Am Dienstag wird im Bundestag über das geschichtsträchtige Abändern der Schuldbremse sowie die milliardenschweren Sondervermögen abgestimmt. Ob am Ende der Plan der Sondierer um Union und SPD aufgeht, ist mehr als ungewiss.
Vor der entscheidenden Abstimmung am Dienstag im Bundestag über das Finanzpaket von Union und SPD haben Politikerinnen und Politiker beider Fraktionen die Abgeordneten zur Disziplin aufgefordert. "Es muss einfach morgen klappen", sagte Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) am Montag in der Sendung "Frühstart" von RTL und ntv. Sie sprach von einem auch international wichtigen Signal für die Übernahme sicherheitspolitischer Verantwortung. "Ich kann nur an alle appellieren, jetzt mitzuhelfen, dass diese wichtige Investition in unsere gemeinsame Sicherheit jetzt auch gelingt", fügte sie hinzu.
"Es wird knapp, aber es wird gehen", sagte CDU-Chef
Der SPD-Politiker
Abstimmung im Bundestag: Abweichler aus den eigenen Reihen
Dass die Aufrufe zur Geschlossenheit nicht ganz unbegründet sind, zeigen die Aussagen erster Abgeordneter, die bereits angekündigt haben, nicht im Sinne ihrer Fraktion zu stimmen. Allen voran die ehemalige rechte Hand von CDU-Chef Friedrich Merz. "Ich habe meiner Fraktion gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass ich dieser Grundgesetzänderung nicht zustimmen kann", sagte der scheidende, ehemalige CDU-Generalsekretär Mario Czaja dem Nachrichtenportal "The Pioneer". Diese sei "nicht generationengerecht, und die Begründungen, die dafür herangezogen werden, sind nicht redlich".
Auch andere CDU-Abgeordnete haben sich inzwischen geäußert. So hat laut "Pioneer" der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Willsch parteiintern angekündigt, gegen die Pakete zu stimmen. Der Unionsabgeordnete Jens Koeppen will hingegen an der Abstimmung gar nicht teilnehmen. Auf seiner Homepage schreibt er, es verbiete sich für ihn selbst, dass "die Union mit Fragmenten der gescheiterten Ampel deale".
Der CDU-Politiker Hans-Jürgen Thies ist hingegen noch unentschlossen. Es soll seinen Unmut in einem Brief an CDU-Chef Merz zum Ausdruck gebracht haben, schreibt der "Soester Anzeiger" mit Bezug auf einen "Politico"-Bericht. "Man kann nicht von mir erwarten, einen Blankoscheck auszustellen", wird er zitiert. Gegenüber dem ZDF sprach Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke sogar von weiteren Andersdenkenden. "Man zählt momentan so um die 20", so Lucke.
Ob es auch Abweichler in der SPD gibt, ist bislang noch nicht bekannt. Die Chefin der Sozialdemokraten, Saskia Esken, wolle aber die Zahl der Abweichler gering halten, sagte sie im ZDF-"Morgenmagazin". "Wir sind natürlich in Gesprächen mit denjenigen, die da Fragen haben."
Viele weitere Ausscherer sollte es aber auch nicht geben, denn selbst mit den Stimmen der Grünen sind es nur 32 Mandate Überschuss für eine Zweidrittelmehrheit. Die Fraktionsdisziplin gebietet es zwar, sich dem Willen der Fraktion anzuschließen, einen rechtlichen Fraktionszwang gibt es nicht. Dennoch sollten Abgeordnete, die eine gegenteilige Meinung haben, ihrem Fraktionsvorsitzenden Bescheid sagen. Die "Bild" schreibt zudem, dass für Dienstag Zählappelle geplant sind. Es wird also vorher auf Nummer sicher gegangen, damit es am Ende auch reicht.
