Ein bisschen kompliziert ist es ja schon und aktuell vor allen Dingen kaum planbar. Die anstehende Reform aller drei Europapokal-Wettbewerbe – also der Champions League, der Europa League und der Conference League – eröffnet gut der Hälfte aller Bundesligaklubs ein paar ungeahnte Möglichkeiten.
Weil die Uefa die Zahl der Teilnehmer an den drei Wettbewerben um jeweils vier auf dann 36 erhöht, könnten sich in dieser Saison gleich acht deutsche Mannschaften für einen der drei Wettbewerbe qualifizieren.
Abhängig ist die genaue Anzahl vom Ausgang des DFB-Pokalfinales und dem Endresultat in der Wertung des sogenannten Klubkoeffizienten, womit im besten Fall fünf deutsche Champions-League-Teilnehmer sowie zwei Europa-League- und ein Conference-League-Teilnehmer möglich wären.
Das heißt im Umkehrschluss, dass das Rennen um die internationalen Plätze, besonders für die lukrative Europa League, wohl bis zum letzten Spieltag nicht nur spannend, sondern komplett offen sein dürfte. Weil sich aktuell gleich fünf Mannschaften berechtigte Hoffnungen auf einen Startplatz machen können. Schon die Plätze sechs und sieben könnten für eine Teilnahme reichen…
Eintracht Frankfurt (Platz 6, 42 Punkte, 43:36 Tore)
Die Eintracht spielt eine eher durchwachsene Saison, hat sichtlich mit dem mittelgroßen Umbruch zu kämpfen. Und trotzdem allerbeste Chancen, erneut in einen europäischen Wettbewerb einzuziehen. Mit der Königsklasse dürfte das bei elf Punkten Rückstand sechs Spieltage vor Schluss auf Dortmund und Leipzig wohl nichts mehr werden, das Ticket für die Europa League haben die Frankfurter derzeit aber noch fest in der Hand.
Am letzten Spieltag reichte sogar das wenig erquickliche 1:1 gegen Werder Bremen, um den Vorsprung auf die direkten Kontrahenten auszubauen. Aber: Zu den spielerischen Problemen gesellen sich in der Schlussphase der Saison auch immer mehr personelle.
Fast eine halbe Mannschaft fällt wegen Verletzungen oder Sperren aus, Trainer Dino Toppmöller wird auch in den letzten Partien ziemlich improvisieren müssen. Dazu kommt das mit Abstand schwerste Restprogramm aller Kandidaten: Stuttgart (A), Augsburg (H), Bayern (A), Leverkusen (H), Gladbach (A) und Leipzig (H) heißen die letzten sechs Gegner.
Prognose: Noch sieht es gut aus für die Eintracht bei sechs Punkten Vorsprung. Aber die Leistungen zuletzt, die Verletzten und das Restprogramm sind gefährliche Zutaten, die die Europa League noch gefährden können.
FC Augsburg (Platz 7, 36 Punkte, 45:46 Tore)
Der FCA hat sich unter Jess Thorup von einem Abstiegskandidaten zu einem ernsthaften Anwärter auf die internationalen Plätze entwickelt. Zwar gab es am Wochenende in Hoffenheim einen herben Rückschlag, trotzdem machen die Augsburger unter den möglichen Kandidaten wohl den stabilsten Eindruck.
Trainer Thorup hat dem FCA einen frischen, mutigen und offensiven Fußball verschrieben, den seine Mannschaft in der Rückrunde auch ganz hervorragend umsetzt. Da belegen die Augsburger in der Tabelle immerhin Platz fünf, noch vor den Bayern oder Frankfurt. Besonders das Sturm-Duo Ermedin Demirovic (15 Tore) und Philip Tietz (sieben Tore) sticht dabei hervor.
Der FCA hat einen Lauf, kaum personelle Probleme und absolut nichts zu verlieren. Das erste Saisonziel "Klassenerhalt" ist praktisch so gut wie erreicht, jetzt kommt die Kür. Allerdings haben es auch die letzten drei Spiele im Mai in sich, wenn es nacheinander gegen Dortmund (A), Stuttgart (H) und Leverkusen (A) geht.
Prognose: Der FCA mag immer noch wenig sexy daherkommen. Der deutliche Aufwärtstrend unter Jess Thorup und eine gewisse Unbekümmertheit machen die Augsburger aber zu einem echten Wettbewerber zumindest um Platz sieben.
1899 Hoffenheim (Platz 8, 36 Punkte, 48:53 Tore)
Die Kraichgauer gehen als großer Gewinner des vergangenen Spieltags hervor und sind wieder mittendrin im Kampf um die Europa League - nach zuvor drei zum Teil richtig herben oder unglücklichen Niederlagen in Folge.
