Keine leichte Woche für Hobby-Kolumnistinnen mit Rückblick-Hintergrund wie mich. Wir sind unmittelbar angewiesen auf die großen Themen, die uns die Schönen und Reichen anbieten. Oder die Wichtigen und Mächtigen. Oder die Spitzenpolitiker und Visionäre. Oder wenigstens jemand von der Union. Bleibt die Skandal-Küche jedoch kalt, sind wir auf Empörungs-Diät.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Marie von den Benken dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Ungünstig, denn dann bleiben nur zwei Möglichkeiten. Entweder, man kocht zum achttausendsten Mal seine drei Lieblingsthemen auf, wie es einige Vollprofi-Freiheitsjournalisten mit den Buzzwords "ÖRR ist doof", "Grüne sind doof" und "Witze über alles, was ich toll finde, sind doof" in Perfektion zelebrieren. Dann allerdings ist intellektueller Schmalhans Küchenmeister und man schämt sich für nichts mehr. Nicht mal dafür, aus lauter Langeweile über seine eigene Themen- und Humorlosigkeit sogar Sebastian Kurz plötzlich wieder für salonfähig zu halten. Alternativ könnte man einfach neue Themen erfinden, aber dafür eignet sich eine satirische Kolumne nicht so gut, wo ohnehin jeder Satz das Gegenteil von dem bedeutet, was der handelsübliche Putin-Troll zu begreifen glaubt. Und über einen YouTube-Kanal mit Standleitung zu Gloria von Thurn und Taxis verfüge ich leider nicht.

Was bleibt mir also übrig, als mit dem Wenigen zu arbeiten, was uns das politische und gesellschaftliche Leben anbietet? Und das war in den vergangenen sieben Tagen recht wenig. Ich meine, niemand, der bis drei zählen kann, wird sich beispielsweise noch darüber wundern, wie CSU-Generalsekretär Martin Huber im Sahra-Wagenknecht-Fanficition-Format "Markus Lanz" diese Woche im argumentativen Kräftemessen gegen "Fridays For Future"-Sprecherin Pauline Brünger auf eine derartig bemitleidenswerte Art und Weise den Kürzeren zieht, dass man Pauline um ein Haar hätte anflehen wollen, aus Respekt vor dem Alter die Beerdigung der Unions-"Kompetenz" in Sachen Klimawandel-Maßnahmen abzubrechen.

Lieber Uber als Huber

Märchenonkel Huber, angetreten mit dem Gebrüder Grimm Klassiker "ab nächstes Jahr muss jeder Hausbesitzer eine neue Heizung einbauen", war von seinem Chef, dem hauptberuflichen Bäume-Umarmer Markus Söder, so schlecht gebrieft worden, dass sogar "False Balance"-Matador Markus Lanz persönlich mehrfach unmissverständlich darauf hinweisen musste, Huber würde gerade Fake News verbreiten. Das gab reichlich Spott von der linksgrünversifften Systempresse sowie den Woke-Winnetous auf Twitter – dafür aber orkanartigen Beifall aus dem neuen Kernmilieu der CSU: AfD-Sympathisanten, intellektuelle Placebo-Kandidaten und "Welt"-Abonnenten. Einer aktuellen, nichtwissenschaftlichen Spontananalyse zufolge übrigens oftmals in Kombination einhergehend.

Aber auch die üblichen Dauerlieferanten für rückblickadäquate Verhaltensauffälligkeiten haben offenbar Osterferien. Wolfgang Kubicki scheint sich auf seinen nächsten Auftritt bei den Jungen Liberalen vorzubereiten. Dieter Nuhr hat sein "Nuhr im Ersten" sogar offiziell abgewrackt. Nicht für immer natürlich. Er wird zeitnah zurückkehren. Quasi wie Jesus. Passend, oder? Immerhin ist ja Ostern. Keine Panik also bitte bei der "Das ist doch alles linke Cancel Culture"-Avantgarde. Immer stabil geliefert hatte zuletzt auch Alice Schwarzer, seit sie die einstmals als feministisch geltende "Emma" zu einem geopolitischen Militär-Fachmagazin umgebaut hat. Ganz ohne Erneuerungen in der Redaktionszusammensetzung. Das macht ihr Magazin so volksnah. Leser, die mit der gottgegebenen Gabe auf die Welt gekommen sind, unabhängig von Ausbildung oder beruflichem Horizont jederzeit nach Bedarf Bundestrainer, Virologe, Klimaforscher oder Gender-Gelehrter zu sein, fühlen sich abgeholt, wenn Autoren über Kriegstaktiken und Verhandlungskonzepte philosophieren, die zuletzt noch als Volljuristen im selbstjustizialen Vorverurteilungs-Tribunal den Fall Jörg Kachelmann durchverhandelt hatten.

Im Merzen der Doktor die Pfleger einfährt …

Da wirkt der Auftritt von Friedrich Merz als ostwestfälischer Professor Brinkmann im Klinikum Hochsauerland beinahe beruhigend. Gut, ob man im chronisch unterbesetzen Pflegebereich ausgerechnet in der Karwoche wirklich mit ganz großer Dringlichkeit Besuch von einem mehrere Privatflugzeuge besitzenden CDU-Chef und seiner Entourage aus Fotografen und PR-Teams braucht, mag ich nicht beurteilen. Aber solange Merz damit beschäftigt ist, sich auszurechnen, wie viele Sekunden er für das Jahresgehalt einer Stationsschwester arbeiten müsste, formuliert er wenigstens keine Sätze, in denen Vokabeln wie "Sozialtourismus" oder "Paschas" vorkommen.

