Die gute Nachricht für alle großen Beraterfirmen vorab: Andi Scheuer hat bekräftigt, seinen Ministerposten auch nach der Bundestagswahl behalten zu wollen. Da knallen die Champagnerkorken in den Chefetagen bei Ernst & Young und Konsorten. Wenn jetzt noch das Verteidigungsministerium in der Post-Merkel-Ära in CDU-Hand bleibt, gibt es vermutlich wieder Premien-Ferraris für das gesamte mittlere Management aufwärts.
Fun Fact: Wenn die dubiosen Hinterzimmerdeals der aktuellen CDU/CSU-Führungsebene mit derselben kompromisslosen Energie aus den "Journalisten"-Türmen der Hauptstadt verfolgt würden, wie das Buch und der Lebenslauf von
Aber das sind natürlich Nebenkriegsschauplätze, denn bei der Wahl im September geht es ja nur darum, wie Deutschland die kommenden vier Jahre regiert werden soll. Und die Klimakatastrophe, Altersarmut und Zusammenbruch des Gesundheitssystems vermieden. Zweitrangig. Viel wichtiger ist ja: Italien ist Europameister. Zählt man noch den Sieg beim Eurovision Song Contest vor einigen Wochen hinzu, hat das Land der Goldkettchen und des lukrativsten Haargel-Marktes der Welt einen spektakulären Doppelsieg gelandet. Einen von beiden sogar ohne jeglichen Einsatz von Bewusstseins- oder Leistungserweiternde Substanzen.
EM 2021: Delta Blues
Das Finale in London hatten die Gastgeber zunächst gut im Griff, vor allem nach dem frühen Führungstor. Es stand nämlich schon 1:0 für England, da hatten David Beckham und Kate Moss auf der Tribüne noch gar nicht "God Save The Queen" zu ende gesungen und sich gefragt, was eigentlich Tom Cruise im Stadion macht. Er ist kein Italiener, er ist kein Engländer und er versteht so viel von Fußball wie Evelyn Burdecki von Quantenphysik. Im Verlaufe des Spiels entpuppte sich England aber dann als sehr politische Fußballnation schlüpfte zunächst in die Rolle der Grünen: Einen sicher geglaubten Vorsprung leichtfertig verspielen. Und dann im Elfmeterschießen drei von fünf Chancen kläglich vergeben. England ist der Jens Spahn der Elfmeterschützen.
Übrigens: Im legendären Wembley-Stadion wohnten mehr als 60.000 Zuschauer dem Spektakel bei. Bei einer Inzidenz in London, die jenseits der 300 liegt. Bei so einer Infektionsrate wäre in Deutschland bereits alles geschlossen und überall Menschenleere – außer natürlich auf Querdenker-Demos. Wenn man so will, ein "All You Can Eat"-Buffet für die Delta-Variante.
Mehr der Querpasser als der Querdenker ist ja
Katar Ante Portas
Eigentlich kein Trend sollten hingegen Geschäfte mit Staaten wie Katar sein. Dort, wo man für das Tragen der während dieser EM viel diskutierten Regenbogen-Fahne für mehrere Jahre weggesperrt wird (wenn es gut läuft), spielt Geld allerdings keine Rolle. So wenig wie bei der UEFA Integrität, Gewissen und Glaubwürdigkeit. Auch aufgrund der Nähe zu Katar als einer der Hauptsponsoren und Ausrichter der WM 2022 geraten UEFA und FIFA immer mehr zu einer Art Armin Laschet der Fußballbranche: Keine Lösungen, keine Zukunftsideen, aber ein großer Drang zur Vermehrung von Vermögen ohne Rücksicht auf Verluste.
Leider ist diese Art von Geldbeschaffung trotz doppelmoralistischer Selbstaufgabe im Hinblick auf große Kampagnen wie "Respect" im Fußballgeschäft offensichtlich ansteckend. Mittlerweile verhandelt nämlich auch der DFB mit Katar. Das ist ein bisschen so, wie einen "Mein Freund ist Ausländer"-Sticker auf sein Auto zu kleben und dann Molotow-Cocktails in Flüchtlingsheime zu werfen.
