Der Streit zwischen Angela Merkel und Manuela Schwesig geht bei "Maybrit Illner" in die Verlängerung – in Abwesenheit der Kanzlerin. Schwesig kritisiert die Fehler bei der Impfstoff-Beschaffung scharf, Merkels rechte Hand Helge Braun beschwichtigt und gibt ein Versprechen ab.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Bartlau dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Hoffentlich hat Angela Merkel nicht "Maybrit Illner" eingeschaltet am Donnerstagabend – falls doch, hat sie ein Déjà-Vu der unerfreulichen Sorte erlebt. Am Dienstag hatte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig die Kanzlerin schon zur Weißglut getrieben. "Das lasse ich mir nicht anhängen, Frau Schwesig, dass ich Kinder quäle und Arbeitnehmerrechte missachte", soll Merkel erbost gesagt haben.

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Bei "Illner" legt Schwesig nach, diesmal in Sachen Impfung. Gemeinsam mit dem streitlustigen Publizisten Sascha Lobo nimmt sie Merkels rechte Hand Helge Braun in die Mangel – der verspricht derweil vor Millionenpublikum, dass der Impfengpass in spätestens acht Wochen behoben ist.

Das ist das Thema bei "Maybrit Illner":

"Eine gute und eine schlechte" Nachricht kündigt Maybrit Illner zu Beginn der Sendung an: Einerseits werde der Lockdown länger dauern, andererseits werde er nicht viel strenger ausfallen. Ganz schön optimistisch, denn ein zu laxer Lockdown könnte uns auch in den nächsten Wochen auf die Füße fallen. Was also tun? Darüber diskutiert Illner mit ihrer Runde unter dem Titel: "Impfen, Masken, Mutationen – droht der Endlos-Shutdown?"

Das sind die Gäste:

  • "Verunsicherung und Wut" spürt Spiegel-Kolumnist Sascha Lobo in der Bevölkerung, besonders die "Inkonsistenz" der Maßnahmen mache die Leute "rasend": "Bis vor 48 Stunden war jeder Kinderspaziergang härter reguliert als die Büros der Republik."
  • "Das Bundeskanzleramt hat sich auf Schulen eingeschossen, besser wäre, die Arbeitswelt anzusteuern", meint Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Es könne nicht sein, dass für Kinder klare Regeln gelten, aber in den Fabriken nicht.
  • Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) erinnert daran, warum der Lockdown verlängert wurde: "Wenn sich die Virusmutation durchsetzt, wird es mit der Kontrolle schwierig. Es ist wichtig, die Zahlen schnell zu reduzieren."
  • Die Fokussierung auf ein Datum wie den 14. Februar als Ende des Lockdowns hält Virologin Melanie Brinkmann für kontraproduktiv - das würde nur falsche Hoffnungen wecken. Sie plädiert für "Zero Covid", also null Infektionen: "Das klingt sehr hart, aber ein langfristiges Ziel ist deutlich besser."
  • Die Medizinethikerin Christiane Woopen hält die Maßnahmen für richtig, aber nicht nachhaltig: "Im Moment setzt man auf die Senkung der Inzidenz und ein Durchhangeln bis zur Durchimpfung."
  • Diana Zimmermann, Leiterin des ZDF-Studios London, referiert Zahlen zum Fürchten: Im Oktober war die B117-Mutante in Großbritannien für ein Prozent der COVID-Erkrankungen verantwortlich. Jetzt sind es 85 Prozent. "Es ist wie eine zweite Pandemie, die auf die erste draufkommt."

Das ist der Moment des Abends:

Angela Merkel und Manuela Schwesig, diese Beziehung war eigentlich lange Jahre von gegenseitigem Respekt geprägt. Die SPD-Frau diente von 2013 bis 2017 als Familienministerin in Merkels Kabinett, dann wechselte sie in die Rolle der Landesmutter, wo sie die Kanzlerin immer mal wieder in deren Wahlkreis um Greifswald herum trifft.

