Während sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) für den Asyl-Kompromiss der EU rechtfertigen musste, leistete sich Altbundespräsident Christian Wulff (CDU) einen Witz auf Kosten von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Zudem verriet Wulff, warum er sich große Sorgen um Deutschland macht.

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Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Thomas Fritz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

EU-Asyl-Reform, Ukraine, der Kompromiss ums Heizungsgesetz, Krise der Demokratien: Sandra Maischberger besprach mit ihren Gästen am Dienstagabend die drängendsten politischen Fragen der Woche. Besonders der Kompromiss um die Asyl-Reform sorgte für einen leidenschaftlichen Austausch der Argumente.

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Das waren die Gäste

  • Nancy Faeser: Die SPD-Bundesinnenministerin verteidigte den Asyl-Kompromiss der EU, auch wenn sie nicht mit allen vereinbarten Beschlüssen zufrieden ist. Eine "große Errungenschaft" sei der solidarische Verteilungsschlüssel und dass Syrer und Afghanen gar nicht in die Aufnahmelager gehen sollen. Zudem gebe es jetzt verbindliche Menschenrechtsbestimmungen für die Lager. Nicht zufrieden war sie damit, dass Frauen und Kinder von der Internierung an der Grenze nicht ausgenommen sind. Faeser hofft, dass im EU-Parlament noch eine Anpassung möglich ist. Insgesamt zeigte sie sich zufrieden, dass Zustände wie in Moria in Griechenland künftig der Vergangenheit angehören. Und was sagte sie zum Lob von Ex-Innenminister Horst Seehofer für den von ihr mit ausgehandelten Kompromiss? "Das ist wohl auch ein vergiftetes Lob", konnte sich Faeser ein Lachen nicht verkneifen.
  • Sigmund Gottlieb: Der langjährige ARD-Moderator bezweifelt, dass der Asyl-Kompromiss tatsächlich historisch ist, weil er von innen (von vielen Grünen-Funktionären und den Jusos) und von anderen Staaten sofort infrage gestellt wurde. Auch dessen Umsetzung hält er "für höchst problematisch". Etwa die Frage, ob das mit der Verteilung der Menschen dann tatsächlich so klappt wie vereinbart. In Bezug auf den Heizungskompromiss beobachtet Gottlieb ein "Empathiedefizit" bei den Grünen". Sie hätten Politik bei diesem Thema nur für ihre Wählerinnen und Wähler gemacht und nicht für die gesamte Bevölkerung.
  • Melanie Amann: Die Spiegel-Journalistin nannte den Asyl-Kompromiss "historisch", weil sich die EU bei diesem schwierigen Thema auf eine Lösung einigen konnte. Das Wort "historisch" sage aber noch nichts darüber aus, ob der Kompromiss nun gut oder schlecht sei. "Den Praxistest muss dieses Konzept noch bestehen", so Amann. Wie sehen die Asylzentren genau aus? Wie reisen die Menschen weiter? Den anderen Kompromiss, jenen ums Heizungsgesetz, sah Amann eher als Gegenbeweis für die Regierungsfähigkeit in Deutschland. Weil wieder etwas auf Regierungsebene entschieden wurde, was eigentlich ins Parlament gehört.
  • Vassili Golod: Der Ukraine-Korrespondent der ARD war der schärfste Kritiker der neuen Asyl-Regelung. "Das, was wir an den europäischen Außengrenzen sehen, hat mit Menschenwürde nichts zu tun". Für Amann ("Jetzt sitzen sie im Dreck") und Gottlieb kam die Kritik voreilig "Wir sollten sie nicht schon jetzt verdammen", sagte Gottlieb über die geplanten Asyl-Zentren. Später lobte Golod den Heizungskompromiss, der der Regierung jetzt Zeit verschafft, das Gesetz den Bürgern besser zu erklären.
  • Christian Wulff: Der Bundespräsident a. D. wurde als letzter Gast der Sendung solo von Maischberger befragt und warnte mit christlicher Rhetorik vor dem Erstarken des Autoritarismus in der Welt. "Wir müssen uns überall mehr engagieren für das Gute, damit das Böse nicht gewinnt." Wulff warnte schon 2005 als einer der wenigen vor dem russischen Präsident Wladimir Putin, weil er gesehen habe, dass Putin die russische Entwicklung hin zu Demokratie und Liberalismus wieder zurückgeschraubt hatte. Zudem warnte Wulff vor der "Faulheit der Leute" in Deutschland bei der Bewahrung der Demokratie und ermunterte sie, Wählen zu gehen und sich wieder verstärkt den Volksparteien zuzuwenden. Ein freilich eher naiver Appell, gibt es doch tief gehende gesellschaftliche Ursachen für die Krise der großen Parteien, die sich nicht durch ein paar gut gemeinte Worte beheben lassen. An das intellektuelle Format seines Amtsnachfolgers Joachim Gauck, der zuletzt auch bei Maischberger zu Gast war, kam Wulff mit seinen teils floskelhaften Ratschlägen nicht heran.

