Plötzlich soll Geld locker gemacht werden und das in Summen, die bislang kaum vorstellbar waren. Das 500-Milliarden-Paket und die geplante Änderung der Schuldenregelung sorgen für Gesprächsstoff – und manch einer will nun ein Stück des Kuchens abhaben.

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Sie haben sich geeinigt. Die Chef-Verhandler von Union und SPD haben sich in ihren Vorgesprächen auf einen massiven Goldtopf verständigt. Die Verteidigungsausgaben sollen in Zukunft weitgehend von der Schuldenbremse ausgenommen werden und ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro soll bei der Instandsetzung der Infrastruktur helfen. Natürlich, all diesen Plänen müssen Zweitdrittel der Abgeordneten im Bundestag zustimmen.

Sondervermögen: Abstimmung wohl mit altem Bundestag

Die möglicherweise künftige schwarz-rote Koalition will bei dieser Abstimmung wohl auf die alten Mehrheiten setzen – und den aktuell noch amtierenden Bundestag darüber abstimmen lassen. Das neu gewählte Parlament tritt erst Ende des Monats zusammen.

Die Entscheidungen duldeten spätestens nach den jüngsten Entscheidungen der US-Regierung "keinen Aufschub", betont CDU-Chef und der vermutlich künftige Kanzler Friedrich Merz am Abend der Einigung. Mit Blick auf die Verteidigungsausgaben gelte jetzt das Prinzip "Whatever it takes" – "Alles, was nötig ist".

Die zusätzlichen Ausgaben für Verteidigung werde Deutschland aber nur verkraften, wenn auch die Wirtschaft auf Wachstumskurs zurückkehre, sagte der CDU-Chef. Dazu diene das 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen.

Die Pläne von Union und SPD sorgen für Gesprächsstoff. Lob kommt vor allem von den verhandelnden Parteien CDU/CSU und SPD. CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sagte etwa im ZDF-"Morgenmagazin" zur Stärkung der Bundeswehr: "Es ist angemessen gegenüber der neuen Welt, in der wir leben." Das sieht auch Verteidigungsminister Boris Pistorius so: "Das ist ein historischer Tag, für die Bundeswehr und für Deutschland", sagte er dem "Spiegel".

FDP und Grüne zeigen sich skeptisch

Kritischer äußerte sich hingegen FDP-Politiker Wolfgang Kubicki. Seine Partei sei bereit, über eine Ausnahme für einen Teil der Verteidigungsausgaben bei der Schuldenbremse zu verhandeln. Aber: Über das Sondervermögen für die Infrastruktur und die Änderung der Schuldenregelung für die Länder seien die Liberalen nicht bereit zu verhandeln, sagte er bei "Welt TV".

Für eine Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag brauchen Union und SPD – sollten alle Abgeordneten der beiden Fraktionen mitstimmen – 86 zusätzliche Stimmen. Sie sind also auf Unterstützung von FDP oder den Grünen angewiesen.

Die Grünen knüpfen ihre Zustimmung zu dem von Union und SPD vereinbarten Finanzpaket zur Stärkung von Verteidigung und Infrastruktur an Bedingungen. "Wir machen hier gar nichts auf Zuruf", sagte die Grünen-Co-Fraktionschefin im Bundestag, Katharina Dröge, am Dienstagabend in der ARD. Sie sehe zwar "schon Bewegung" mit Blick auf Forderungen der Grünen. Bei Fragen des Klimaschutzes müsse das aber "besser werden". Eine Zustimmung der Noch-Regierungspartei ist also nicht ausgemacht.

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Britta Haßelmann, ebenfalls Fraktionsvorsitzende der Grünen, warf der Union außerdem vor, zentrale Wahlversprechen gebrochen zu haben. "Sie hat den Bürgerinnen und Bürgern im Land versprochen, und darauf baut ihr Wahlsieg, dass es keine neuen Schulden gibt", sagte Haßelmann am Mittwoch den Sendern RTL und ntv. Die Union habe immer behauptet, Deutschland habe kein Einnahmeproblem, sondern nur ein Ausgabeproblem.

Nicht gut angekommen ist bei der Partei wohl auch, dass Union und SPD sie nicht in die Verhandlungen einbezogen haben, wo sie doch auf die Stimmen der Grünen angewiesen sind. Das soll jetzt bei neuen Verhandlungen zu den Plänen anders ablaufen. Wie die "Bild" berichtet, sollen Haßelmann und Dröge nun mit verhandeln, ehe Sondervermögen und die Reform der Schuldenbremse in den Bundestag eingebracht werden.

Enttäuschte Union-Parteijugend

Auch die eigene Parteijugend der Union zeigt sich enttäuscht von den Plänen der Mutterpartei. "Aus Sicht der jungen Generation ist das ein harter Schlag für Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit bei Staatsfinanzen, weil die Botschaft ist: Lieber bequeme Schulden als unbequeme Reformen", sagte Junge-Union-Chef Johannes Winkel dem "Tagesspiegel" laut Meldung vom Mittwoch.

Johannes Winkel ist der Vorsitzende der Jungen Union. (Archiv) © IMAGO/Funke Foto Services/MichaelxGottschalk

Er nannte die Einigung eine "deutliche Niederlage für die Union gleich zu Beginn der Verhandlungen, weil für dieses große Entgegenkommen gegenüber den Sozialdemokraten keine Gegenleistungen sichtbar wurden". Er forderte CDU und CSU auf, sich bei den Themen Migration, Wirtschaft und Rente durchzusetzen.

Mit Blick auf das geplante Sondervermögen für die Infrastruktur werden auch Begehrlichkeiten geweckt. Wie die Grünen fordert auch Greenpeace, das Thema Klima in den Fokus zu nehmen. Die NGO geht sogar so weit, die Investitionen für Infrastruktur und Wirtschaft konsequent am Ziel der Klimaneutralität auszurichten.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) währenddessen fordert, Mittel des Sondervermögens auch für die Krankenhausreform zu nutzen. In einem Statement teilte er mit: "Die Krankenhäuser brauchen unsere Unterstützung, um den jetzt notwendigen Transformationsprozess zu bewältigen." Und weiter: "Statt teure und ineffiziente Strukturen künstlich am Leben zu halten, investieren wir in ein modernes Krankenhausnetz. Dafür auch die Mittel aus dem Sondervermögen einzusetzen, würde Patienten eine bessere Versorgung garantieren und die Krankenversicherten entlasten."

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm warnte derweil bei der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vor negativen Folgen des Finanzpakets. Ohne Reformen sei die Steigerung des Verteidigungsbudgets "ein Weg in den Abgrund". Grimm erklärte, es sei angesichts steigender Sozialausgaben und vor dem Hintergrund des demografischen Wandels eine "extrem riskante Wette, den Reformbedarf durch Verschuldung immer weiter hinauszuschieben". Sie fügte an: "Die Chancen, dass das gut geht, stehen schlecht." Sie regte an, den Bundeshaushalt so umzustrukturieren, dass "das Verteidigungsbudget dauerhaft aus dem Kernhaushalt gestemmt werden kann". (ras/afp/dpa)

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