Russland überzieht die Ukraine seit Tagen verstärkt mit Raketen- und Drohnenangriffen. In Deutschland pochen CDU und CSU auf die Lieferung des Lenkflugkörpers Taurus an die Ukraine. Doch die Bundesregierung lehnt das ab.

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Zerstörte Wohngebäude und Versorgungsleitungen, Dutzende getötete Zivilisten, Tausende Menschen in Luftschutzkellern: Russland hat seinen Luftkrieg gegen die Ukraine um den Jahreswechsel massiv ausgeweitet. Seit vergangenem Freitag hat die Ukraine rund 500 Angriffe mit Raketen und Drohnen aus Russland gezählt.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba bittet die internationale Gemeinschaft daher erneut dringend um Unterstützung: Der russische Präsident Putin eskaliere den Krieg gegen die Ukraine. Sein Land brauche jetzt zusätzliche Luftverteidigung, Munition, Kampfdrohnen – und weitreichende Flugkörper, schrieb Kuleba am Dienstag beim Kurznachrichtendienst X. Damit kann sich auch Deutschland angesprochen fühlen. Denn mit dem Lenkflugkörper Taurus verfügt die Bundeswehr über ein besonders weitreichendes Waffensystem.

Johann Wadephul (CDU): "Die Sache ist jetzt noch drängender geworden"

Deutschland ist inzwischen der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine, wenn es um Militärhilfe geht. Trotzdem stellt sich die Frage, ob die aktuellen Waffenlieferungen noch ausreichen, damit das Land den massiven Angriffen standhalten kann.

Die CDU/CSU-Opposition im Bundestag fordert seit Monaten die Lieferung des Lenkflugkörpers Taurus an die Ukraine. "Die Sache ist jetzt noch drängender geworden", sagt Johann Wadephul, stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag, im Gespräch mit unserer Redaktion.

Taurus ist der Bundeswehr zufolge einer der modernsten Flugkörper der Luftwaffe und besitzt eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern. Der Sprengkopf soll in der Lage sein, sogar Bunker zu zerstören. "Die Ukraine hätte damit die Möglichkeit, Nachschublinien auch weit hinter der feindlichen Linie zu treffen. Russland wäre dann gezwungen, Führungszentralen und Munitionslager nach hinten zu verlegen", sagt Wadephul. "Das wäre schnelle und praktische Hilfe, die Deutschland jetzt leisten könnte."

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Bundeskanzler gegen Taurus-Lieferung

Die Bundesregierung lehnt die Lieferung allerdings ab – in erster Linie soll der Bundeskanzler höchstpersönlich Bedenken haben. Olaf Scholz befürchtet offenbar, dass ein Geschoss aus Deutschland auf russischem Territorium landen könnte. Die Ukraine hat auch in den vergangenen Tagen wieder die Region um die russische Stadt Belgorod beschossen. Dabei sollen nach russischen Angaben auch 24 Zivilisten gestorben sein.

Zwar haben die USA, Frankreich und Großbritannien bereits ähnliche Waffensysteme geliefert. Allerdings hätten die britischen Storm-Shadow-Raketen und die amerikanischen ATACMS eine geringere Reichweite als Taurus, sagte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius Ende November im Bundestag.

CDU-Außenpolitiker Johann Wadephul sieht in der großen Reichweite dagegen kein Problem. "Russland hat diesen Krieg angefangen – warum sollte Russland einseitig verlangen dürfen, dass er nur auf ukrainischem Territorium stattfindet?", sagt er. "Ich vertraue aber auch darauf, dass die Ukraine mit Taurus nicht tief in russisches Gebiet zielen würde."

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Die Bundesregierung betont, dass Deutschland auf einem anderen Gebiet die Ukraine bereits massiv unterstütze: bei der Luftverteidigung. So wurde der aktuellen Liste zufolge 52 Flugabwehrkanonenpanzer Gepard sowie die Luftverteidigungssysteme Patriot und Iris-T an die Ukraine geliefert. Wofür sie nötig sind, hat sich in den vergangenen Tagen bei der Abwehr der massiven russischen Luftangriffe gezeigt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte am Dienstag in einer Videobotschaft, jedes zusätzliche Luftverteidigungssystem rette Leben.

Allerdings ist der Verteidigungskampf auch eine Abnutzungsschlacht. Russland verfolgt offenbar das Ziel, die Flugabwehr der Ukraine durch die massiven Angriffe zu überfordern. Wie schnell das Waffenmaterial in diesem Krieg verschleißt, zeigt auch das Beispiel der deutschen Leopard-Panzer, von denen offenbar nur noch wenige derzeit einsatzbereit sind. "Am wichtigsten ist es, die gelieferten Waffensysteme instand zu halten", sagt CDU-Politiker Johann Wadephul daher.

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Der Faktor Munition

In einem sind sich die Union und die Ampelkoalition einig: Die Ukraine braucht dringend Nachschub an Munition. Auch dort ruckelt es allerdings. Die Nato-Staaten haben im Frühjahr die Lieferung von einer Million Artilleriegeschossen des Standardkalibers 155 Millimeter zugesagt. Angekommen ist davon bisher nur ein Drittel.

Deutschland müsse zunächst die eigene Produktion erhöhen, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Hellmich im Dezember im Gespräch mit unserer Redaktion. "Das geht nicht so einfach, wie es vielleicht klingt. Eine neue Produktionsstraße aufzubauen, ist eine industrielle Herausforderung."

Auch CDU-Politiker Wadephul pocht auf das Hochfahren der Munitionsproduktion. "Das ist nicht nur im Interesse der Ukraine, sondern auch in unserem eigenen", sagt er. "Munition ist in jedem Krieg ein entscheidender Faktor."

Verwendete Quellen

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