Die Sendung am Montagabend startete bereits mit einem besorgniserregenden Verdacht: "Ich fürchte, dass weitere Gespräche abgehört worden sind", sagte CDU-Frau Serap Güler. Die Runde diskutierte dann darüber, was Kriegstüchtigkeit in diesen Tagen bedeutet. Während Grünen-Politiker Hofreiter vor einem "Fest für Putin" warnte, war sich Jan van Aken (Linke) sicher, dass wir alle auf eine Masche Putin hereinfallen.

Eine Kritik
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Putin droht Europa mit Atombomben und Russland hat ein Gespräch über mögliche Taurus-Lieferungen abgehört und den Mitschnitt veröffentlicht. Darin reden vier hochrangige deutsche Luftwaffenoffiziere fast 40 Minuten lang über die Funktionsweise der Waffe und Ziele der Marschflugkörper.

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Das ist das Thema bei "Hart aber Fair"

Unter dem Titel "Aufrüsten statt Abrüsten: Muss Deutschland wirklich kriegstüchtig werden?" debattierte Louis Klamroth am Montagabend (4.3.) mit seinen Gästen über eine Rückkehr der Wehrpflicht, gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Sorge einer atomaren Eskalation. Außerdem ging es um Verhandlungen mit Putin, die Kommunikation des Kanzlers und die Absprache mit westlichen Verbündeten.

Das sind die Gäste

  • André Wüstner: Der Oberst bei der Bundeswehr sagte: "Das, was erörtert wurde, gehört zum Handwerkszeug von Offizieren – Optionen für Politik zu durchdenken, unabhängig davon, dass man damit nicht das Primat der Politik infrage stellt." Er gab über den Abhörvorfall zu: "Ich war selbst fassungslos." Bundeswehr und Politik müssten reflektieren, wie man noch sicherer kommunizieren könne. "Das hat alle noch mal in der Bundeswehr geweckt, was den Umgang mit sensiblen Daten anbelangt", so Wüstner.
  • Anton Hofreiter (Grüne): "Materiell, also inhaltlich, war in dem Gespräch nichts drin, was man als aufmerksamer Beobachter nicht schon vorher wusste", meinte Hofreiter. Wenn man richtig damit umgehe, müsse es kein großer politischer und militärischer Schaden sein. "Es kommt jetzt darauf an, dass sich insbesondere Deutschland, Frankreich und Großbritannien wieder zusammenraufen, sonst ist das ein Fest für Putin", warnte das Mitglied im Europaausschuss.
  • Serap Güler (CDU): "Es scheint so, als sei das nur die Spitze des Eisbergs", vermutete das Mitglied im Verteidigungsausschuss. "Ich würde mir wünschen, dass es ein Einzelfall ist. Ich fürchte, dass weitere Gespräche abgehört worden sind", sagte Güler. Weiter meinte die CDU-Politikerin: "Die personelle Konsequenz, die man jetzt ziehen sollte, liegt in der Person des Bundeskanzlers." Scholz bilde ein "Sicherheitsrisiko" für Deutschland.
  • Jessica Rosenthal (SPD): Die SPD-Politikerin war sich sicher: "Der Abhörskandal nimmt uns als freie Gesellschaft in den Blick und testet, wie einheitlich wir darauf reagieren." Es sei eine Chance Putin zu zeigen, dass der Westen nicht auf die hybride Kriegsführung hereinfalle. Sie forderte Balance: "Es geht darum, nicht leichtfertig über dieses, jenes und das nächste Waffensystem zu diskutieren, sondern sich immer dieser Verantwortung bewusst zu sein, die man hat – aber auf der anderen Seite auch keine Angst zu haben und zu sagen: Natürlich unterstützen wir die Ukraine."
  • Jan van Aken (Linke): "Wir fallen alle darauf rein. Heute Abend reden wir über Taurus. Ich habe keine Lust mehr, über Taurus zu reden, nur weil Putin das will", ärgerte sich van Aken über die russische Propaganda. Man befinde sich in einer Aufrüstungsspirale.
  • Otto Karasch: Der Reservist und YouTuber "OttoBulletproof" befand: "Man möchte gerne Wohlstand haben, aber möchte nicht dafür arbeiten gehen, wir hätten gerne Sicherheit und wollen mitreden, aber bloß nicht die Finger schmutzig machen." Die Bundeswehr sei kaputtgespart worden. Am Anfang seiner Laufbahn hätten er und viele seiner Kollegen 1.500 bis 2.000 Euro privat in die eigene Sicherheit investiert.
  • Daniel Untch: Der Referent für Friedensbildung der evangelischen Kirche in Hessen sagte: "Was ich erschreckend finde, ist die Leichtfertigkeit, mit der diese Debatte in Europa und auch hier bei uns in Deutschland geführt wird. Wie jetzt auf einmal die Frage einer deutschen, einer europäischen Atombombe im Raum steht, das ist erschreckend." Er wolle den Traum einer atomwaffenfreien Welt nicht aufgeben.

