo Millot zum Rekordmeister wechseln werden. In einer Ahnenreihe mit Tobias Rau, Jan Kirchhoff, Jan-Fiete Arp und Jan Schlaudraff werden Führig dann hinter Coman, Mittelstädt hinter Guerreiro, Guirassy hinter Kane und Milliot hinter Musiala zweieinhalb Jahre auf der Bank versauern und dann als katastrophales Minusgeschäft zu Arminia Bielefeld wechseln.

Deutlich weniger gut läuft die Woche für Schauspiel-Legende Heinz Hoenig. Der aus zahlreichen Dieter-Wedel-Produktionen wie "Der Große Bellheim" bekannte Kult-Schauspieler benötigt dringend eine Herz-OP, ist aber offenbar nicht krankenversichert. 90.000 Euro will die behandelnde Klinik als Mindestvorschuss, um sich der Gesundheit von Heinz Hoenig anzunehmen. 20.000 davon hat bereits der Heinz Hoenig der Nuschelbrigade, Til Schweiger, in Aussicht gestellt. Der Rest soll über einen Spendenaufruf finanziert werden.

Hoenig hat in seiner Karriere mit jeweils mehr als 50 Kino- und TV-Filmen über die Jahre ordentlich verdient und erst Anfang des Jahres bei einem legendären Schnarch-Auftritt im "Dschungelcamp" noch mal ordentlich Ablasskohle nachgeschoben – für das Begleichen der extrem gestiegenen Kosten der Krankenversicherung reichte es dennoch nicht.

OMR – Das S steht für Stars

Keine ernsthaften Probleme mit Krankenversicherungen sind dagegen bei Kim Kardashian zu vermuten. Aber auch die polarisierende, nun ja, mega-prominente Milliardärin hat so ihre Probleme. Diese Woche wurde bekannt: Für einen Auftritt nur wenige Stunden nach der MET-Gala in New York hat sie für die WTF-Gala in Hamburg zugesagt.

Ein logistisches Meisterwerk für die … ja, was ist Kim Kardashian eigentlich? Hochrangig superprominent auf jeden Fall. Nach Sexvideos, Ehen mit Kanye West, Zickenkriegen mit Taylor Swift und atemberaubend erfolgreichen Reality-Shows kassiert sie nämlich mal eben 700.000 Euro plus Spesen von mehr als 300.000 Euro für Luxussuiten, Entourage, Privatjet und ähnliches für einen 24-Stunden-Trip mit essenziellen Reiseannehmlichkeiten für einen 40-minütigen Auftritt auf der OMR, Deutschlands achtwichtigster Digitalmesse.

Mehr als eine Million Euro für 40 Minuten, das ist ein ordentlicher Stundensatz. Dafür muss selbst ein Cristiano Ronaldo rund 3 Minuten arbeiten. Ein gutes jedoch hat der millionenschwere Auftritt der finanziell etwas schlechter gestellten Schwester von Khloe Kardashian: Die aus den Marketingabteilungen der zukunftsträchtigsten Mittelständischen Unternehmen des Landes eilig angereisten Marketingleiter wissen jetzt endlich, warum sie knapp 900 Euro Eintritt für etwas bezahlen, das sich nach vielversprechenden Startjahren mittlerweile im Grunde zu einem Selfie-Festival mit mittelinteressanten Influencern entwickelt hat.

Etwa 1.200 Besucher, die das teuerste Festivalticket erwerben, kommen also nur, um Kim Kardashian zu finanzieren. Bei knapp 72.000 Besuchern aber verschmerzbar. Das sind immerhin knapp 87 Prozent der Zuschauer, die Borussia Dortmund alle 14 Tage im Westfalenstadion begrüßt – und die OMR spielt nicht mal Champions League. Durchaus beachtlich also, dass Kim Kardashian kommt. Um in der Fußballprofianalogie zu bleiben: Das ist in etwa so, als würde der FC St. Pauli als ersten Neuzugang für die kommende Saison Kylian Mbappé vorstellen. Da würde sich die Nation auch fragen: Was will der da? Wie können die den finanzieren? Und was werden die Fans sagen?

