Die jüngsten Verletzungen bringen Bayern-Coach Niko Kovac in die Bredouille: Vor den Münchenern liegt ein strammes Programm, der stark ausgedünnte Kader könnte sich dabei als Problem erweisen. Oder gibt es einen Plan B?

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Während anderswo halbe Mannschaften ausgetauscht wurden und etliche interne Transferrekorde purzelten, war der Sommer an der Säbener Straße auffällig ruhig.

Der FC Bayern München hat sich zurückgehalten wie selten zuvor auf dem Markt. Nur Leon Goretzka ist ein "echter" Zugang, und der kam vom FC Schalke sogar ablösefrei.

Dazu die Rückkehrer Serge Gnabry und Renato Sanches, die nach ihren Leihen wieder für den Rekordmeister auflaufen, insgesamt fünf Youngster aus dem eigenen Nachwuchs und der 17-jährige Alphonso Davies als Vorgriff auf die Rückrunde - das war's.

Die Bayern haben nur 23 Spieler in ihrem Profikader gelistet, die wenigsten aller Bundesligisten. Und sie leisten sich dazu noch den ältesten Kader mit einem Durchschnittsalter von über 27 Jahren.

Lediglich zehn Millionen Euro für den Davies-Transfer hat der Rekordmeister ausgegeben. Nur die beiden Aufsteiger, Düsseldorf und Nürnberg, sowie der FC Augsburg waren sparsamer.

In der Schlussphase der Transferperiode ließen die Münchener dafür noch Linksverteidiger Juan Bernat nach Paris ziehen, Arturo Vidal hatte sich zuvor schon für einen Wechsel zum FC Barcelona entschieden. Trotzdem reagierten die Verantwortlichen nicht. Der Kader wurde für gut und breit genug befunden.

Schwerwiegende Ausfälle

Dabei waren sich Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge lange nicht einig, wie der Transfersommer denn nun zu gestalten sei. Rummenigge liebäugelte mit einem Blockbuster-Transfer: 80 oder 90 Millionen Euro Ablöse würden für den FC Bayern kein Hindernis mehr darstellen.

Hoeneß dagegen argumentierte noch auf der Meisterfeier in eine andere Richtung: "Wir werden nichts mehr investieren, sondern werden unsere Spieler dazu bringen, besser zu spielen."

Einige dieser Spieler können nun bis auf Weiteres nicht mehr besser spielen. Weil sie sich schon so früh in der Saison so schwer verletzt haben. Die Bayern haben nach nur drei Spieltagen in der Bundesliga schon drei schwerverletzte Spieler zu beklagen.

Nach dem Syndesmosebandriss von Kingsley Coman erwischte es am letzten Wochenende Corentin Tolisso und Rafinha. Der Brasilianer wird den Bayern wegen eines Bänderrisses mehrere Wochen fehlen, Tolisso fällt mit einem Kreuzbandriss sogar mindestens bis zur Rückrunde aus.

"Wir haben einen sehr kleinen Kader"

Die Bayern haben nun vor dem Start in die Champions League bei Benfica Lissabon am Mittwoch nur noch 16 einsatzfähige Feldspieler zur Verfügung, dafür aber sechs Spiele in 17 Tagen vor der Brust.

"Wir haben einen sehr kleinen Kader, jetzt schon zwei Schwerverletzte und mit Rafinha einen weiteren Verletzten. Jetzt muss ich zusehen, dass ich die Vielzahl der anstehenden Partien mit einer verminderten Anzahl an Spielern absolviere. Das ist natürlich ärgerlich", sagte Niko Kovac im Interview mit "spox.com".

Hoeneß' schroffe Verbalattacke gegen den Leverkusener Karim Bellarabi, der Rafinha so schwer verletzte, und die Ausführungen von Kovac auf der Pressekonferenz nach dem Spiel, in der er seine Spieler als "Freiwild" bezeichnete, wären wohl nicht ganz so drastisch ausgefallen, hätten die Bayern noch mehr Alternativen in der Hinterhand.

So aber wird schon der Start in die Saison zu einem Ritt auf der Rasierklinge. Es stellt sich die Frage, ob der Kader in seiner Breite nicht doch ein bisschen zu sehr auf Naht gebastelt wurde.

Kovac muss improvisieren - und vielleicht umstellen

Alternativen jedenfalls sind auf manchen Positionen kaum noch vorhanden. Für Rechtsverteidiger Joshua Kimmich und Linksverteidiger David Alaba gibt es keinen Backup mehr, auf den offensiven Flügeln operieren die Bayern in den nächsten Monaten mit Arjen Robben, Franck Ribery und Serge Gnabry.

Wobei Gnabry seine Wettkampfhärte in der Königsklasse erst noch unter Beweis stellen muss und die Altmeister Robben und Ribery durchaus verletzungsanfällig sind.

Jerome Boateng war in den letzten Monaten auch kein Garant für dauerhaft stabile Vorträge, konnte einige Partien gar nicht oder nur eingeschränkt bestreiten. Immerhin sind auf dessen Position in der Innenverteidigung derzeit aber noch genügend Optionen vorhanden.

Die Problemzonen der Bayern sind die Außenbahnen. Und wenn Kovac nicht zu viele Jugendspieler einbauen will, die in der Vorbereitung auf sich aufmerksam gemacht hatten - unter anderem Linksverteidiger Jonathan Meier oder auf der rechten Seite der erst 17-jährige Ryan Johansson - dann muss der Trainer wohl auch in seiner Grundordnung improvisieren.

Bisher spielten die Bayern stets mit Viererkette in einem 4-3-3. Um die Probleme auf den Flügeln etwas zu kaschieren, wäre eine Umstellung auf eine Dreier- beziehungsweise Fünferkette möglich. Das kann Kovac, wie er bereits in Frankfurt gezeigt hat.

Bayern hätte der eine oder andere Transfer doch gut getan

Dennoch: Dass ausgerechnet der große FC Bayern nach ein paar Wochen einer Saison in diese schwierige personelle Situation rutscht, ist bemerkenswert.

Die Verantwortlichen haben ihrem neuen Trainer einen dünn besetzten Kader beschert und ihren Mut zur Lücke mit ein paar fordernden Worten garniert. Das kann funktionieren.

Momentan sieht es aber eher danach aus, als hätte der eine oder andere Transfer dem FC Bayern doch noch gut getan.

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Verwendete Quelle:

spox.com: Kovac: "Wir haben einen sehr kleinen Kader"

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