In den vergangenen Wochen hat sich Schwesig aber in eine Art Gegenspielerin Merkels verwandelt – mit dem erwähnten "Kinder quälen"-Showdown am Dienstag. Die Ministerpräsidentin nutzt die Bühne bei "Illner" für eine Retourkutsche: Die Bundesländer hätten sich auf die Impfungen gut vorbereitet, aber es fehle einfach an Impfdosen – ein Fehler von Angela Merkel und Ursula von der Leyen. "Ständig stehen wir Ministerpräsidenten am Pranger", sagt Schwesig, "weil wir dieses und jenes nicht machen. Aber was am Allerwichtigsten ist, der Impfstoff, das hat nicht geklappt."

Das ist das Rede-Duell des Abends:

Quasi in Vertretung für Merkel muss Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) als Prügelknabe herhalten. Er hält die Impfung "im Grunde genommen für eine riesige Erfolgsgeschichte", weil sie so schnell entwickelt und zugelassen wurde. Die Lieferschwierigkeiten seien bald passé: "Die Phase der Knappheit dauert noch sechs bis acht Wochen, danach sind die Impfzentren voll."

"Ich bin gewohnt, dass die Politik sich lobt", entgegnet Sascha Lobo, "aber in dem Ausmaß ist das schon eine Frechheit." Die USA habe schon im Juli die ersten Kaufverträge abgeschlossen, die EU erst im Herbst, auch Israel impfe schneller - tatsächlich liegt Deutschland mit einer Impfrate von rund 1,5 Prozent im unteren Feld der Industrieländer.

"Ich bin enttäuscht, was da gelaufen ist", sekundiert Schwesig, die eine Entschuldigung fordert: "Ich würde mir wünschen, dass Jens Spahn, Ursula von der Leyen und Angela Merkel sagen: Ja, das ist schlecht gelaufen." Von Helge Braun hört sie das Bekenntnis jedenfalls nicht, der CDU-Mann beharrt darauf, dass immer klar war, dass die Impfungen schleppend anlaufen. "Wir sind nicht gescheitert, weil wir auch nichts versprochen hatten."

Schwesig lässt das nicht gelten: "Selbst die USA haben unter Trump besser und zügiger eingekauft (…) Impfen ist unser Lichtblick, und dass die EU nicht hundertprozentig darauf gesetzt hat (…), da hätte die EU mal was für die Bürger tun können."

So hat sich Maybrit Illner geschlagen:

Selbst wer mit dem einsamen Kämpfer Braun litt, muss zugeben: Teils schafft Merkels rechte Hand an diesem Abend die Holzkohle selber herbei, auf der ihn die anderen Gäste grillen können. Als perfektes Instrument bei der Kontaktnachverfolgung präsentiert Braun … tadaaaaa: die Corona-Warn-App.

"Sagen Sie jetzt nicht App", reagiert selbst die Gastgeberin entgeistert. "Uiuiuiuiuiui". Ansonsten fehlen Illner aber weder Worte noch Engagement – nur am Ende ein wenig Zeit, um auch noch das Themengebiet Schule zu diskutieren.

Das ist das Ergebnis:

Apopos App: "Ich bin ganz sicher, dass wir die Pandemie mit der App schon 2027 in den Griff bekommen", ätzt Digitalexperte Sascha Lobo, der das Problem nicht wie so viele Politiker bei der deutschen Liebe zum Datenschutz verortet. Sondern bei der Technik: "Man dachte, die App wird weiterentwickelt, wie es in der digitalen Welt normal ist."

Wieviel Potenzial noch in technologischen Ansätzen steckt, skizziert auch Medizinethikerin Christiane Woopen: Zum Einen könnte man durch massenhafte Anwendung von einfachen Tests für den Hausgebrauch viele Infizierte quasi "aussortieren". Zum Anderen gebe es Lösungen für den Arbeitsschutz, wie einen "Bieper", der Abstände misst und Infektionen nachverfolgbar macht. Mit Bieps und Pieks gegen Corona – das klingt doch gut. Aber in Wahrheit wohl zu gut, um wahr zu sein.

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