Naja, wie sagt man so schön: Geld regiert die Welt. Und damit ist nicht das von Ulf Poschardt geleitete GNTM-Fachmagazin gemeint. Alles hat seinen Preis, sogar das eigene Wertesystem. Sich auf die Seite von Minderheiten zu stellen ist aktuell derartig en vogue, dass auch Fußball-Funktionäre gerne eine Scheibe der Sympathiewelle abbekämen. Dafür lässt man dann schon mal ein ferngesteuertes Spielzeugauto in Regenbogen-Farben den EM-Ball zum Anstoßkreis fahren. Aber natürlich nur so lange, bis ein wertvoller Sponsor oder ein undemokratischer Landesfürst sich daran stört. So weit geht sie dann doch nicht, die Liebe zur Diversity, wenn man dafür auf Kohle verzichten müsste.
Money der Libero
Aber machen wir uns nichts vor. Geld lenkt nicht nur die Fußballwelt. Es hat auch die Fashion Week von Berlin nach Frankfurt gelockt. Vorbei die Zeiten, als der Bürgermeister der Herzen, Klaus Wowereit, mit steuertaktischen Westentaschentricks große Entertainment-Konzerne wie Universal an die Spree gelockt hat. Heute legt eine Stadt wie Frankfurt einfach ausreichend Cash auf den Tisch und die größte Modemesse Deutschlands tauscht Kudamm gegen Zeil. Ausgerechnet Frankfurt. Eine Stadt, die so viel Haute Couture Flair ausstrahlt wie Peter Altmaier jugendliches Rebellentum.
Diese Woche war es dann so weit. Erstmals seit unzähligen Jahren zwischen Bebelplatz, Erika-Heß-Eisstadion, Kaufhaus Jandorf, E-Werk und Kraftwerk gastierte der Modezirkus in Frankfurt. Eine Stadt, die so viel von innovativer Mode versteht wie Dieter Bohlen von Instagram-Filtern. Freude am Main. Tristesse an der Spree. Da, wo bislang zwei Mal im Jahr Ausnahmezustand bei der Produktion von "GZSZ" herrschte, weil jedes Daily-Soap-Sternchen unbedingt mal bei Marcel Ostertag oder Kilian Kerner in der Front Row sitzen wollte: Melancholische Trostlosigkeit. Keine wilden Partys mehr, auf denen man mal zufällig echte Stars wie Presley Gerber (Sohn von Cindy Crawford), Moritz Bleibtreu (mutmaßlicher Initiator von #AllesDichtmachen) oder Toni Garrn (Ex von Leonardo diCaprio) auf Club-Toiletten treffen konnte. Vorbei die Zeiten üppiger Goodie-Bags mit der 250. Handyhülle und ausreichend Beauty-Produkten für zwölf Jahre Schrottwichteln auf der Kosmetikschule.
Katar Fashion Week
Hätte Frankfurt nicht Kim Hnizdo, wäre es Fashion-Diaspora. Da hätte man die Fashion Week auch gleich nach Katar veräußern können. Die hätten C-Promis, Designer, Models und Presse sogar noch mit der eigenen Fluglinie Business Class eingeflogen. Gut, nicht alle Designer, denn bei Genies wie Wolfgang Joop oder Michael Michalsky hätte der Heterosexualitäts-Detektor womöglich nicht rausreichend regimekonform ausgeschlagen. Aber Schwamm drüber. Manuel Neuer hätte dann beim Freundschaftsspiel gegen die Betriebsmannschaft der Tourismus+Congress GmbH Frankfurt einfach eine Regenbogen-Kapitänsbinde getragen und gut.
Das brandneue, hochmoderne Fashion Week Katar Exhibition Gebäude wäre dann in einer glamourösen Eröffnungszeremonie von Giselle Bündchen und Beyoncé eröffnet worden, deren Gage für diesen Tag höher liegt als der gesamte Verdienst der 12.000 Billiglohn-Arbeitsmigranten aus Nepal, Indien, Bangladesch und Sri Lanka zusammen, die das Gebäude erbaut haben. Für die hätte sich dann nicht mal Manuel Neuer irgendwas um den Arm gebunden, denn Katar ist nebenbei noch Großsponsor bei seinem Arbeitgeber Bayern München und zahlt somit irgendwie auch Neuers Gehalt.
Ich habe mich jedenfalls immer auf die Fashion Week und auf die WM gefreut. Auf die Fashion Week freue ich mich immer noch, auf die WM erstmals gar nicht. Ich schätze, damit bin ich nicht allein. Eine Entscheidung für Atmosphäre, Fankultur oder Tradition war die Vergabe der WM nach Katar jedenfalls nicht. Ich nehme daher an, dass die FIFA während dieses Turniers einiges lernen wird. Vor allem, dass Geld zwar die Welt regiert, man aber damit trotzdem nicht alles kaufen kann. Vor allem keine Leidenschaft. Bis nächste Woche!
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