Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder schlägt die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel vor. Die Idee stößt auf Zustimmung. Allerdings müssten die Produzenten und Supermarktketten mitspielen.

Eine Analyse
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Die Forderung ist nicht neu – aber sie sorgt immer wieder für Aufsehen. Dieses Mal kam der Vorstoß von der CSU: Deren Parteichef Markus Söder will die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel komplett abschaffen. "Einkaufen im Supermarkt muss wieder möglich sein. Die Leute dürfen nicht Angst haben: Kann ich mir noch das Essen leisten, diese oder nächste Woche?", sagte der bayerische Ministerpräsident bei der Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten im Kloster Andechs. Die Verbraucherpreise waren im Juni im Vergleich zum Vormonat erneut um 6,4 Prozent gestiegen.

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Forderungen schon im vergangenen Jahr

Mit der Mehrwertsteuer, auch Umsatzsteuer genannt, wird jeder Konsument beim Kauf von Waren oder Dienstleistungen belastet. Für Lebensmittel gelten bisher zwei unterschiedliche Sätze. Was mit welchem Satz besteuert wird, legt das Umsatzsteuergesetz fest.

  • Mit dem ermäßigten Satz von 7 Prozent werden die meisten Grundnahrungsmittel wie Gemüse, Obst, Fleisch, Fisch, Eier, Milch und Milchprodukte, Getreide und Backwaren besteuert.
  • Der reguläre Satz von 19 Prozent wird auf verarbeitete Getränke wie Fruchtsäfte oder Soja- und Hafermilch fällig – aber zum Beispiel auch auf Ketchup oder Süßkartoffeln.

Der Sozialverband VdK hatte die Aussetzung der Steuer auf Lebensmittel schon im April 2022 gefordert. Auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) sprach sich dafür aus – zumindest für pflanzliche Lebensmittel wie Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte. Das entlaste nicht nur die Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern fördere auch eine gesunde Ernährung, sagte er im vergangenen Jahr.

Die CSU setzt jetzt einen anderen Fokus: Söder forderte die Abschaffung der Mehrwertsteuer "nicht nur für Gemüse, nicht nur für Bio, sondern auch für Fleisch, für Fisch, für Milch".

Ähnlicher Schritt in Spanien

Inspiration könnte sich die CSU ausgerechnet bei der sozialistischen Regierung in Spanien geholt haben: Wegen der hohen Inflation hatte diese die zuvor bereits niedrige Mehrwertsteuer von vier Prozent auf Grundnahrungsmittel zu Beginn dieses Jahres komplett ausgesetzt. Unterstützen soll das gerade auch finanziell schwächere Menschen: Personen mit einem niedrigen Einkommen geben einen größeren Anteil ihres Einkommens für Produkte des täglichen Bedarfs aus.

Applaus kommt von einer für die CSU ungewohnten Seite: Der Linken-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch bewertete die Idee bei n-tv positiv. Schließlich hat seine Partei einen solchen Schritt selbst schon im Bundestag gefordert. "Ich würde mir wünschen, dass das dann auch die Praxis erreicht und die Menschen entlastet werden", sagte Bartsch. Er freue sich, wenn es eine Initiative nach der Sommerpause gebe "und das wirklich Realität werden könnte".

Söder: Steuerausfälle wären machbar

Es hat einen Grund, dass über Senkungen der Mehrwertsteuer vor allem geredet wird, die Pläne aber selten umgesetzt werden: Keine Steuer spült mehr Geld in die Staatskasse. Im Jahr 2021 brachte sie 188 Milliarden Euro ein. Und angesichts großer Herausforderungen – von der Landesverteidigung über den Klimaschutz bis zur Sozialpolitik – wird derzeit jeder Euro gebraucht.

Söder selbst geht davon aus, dass dem Staat durch seine Steuersenkungsidee zwölf Milliarden Euro an Einnahmen verloren gehen. Das findet er in diesen Zeiten "machbar". Allerdings hat er es mit dieser Forderung auch leicht: Die CSU ist auf Bundesebene in der Opposition und müsste die nötigen Kürzungen oder Umschichtungen im Bundeshaushalt nicht erklären und vermitteln. Außerdem: In Bayern wird im Oktober ein neuer Landtag gewählt. Auch vor diesem Hintergrund ist Söders Vorstoß wohl zu verstehen.

Käme die Entlastung wirklich bei den Menschen an?

Allerdings stellt sich noch eine andere Frage: Würde der Wegfall der Mehrwertsteuer wirklich über sinkende Preise bei den Menschen ankommen? Auch viele Produzenten haben mit der Inflation und dadurch mit steigenden Herstellungskosten zu kämpfen. Sie könnten ihre Produkte nach einer Steuersenkung weiterhin zum ursprünglichen Preis (inklusive Steuer) verkaufen und damit ihren Gewinn steigern. Das Gleiche gilt für die Einzelhändler und Supermarktketten.

Schon jetzt wird Unternehmen vorgeworfen, unter dem Deckmantel der Inflation die Preise stärker zu erhöhen, als es die Einkaufspreise eigentlich verlangen würden. Zu diesem Befund kam im vergangenen Dezember das Münchener Wirtschaftsforschungsinstitut ifo. Die FDP, deren Vorsitzender Christian Lindner das Bundesfinanzministerium führt, hat schon 2022 den Vorstoß für eine niedrigere Mehrwertsteuer abgelehnt - aufgrund der Zweifel, dass die Preissenkungen wirklich bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern ankommen.

Es könnte allerdings auch anders kommen: zu zumindest leicht sinkenden Lebensmittelpreisen. Hierzu gibt es ein Beispiel aus der jüngsten Geschichte. Im zweiten Halbjahr 2020 senkte der Staat die beiden Mehrwertsteuersätze von 19 auf 16 Prozent beziehungsweise von 7 auf 5 Prozent. Das sollte die Konjunktur in der Coronakrise ankurbeln. Das ifo-Institut kam im November 2020 in einer ersten Analyse zu dem Ergebnis, dass die Steuersenkung an den Supermarktkassen fast vollständig an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergegeben wurde: Im Durchschnitt seien die Preise dort um zwei Prozent gesunken.

Verwendete Quellen:

  • Deutsche Presse-Agentur (dpa)
  • ifo-Institut: Gewinninflation und Inflationsgewinner
  • Ifo-Institut: Die Preiseffekte der Mehrwertsteuersenkung in deutschen Supermärkten: Eine Analyse für mehr als 60 000 Produkte
  • n-tv.de: Dietmar Bartsch im "ntv Frühstart": "Wer nur über die AfD redet, macht etwas falsch"
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