Für ein paar Lacher sorgte Wulff immerhin noch am Ende mit einem Witz über sich, seinen alten Schulfreund und Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sowie Kanzler Olaf Scholz (SPD). Was wäre gewesen, wenn der wie Wulff und Pistorius ebenfalls in Osnabrück geborene Scholz die gleiche Klasse besucht hätte wie die anderen beiden: "Den hätten Boris und ich noch zum Reden gebracht", sagte Wulff und lobte die Kommunikation von Pistorius als real, klar und verständlich. Eine kleine Spitze gegen Scholz, die sich ein Altbundespräsident vielleicht verkneifen sollte.

Das war der Moment des Abends

Sandra Maischberger wollte von Christian Wulff wissen, ob Deutschland dagegen gefeit sei, dass auch hier die Demokratie zunehmend infrage gestellt wird. "Ich sehe die Gefahr groß", sagte der CDU-Mann, "weil wir ein bisschen selbstgerecht geworden sind". Er wünschte sich neben mehr Einsatz für die Demokratie auch mehr Einfluss von Christen in Deutschland und Europa. Zudem warnte er vorm weiteren Erstarken der AfD, die in knapp zwei Wochen in Thüringen gute Chancen hat, den ersten Landrat in der Geschichte der Partei zu stellen. "Wenn wir denen das Feld überlassen wollen, dann habe ich ganz große Sorgen um die Zukunft unseres Landes".

Das war das Rededuell des Abends

"Jetzt ist der Punkt erreicht, wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss". Diesen umstrittenen Satz sagte der bayerische Chef der Freien Wähler und stellvertretende Ministerpräsident, Hubert Aiwanger, bei einer Rede am Wochenende. Der dabei mitschwingende Populismus wurde bei Maischberger unterschiedlich bewertet. "Aiwanger ist ein intelligenter Demokrat", sagte Gottlieb. "Das gehört zum Wahlkampfgetöse". Aber der Satz sei "ungeschickt" und "missverständlich" Wenn er ihm etwas raten könne, dann dass er ihn zurücknimmt.
Golod brachte die Formulierung dagegen richtig auf die Palme. "Diese Aussage überschreitet eine Grenze". Die anderen Parteien müssten sich davon distanzieren. Auch Amman ging weiter als Gottlieb in seiner Analyse: Der Satz, das Land zurückzuholen, "das ist ein AfD-Slogan" und "absolut undemokratisch", sagte die Spiegel-Frau.

So hat sich Sandra Maischberger geschlagen

Ihre besten Momente hatte Sandra Maischberger beim Eins-zu-Eins-Gespräch mit Nancy Faeser. Der Ministerin fühlt sie beim Asyl-Kompromiss auf den Zahn, sodass diese am Ende schon leicht genervt wirkte. Maischbergers Fazit entlarvte Faesers Punkt, wonach ihr ein Verbot der Internierung von Frauen und Kindern in den geplanten Asylzentren immens wichtig ist: "Sie stimmen auch dann zu, wenn es nicht gelöst wird". Faeser bejahte, dass sie dem Kompromiss auf EU-Ebene auf jeden Fall zustimmen wird.

Das ist das Fazit

Während beim Asyl-Kompromiss in der Runde die Skepsis überwog, ob sich die Abmachungen auch in der Praxis bewähren und der Heizungskompromiss insgesamt positiv bewertet wurde, ploppten vor allem beim Ukraine-Krieg einige Fragezeichen auf. Amann und Golod diskutierten darüber, ob Deutschland nun auch neue Waffen wie Kampfflugzeuge liefern müsse, weil Olaf Scholz nach der mutmaßlichen Sprengung des Kachowka-Staudamms von einer "neuen Dimension der Kriegsführung" sprach. "Dann müsste man Olaf Scholz jetzt anrufen und nachhaken", schlug Amann vor.

In den Augen von Golod ist "keine neue Dimension der Unterstützung" für die Ukraine in Aussicht. Gottlieb und Amann betonten, dass Deutschland bisher militärisch und finanziell sehr viel geleistet habe.

Golod will von Expertinnen und Experten erfahren haben, dass der Dammbruch keine Folgen für die Gegenoffensive des Landes hat. Er hat aber große Sorge, dass "der Ökozit in der Ukraine" fortgesetzt wird.

Christian Wulff zeigte sich solidarisch mit Ukraine, empfahl aber auch an die Zukunft nach dem Krieg zu denken. "Auf der anderen Seite müssen wir aber natürlich Signale ans russische Volk senden, dass wir großen Respekt vor der russischen Nation haben. Und wir müssen damit auch das Volk von Putin trennen. Denn Russen sterben ja auch in diesem wahnsinnigen Krieg." Ein Krieg, dessen Ende in den Augen Gottliebs noch lange nicht abzusehen ist.

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