Es gibt noch weitere Stolpersteine
Die Abweichler sind das eine Problem, ein anderes könnte sein, dass die Sitzung am morgigen Dienstag vielleicht gar nicht stattfindet. Beim Bundesverfassungsgericht sind bereits zahlreiche Anträge eingegangen, die Sitzung nicht stattfinden zu lassen. Ein erster Schwung wurde bereits am Freitag abgelehnt, aber über das Wochenende sind neue Anträge abgegeben worden.
Zudem könnten die AfD und die Linke mit ihrer Ein-Drittel-Sperrminorität im neuen Bundestag diesen schon früher ins Leben rufen. Denn wenn ein Drittel der Abgeordneten des neugewählten Bundestags fordern, dass dieser schon früher zusammenkommt, dürfen keine Sitzungen und Beschlüsse im alten Bundestag mehr stattfinden. Diesen Antrag hat die AfD-Fraktion wohl schon am vergangenen Freitag an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) gestellt, heißt es auf ihrer Homepage. Jetzt liegt es an den Linken, ob der Geldsegen-Traum der Sondierer noch platzt. BSW-Chefin Sahra Wagenknecht appellierte jedenfalls an ihrer ehemaligen Genossen, diesen Schritt zu gehen.
Sollten sich die Linken jedoch dagegen entscheiden und es nicht genug Abweichler finden, sodass die Pakete durchgehen, gibt es immer noch eine Hürde: den Bundesrat. Hier müssen die Ländervertreter über das Sondervermögen und die Schuldenbremsenänderung abstimmen. Im Bundesrat, also der Länderkammer, sind 46 der 69 Stimmen notwendig, um die Grundgesetzänderungen zu beschließen. Landesregierungen, an denen nur CDU, SPD und Grüne beteiligt sind, kommen auf 41 Stimmen. Mit den sechs Stimmen aus Bayern wäre die Zustimmung sicher. Allerdings zeigten sich die im Freistaat mit der CSU regierenden Freien Wähler zuletzt skeptisch.
Am Montagnachmittag trifft sich dem Vernehmen nach der Koalitionsausschuss von CSU und Freien Wählern, um über das Abstimmungsverhalten Bayerns im Bundesrat zu beraten. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte aber bereits am Sonntagabend in der ZDF-Sendung "Berlin direkt": "Gehen Sie mal davon aus, dass Bayern am Ende zustimmen wird." Die Frage, ob er bereit wäre, für das Finanzpaket seine Regierungskoalition mit den Freien Wählern in München zu opfern, beantwortete Söder nicht.
Worum geht es bei der Abstimmung eigentlich?
Union und SPD hatten sich am Freitag mit den Grünen auf einen Kompromiss für ihr schuldenfinanziertes Finanzpaket verständigt. Die Grünen konnten dabei unter anderem eine Zusage von 100 Milliarden Euro Investitionen in den Klimaschutz durchsetzen. Das Paket sieht eine Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben und die Länder sowie ein 500 Milliarden Euro schweres Sondervermögen "für zusätzliche Investitionen in Infrastruktur" vor.
Davon sollen 100 Milliarden Euro an die Länder gehen, um Investitionen dort und in den Kommunen voranzubringen. Ebenfalls 100 Milliarden Euro fließen in den Klima- und Transformationsfonds (KTF), aus dem insbesondere der klimafreundliche Umbau der Wirtschaft finanziert wird. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte die Vorlage dafür in einer Sondersitzung am Sonntag beschlossen. (tel)
Verwendete Quellen
- Material von dpa und afp
- Homepage von Jens Koeppen: Meine Position zur bevorstehenden Grundgesetzänderung / “Sondervermögen”
- Soester Anzeiger: Querschüsse gegen Finanzplan-Doppelwumms: Merz muss wohl mit 20 Abweichenden rechnen
- Bild: Erste CDU-Politiker rebellieren gegen Merz’ Schulden-Plan
- AfD-Bundestagsfraktion: AfD-Fraktion verlangt umgehende Einberufung des neu gewählten Bundestages