In Memoriam Jeremy Fragrance

Für die OMR, die im vergangenen Jahr ihren bisherigen Höhepunkt erreichte, als Marketing-Guru und Digitalexperte Jeremy Fragrance, die Kim Kardashian der bundesdeutschen Duftstoffbranche, in einem vielzitierten Legenden-Auftritt erklärte, er könne es sich "sehr leicht machen, ich könnte pro Tag fünf Mädels ficken, ich könnte euch alle verarschen", ist die Verpflichtung Kardashians ein Sensations-Coup. Mit 364 Millionen Followern allein auf Instagram hat die "Keeping up with the Kardashians"-Reality-Queen immerhin deutlich mehr Follower als alle knapp 65.000 Besucher der OMR zusammen, die regulär ein Ticket erwerben müssen, um an den Werbefestspielen für TikTok-Creators teilzunehmen. Nach Cathy Hummels, Lena Gercke oder "Mrs. Bella" endlich auch mal internationales Flair.

Und sie hat weniger Skandale als Fragrance im Gepäck. Dass sie dem frenetisch ausrastenden Gästekader erklären wird, wie viele Männer sie heute noch flachlegen könnte, davon ist nicht auszugehen. Vor Jahresfrist wurde der, naja, Auftritt von Jeremy Parfum von Medien und Journalisten flächendeckend als absoluter Tiefpunkt der deutschen Messegeschichte eingeordnet.

Thomas Koch sprach in der "Wirtschafts Woche" von "Fremdscham", der "intellektuell schwer zu verkraften" sei. Frank Behrendt ordnete den OMR-Auftritt des Parfum-Beeinflussers so ein: "Was für eine Hohlbirne, was für ein Buzzword-Bingo in Endlosschleife. Kann man nicht zu Ende schauen, zu unerträglich." Das Publikum im Saal war da weniger kritisch und feierte den Sexismus-Anfall mit Jubelorgien ab. Ist aber auch nachvollziehbar. Für einen Ticketpreis, für den viele Studenten ein halbes Jahr ihre Miete zahlen könnten, hat man den Anspruch auf Euphorie ja wohl miterworben. Kritisches Publikum auf einer Online-Messe für Westentaschen-Marketinggenies? Was kommt als Nächstes? Tierschutzbeauftragte bei Tönnies-Fleisch?

Da hat sich die OMR (das S steht für seriös) mit Kim Kardashian natürlich ein eindeutiges Update ins Haus geholt, auch wenn sie nur 40 Minuten auf der Bühne stehen und dann im Privatjet wieder abrauschen wird. Fragrance hatte sich im Backstagebereich wenigstens noch ein paar Stullen eingepackt. Dass Kardashian stolz lächelnd mit Rechtsradikalen posiert, so wie Fragrance, ist hinsichtlich ihrer kognitiven Ausstattung zwar nicht auszuschließen, aber angesichts ihrer zahlreichen PR-Berater wohl eher unwahrscheinlich. Also wird sie auch ihre Reality-Show nicht verlieren, so wie Fragrance.

Alles in allem kann man also unterstellen: Kim Kardashian ist der größte Star, der jemals bei der OMR aufgetreten ist (knapp hinter Diana zur Löwen) und bringt sogar ein wenig 90er-Jahre "Wetten, dass.. ?"-Vibes in die Messehallen Hamburg: Kurz aus den USA einfliegen, nett in die Kameras winken, ein paar selbstpromotende Sätze aufsagen und dann noch während der laufenden Sendung wieder in den Jet nach Hause steigen. Eine CO2-Bilanz wie ein chinesisches Kohlekraftwerk zwar, aber da ist ja auch kein S für Sustainability in OMR, sondern nur ein R für Reichweite.