Der Friedrich Merz des Silicon Valley, Elon Musk, hat derweil einen weiteren feuchten Traum seiner Jubel-Journalisten-Fanbase um Deutschlands einzigen Chefredakteur, der in Bomberjacke besser aussieht als Jan Köppen, erfüllt. Um seinem Ruf als humorvoller Fighter für die Meinungsfreiheit weiter gerecht zu werden, hat Musk (das zeigen einige von ihm selbst - nicht ohne Stolz - veröffentlichte Algorithmen) auf seinem neuen Lieblingsspielplatz Twitter Themen wie "Ukraine" runtergedrosselt. Da knallen die Champagnerkorken in den Musk-Hofierungsredaktionen, für die die Definition von Meinungsfreiheit offenbar das möglichst geräuschlose Entfernen aller Meinungen bedeutet, die man selbst nicht teilt. Was ja auch durchaus logisch ist, jedenfalls wenn man seinen moralischen Kompass bereits bei Unterzeichnung seines Arbeitsvertrags auf Flugmodus gestellt hat: Meinungsfreiheit ist, wenn man frei ist von Meinungen, die man nicht mag.

Du Kimmich mal kreuzweise

Während CDU-Hoffnungsträger Christoph Ploß diese Woche mit der Erstellung der von ihm vollmundig angekündigten Grafik beschäftigt ist, auf der das gigantische Netz europäischer Tankstellen zu finden ist, an denen man heute bereits E-Fuels tanken kann, ist der von Katar durchfinanzierte FC Bayern München bereits weiter. Trainer-Erlöser Thomas Tuchel vergeigt unter der Woche den sicher geglaubten Einzug ins Pokal-Halbfinale und damit den ersten von drei möglichen Titeln. Anschließend möchte Jungstar Jamal Musiala nicht mit Gästetrainer Streich sprechen. Schon gar nicht über den von ihm verursachten Elfmeter, der in der fünften Minute der Nachspielzeit zum Siegtreffer für den SC Freiburg wird. Als sich beide Vereine bereits drei Tage später erneut treffen, versöhnen sich Streich und Musiala. Weil der FC Bayern aber nicht der FC Bayern wäre, wenn er nicht immer einen Sympathie-Trumpf in der Hinterhand hätte, lässt sich Impf-Testimonial Joshua Kimmich nach Schlusspfiff zu einer gleichsam unnötigen wie unsportlichen Provokationsgeste Richtung Freiburg-Fans hinreißen – und kassiert einen amtlichen Shitstorm. Mal wieder, muss man wohl sagen. Joshua Kimmich glänzt in den letzten Jahren nicht unbedingt mit fußballerischer Brillanz, sondern eher mit kommunikativen Eigentoren.

Zum Glück ist Musiala-Patenonkel Streich trotz Bundesliga-Heimniederlage auf Kuschelkurs und bittet, Kimmichs fankulturelle Arschbombe nicht allzu hochzuhängen. Der nicht immer explizit als Harmoniebeauftragter des Fußballzirkus geltende Übungsleiter des SC Freiburg möchte vermeiden, dass Kimmich nun stadionübergreifend von den Fans aller Bayerngegner als Hassobjekt einsortiert wird. Das ist grundsätzlich kein falsches Ansinnen. Auch wenn mit einem absurd hohen Millionengehalt ein nicht unerheblicher Teil an Schmerzensgeld ausgezahlt wird, muss sich niemand Hasstiraden aussetzen. Joshua Kimmich nicht – und Benjamin Henrichs, Fußballprofikollege bei RB Leipzig, ebenfalls nicht. Henrichs veröffentlichte dieser Tage einige grauenvolle Nachrichten, die er nach dem Pokalsieg Leipzigs gegen Borussia Dortmund erhielt. In einer rassistischen Ekel-Melange aus enttäuschten BVB-Fans und generellen RB Leipzig Hassern versammelte sich ein bemitleidenswerter Abschaum hochkrimineller Hate-Superspreader. Eine Gattung Arschgeigen, die offensichtlich davon ausgehet, sie würde straffrei ausgehen, wenn sie sich per anonymem Instagram-Account an Menschen wie Benjamin Henrichs abarbeitet.

Neben meiner Hoffnung, dass Henrichs und sein Verein bei möglichst allen Absendern rechtliche Schritte einleiten, möchte ich diese Plattform für eine kurze Ansage nutzen: Wer Menschen rassistisch beleidigt, behandelt oder attackiert, ist kein akzeptabler Teil unserer Gesellschaft, gehört umfangreich bestraft und kann mit Sicherheit kein Teil von #EchteLiebe sein. Sein Herz einem Verein zu verschreiben, der in einer Region emporgewachsen ist, die wie keine zweite für Integration und kulturelle Vielseitigkeit steht, und dann rassistische Beleidigungen abzusondern, ist grotesk. Ihr seid nicht Borussia Dortmund. Ihr steht für gar nichts, was dieser Verein, seine Fans und jeder vernunftbasierte Mensch repräsentieren. Hass ist keine Lösung. Rassismus ist keine Lösung. Wer das nicht versteht, hat weder bei Borussia Dortmund noch sonst wo irgendeine Daseinsberechtigung. Schöne Woche!

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