Pellegrino Matarazzos Team kann sich auf seine funktionierende Offensive verlassen, in der neben Top-Scorer Maximilian Beier (13 Tore und sieben Assists) auch Routinier Andrej Kramaric gerade rechtzeitig zum Saisonendspurt wieder aufdreht.
Ein großes Problem bleibt trotz des stets zuverlässigen Torhüters Oliver Baumann aber die Defensive. 53 Gegentore nach 28 Spielen sind deutlich zu viele für die Hoffenheimer Ambitionen, in den letzten 24 Spielen gab es immer mindestens einen Gegentreffer.
Hoffenheim hat bis auf Leipzig und die Bayern die dicken Brocken schon weg, spielt dazu auch noch gegen Mainz, Gladbach, Bochum und Darmstadt. Das klingt zumindest einigermaßen machbar.
Prognose: Hoffenheim ist eine Wundertüte, in der Offensive stark, defensiv aber auch besonders anfällig. Das gute Restprogramm könnte den Kraichgauern in die Karten spielen, die schlechte Tordifferenz (minus 7) aber auch noch zum Faktor werden. Platz sieben sollte das Ziel sein.
SC Freiburg (Platz 9, 36 Punkte, 40:52 Tore)
Freiburgs Saison bleibt ein stetes Auf und Ab. Nach dem verheerenden Februar gab es im März einen Aufwärtstrend - um dann am letzten Wochenende zu Hause gegen Leipzig den nächsten heftigen Rückschlag zu erleiden.
Die fehlende Konstanz in den Leistungen ist ein massives Problem. Die Defensive bricht viel zu oft gleich komplett in sich zusammen und offensiv bleibt zwar die fast schon traditionelle Standardstärke, aus dem freien Spiel tut sich Freiburg aber immer noch sehr schwer. Das Torverhältnis (minus 12) ist ein weiterer Malus.
Die Hoffnung, Christian Streich auf den letzten Metern seiner Amtszeit mit der Qualifikation für einen internationalen Wettbewerb zu verabschieden, ist aber immer noch da. Unter anderem auch deshalb, weil die Freiburger im Vergleich zur Konkurrenz mittlerweile erfahren genug ist in diesen engen Konstellationen gegen Ende einer Saison.
Und weil das Restprogramm zumindest auf dem Papier eindeutig für den SCF sprechen dürfte. Mit Darmstadt, Mainz, Wolfsburg, Köln, Heidenheim und Union warten nur noch Gegner aus der unteren Tabellenhälfte…
Prognose: Seine Probleme wird der Sportclub wohl nicht mehr loswerden. Aber: Die Breisgauer haben in den letzten Jahren in Europa Blut geleckt und schon oft genug bewiesen, dass sie plötzlich wieder neue Energie entwickeln können. Selbst Platz sechs ist trotz des Rückstands auf Frankfurt keine Utopie.
1. FC Heidenheim (Platz 10, 33 Punkte, 41:49 Tore)
Es ist nicht nur der Sensationssieg gegen die Bayern, der Heidenheim in den Kreis der Europa-Anwärter spült - sondern die unglaubliche Widerstandskraft des Underdogs und seine Fähigkeit, auch größte Hürden zu meistern: mit harter Arbeit, Fleiß und der bemerkenswerten Akribie ihres Trainers Frank Schmidt.
Heidenheim hat sein großes Saisonziel fast schon erreicht, zehn Punkte beträgt der Vorsprung auf Relegationsrang 16. Die knifflige Phase mit sechs Spielen ohne Sieg wurde mit dem spektakulären 3:3 in Stuttgart offenbar überwunden, der Erfolg gegen die Bayern beschert Heidenheim nun sogar Außenseiterchancen im Kampf um Europa. Und Torjäger Tim Kleindienst läuft so richtig heiß.
Zwar geht der FCH mit den schlechtesten Voraussetzungen ins Rennen, Platz sechs dürfte fast unerreichbar sein. Aber: Die Heidenheimer haben schon oft genug gezeigt, dass nichts unmöglich ist! Schmidt hat fast seinen kompletten Kader zur Verfügung und die fitteste Mannschaft der Liga am Start, dazu kommt ein vernünftiges Restprogramm mit Spielen gegen Bochum, Leipzig, Darmstadt, Mainz, Freiburg und Köln.
Prognose: Heidenheim in der Bundesliga konnte sich niemand so recht vorstellen, geschafft haben sie es trotzdem. Und so könnte das auch im Kampf um die Europa League laufen. Heidenheim hat noch immer den Klassenerhalt im Blick, jeder weitere Sieg könnte soeben aber schon ein Sieg für Europa werden. Zuzutrauen wäre es der Überraschungsmannschaft der Liga allemal.
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