Messe Mafia

Wenn der Kardashian-Kurztrip zur großen Werbebranchen-Selbstbeweihräucherungs-Instagramstoryparty ein Erfolg wird, wird die OMR 2025 eventuell sogar noch mutiger, greift noch tiefer in die Tasche und lässt für 20 Millionen Euro Taylor Swift einfliegen. Die könnte dann den inoffiziellen OMR-Titelsong ("You Need To Calm Down") performen und in ihrem Vortrag erläutern, warum man nicht zwangsläufig einen Podcast benötigt, um Weltstar zu werden. Bis dahin muss sich das ordentlich zur Kasse gebetene Expertenpublikum dieses Jahr aber erstmal mit sogenannten Speakern zufriedengeben, die noch nicht ganz an Taylor Swift heranreichen können.

Marketing-Messias Bastian Schweinsteiger etwa wird darüber berichten, wie man Chronometer seines Sponsoringpartners geschickt in Livesendungen beim ÖRR einschmuggelt. Robert Habeck wird erläutern, warum Wärmepumpen mehr Follower als Kim Kardashian hätten, wenn es die FDP nicht gäbe. Als Gegenrede wird Christian Lindner darüber sprechen, warum es okay ist, als Bundesminister kritische Stimmen auf Social Media einfach wegzublocken.

Dann gibt es noch die Vorträge von Oliver Bierhoff ("Wie fahre ich mehrere Weltmeisterschaften in Serie an die Wand"), Lena Gercke ("Wie wird man Lena Gercke"), Gregor Gysi ("Warum Russland gar nicht der Böse ist"), Karl Theodor zu Guttenberg ("Doktorarbeiten im Zeitalter von KI"), Vanessa Mai ("Die Mai ist gekommen"), Bettina Schausten ("Welches belastende Material hat Richard David Precht gegen Markus Lanz in der Hand?"), Kai Pflaume ("Der Thorsten Legat für Fans mit mehr als Hauptschulabschluss"), Bausa ("Was du Liebe nennst"), Kai Gniffke ("Antisemitismus in der ARD – warum nicht?"), Markus Lanz ("False Balancing – Von Profis lernen"), Rezo ("Meine WG mit Philipp Amthor"), Oliver Petszokat ("Wer war Oli P.?"), Stefano Zarrella ("Berufswunsch Promibruder"), Steven Gätjen ("Bin nur hier, weil ich mal ohne Joko & Klaas auf der Bühne stehen wollte") oder Tokio Hotel ("Einer von uns war im Bett mit Heidi Klum").

Letztes Jahr war noch Benjamin von Stuckrad-Barre dabei. Scheint dieses Jahr verhindert, der TAFKAP (The Artist Formerly Known as Popliterat). Vermutlich arbeitet er an seinem neuen Enthüllungsroman über Igor Levit "Noch Bach?". Und da hört der Skandal noch nicht auf: Auch mein Themenvorschlag "OMR – Warum eigentlich?" wurde überraschenderweise abgelehnt.

Trotz dieser beiden herben Aderlasse für das Central Stage Line Up ist der Keynote-Kader für das 2024er Mate-Tee-Trainingscamp absolut einzigartig. Würde man alle prominenten Speaker übereinanderstapeln, reichte der OMR-Promiturm bis zur Venus. Also, dem Planeten, nicht der Konkurrenzmesse. Wem dafür 900 Euro zu viel sind, dem ist wirklich nicht zu helfen. Was bekommt man denn heute sonst noch für 900 Euro? Drei Liter Olivenöl im Biomarkt vielleicht, danke Merkel. Wir sehen uns also in Hamburg auf der OMR. Wer ein Autogramm möchte: Ich trage mein "Ohne Jeremy Fragrance ist der Bums hier doch ein Totentanz"-T-Shirt. Bis dann!

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