Das ist der Moment des Abends bei "Hart aber Fair"

Klamroth erinnerte Hofreiter an die Wurzeln seiner Partei in der Friedensbewegung. "Haben Sie mit alten Idealen brechen müssen in den letzten Jahren?", wollte der Moderator wissen. Hofreiter gab zu: "Nein, ich habe mit Irrtümern brechen müssen. Wenn ich mir anschaue, was ich 2014 erzählt habe, schäme ich mich im Rückblick, wie sehr ich mich geirrt habe über die Natur Putins, über sein Regime." In Richtung van Aken sagte er hart: "Die Sowjetunion, eine konservative Status-Quo-Macht, die kein Interesse hatte, Europa anzugreifen, zu vergleichen, mit dem imperialistischen Putin – das ist fast bizarr falsch!"

Das ist das Rede-Duell des Abends

"Hart aber fair" am Montag, 04.03.2024: Zu Gast bei Louis Klamroth sind: (v.l.n.r..) Ottogerd Karasch, André Wüstner, Serap Güler, Anton Hofreiter, Jan van Aken, Jessica Rosenthal, Daniel Untch © WDR/Dirk Borm

Van Aken forderte in der Runde, man müsse Putin endlich an den Verhandlungstisch bekommen. "Alles, was zum Ende des Krieges führen könnte, wird seit zwei Jahren nicht gemacht", kritisierte er. Hofreiter wollte das so nicht stehen lassen: "Insbesondere die Menschen in der Ukraine wünschen sich nichts so sehr, als wenn dieser Krieg endlich vorbei wäre", entgegnete er. Zu Verhandlungen würden zwei Parteien dazugehören. Der Aggressor habe deutlich gemacht, dass er kein Interesse an Verhandlungen habe und sei der Meinung, er könne seine Ziele auch auf militärischem Weg erreichen.

"Die ganzen Debatten über Waffenlieferungen finden deshalb statt, um die Ukraine so stark zu machen, dass sich auch in Putins Kopf die Nutzen-Kosten-Abwägung ändert, dass es für ihn spannender ist, zu verhandeln, als am Ende militärisch zu gewinnen", argumentierte er. Van Aken konterte: "Seit zwei Jahren sagen Sie das und seit zwei Jahren klappt es nicht!" Und auch Hofreiter reagierte noch einmal: "Weil wir die Ukraine nicht ausreichend unterstützen!"

So hat sich Louis Klamroth geschlagen

Das war unzweifelhaft eine der besten Sendungen von Louis Klamroth bei "Hart aber Fair". Ihm gelang genau die richtige Mischung aus analytischen Fragen ("Warum werden die Leaks gerade jetzt veröffentlicht?"), bissigen Fragen ("Wussten Sie, dass es so einfach ist, die Bundeswehr abzuhören?") und einfühlsamen Momenten ("Haben Sie Angst vor einem Atomwaffeneinsatz?") Und an der richtigen Stelle ließ er dann auch nicht locker: Von Güler wollte er mehrfach wissen, wie sie dazu steht, den Krieg nach Russland zu tragen.

Das ist das Ergebnis bei "Hart aber Fair"

Das war eine gehaltvolle und sehenswerte Sendung. Wichtiges Stichwort des Abends war "Balance" – die braucht es nämlich zwischen innerem und äußerem Frieden, zwischen tatkräftiger Unterstützung und sorgfältiger Überlegung sowie zwischen Abschreckung und Lösungssuche. Deutlich wurde auch: Wehrhaftigkeit ist nicht nur eine Frage der militärischen Ausstattung, sondern auch des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Verwendete Quellen

  • ARD: "Hart aber Fair" vom 04.03.2024


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Teaserbild: © WDR/Dirk Borm