Die Bayern scheiden in der Champions League gegen PSG aus. Die Saison für die Münchener droht langsam auszutrudeln. In Paris konnten die Bayern nicht ganz das abrufen, was man von ihnen gewohnt ist - weshalb sich die Aufarbeitung des Ausscheidens an einigen grundlegenden Fragen orientiert.

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Am Dienstagabend in Paris endete nicht nur die Mission Titelverteidigung für den FC Bayern München, sondern auch eine Ära. Für David Alaba, Jerome Boateng und Javi Martinez war es das letzte Champions-League-Spiel im Dress der Bayern, die Triple-Sieger von 2013 und 2020 werden in wenigen Wochen nicht mehr zur Equipe des deutschen Rekordmeisters gehören. Der bittersüße 1:0-Sieg bei Paris St.-Germain bedeutet für die Bayern nicht nur das Aus in der Königsklasse, sondern einen Einschnitt.

Den Bayern steht eine Generaldebatte ins Haus

Der wird in den kommenden Tagen und Wochen einige Fragen aufwerfen und schon bald auch personelle Konsequenzen haben. Und er wird zu einer Generaldebatte darüber führen, wie diese Mannschaft sich in Zukunft aufstellen muss, um nicht erneut so vermeidbar gegen einen - über 180 Minuten betrachtet - unterlegenen Gegner auszuscheiden.

"Es ist nicht nur an heute gescheitert. Das 1:0 ist vom Ergebnis her verdient, die Ausgangsposition hätte aber besser sein müssen. Es ist ärgerlich. Wir pfeifen aus dem letzten Loch. Dann ist es schwierig, wenn man gegen so eine klasse Mannschaft spielt." Das sagte Kapitän Manuel Neuer unmittelbar nach dem Spiel bei Sky und transportierte damit mindestens zwei bemerkenswerte Kernaussagen: Das 1:0 war alles, aber ganz sicher nicht verdient aus Sicht der Bayern. Letztlich aber auch nicht mehr als eine Randnotiz, den Bayern genügte dieser glückliche, knappe Sieg ohnehin nicht.

Viel wichtiger war Neuers Erkenntnis, dass den Bayern in diesem wichtigsten Spiel der bisherigen Saison der Saft ausging. Es fehlten zwei der drei gefährlichsten Angreifer und dazu noch ein halbes Dutzend anderer Spieler. Deshalb mussten die Nachwuchskräfte Josip Stanisic und Maximilian Zaiser aus der zweiten Mannschaft und dritten Liga den Kader auffüllen. Das eigentliche Problem waren aber nicht die Abwesenden. Es war vielmehr die Verfassung einiger jener Spieler, die sich für die Partie fit meldeten.

Einige Bayern-Spieler erreichten in Paris keine Normalform

Alphonso Davies bekam vom heimlichen Star der Gastgeber, dem Argentinier Angel di Maria, eine Lektion erteilt wie selten zuvor in Davies' noch junger Karriere. Es dauerte 70 Minuten, eher Hansi Flick seinen Spieler aus taktischen Gründen erlöste, davor schlitterte Davies im wahrsten Sinne des Wortes von einer Verlegenheit in die nächste: Offenbar hatte er nicht nur einen schwachen Abend erwischt, sondern auch das falsche Schuhwerk.

Joshua Kimmich, eigentlich die Institution und das Metrum im Spiel der Bayern, leistete sich so viele Unkonzentriertheiten wie selten zuvor. Statistiken wie die Pass- oder Zweikampfquote sind in der Regel mit äußerster Vorsicht zu genießen, weil sie oft genug nicht die Eindrücke des Spiels wiedergeben. Wenn aber Kimmich, der ansonsten weit über 90 Prozent seiner Zuspiele an den Mitspieler bringt, plötzlich auf 85 Prozent absackt und dann nicht mal jeden dritten seiner 18 Zweikämpfe für sich entscheidet, ist das schon auffällig. Das Zentrum des Spiels, eigentlich seine Domäne, kontrollierten die Pariser Leandro Paredes und Idrissa Gueye.

Kimmich musste bei der großen Rotation von Flick am letzten Wochenende gegen den FC Union, als die Bayern eine ganze Horde Spieler aus der zweiten und dritten Reihe ranließen, ebenso 90 Minuten durchspielen wie auch Thomas Müller. Dabei wirkte besonders Kimmich schon in einigen Spielen nicht mehr so unerschütterlich und verlässlich, wie man das von ihm kennt.

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Müller konnte sich hinter Paris‘ Doppelsechs nicht so in Szene setzen, wie es sich die Bayern wohl erhofft hatten ohne Robert Lewandowski und Serge Gnabry im Angriff, Kingsley Coman biss sich dieses Mal am jungen Colin Dagba die Zähne aus, Eric-Maxim Choupo-Moting hatte kaum einmal Bindung zum Spiel und zu den Mitspielern, Benjamin Pavard war in der Offensive quasi unsichtbar.

Am Ende warf Flick mangels Alternativen sogar noch den Defensiv-Veteranen Martinez als zweiten Mittelstürmer ins Rennen, natürlich vergebens. Und dann reicht das selbst gegen eine Defensive der Mittelklasse mit Dagba, Danilo, Presnel Kimpembe und Abdou Diallo nicht, um die erforderlichen zwei Treffer zu erzielen.

Flick: "Der letzte Punch hat gefehlt"

"Normalerweise hat die Mannschaft im letzten Drittel eine enorme Qualität. Paris hat es gut verteidigt. Wir waren wie im Hinspiel nicht ganz so entschlossen. Uns hat vor dem Tor der letzte Punch gefehlt", sagte Flick nach dem Spiel und lag damit komplett richtig. Die Bayern spielten ordentlich bis gut, aber nicht sehr gut oder so zwingend, dass sie eine dauerhafte Gefahr für den Gegner hätten sein können wie noch im Hinspiel.

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Was natürlich auch am Gegner und etwas an Schiedsrichter Daniele Orsato lag. Paris nutzte viele sich bietende Gelegenheiten, um beim ersten Körperkontakt zu Boden zu gehen. Die Bayern verursachten deshalb 21 Fouls, eine ungewöhnlich hohe Zahl für die Münchener, und fanden so nie richtig in ihren Rhythmus. "Der Schiedsrichter hat sich auch sehr auf das leichte Hinfallen und dieses Geschrei eingelassen. Wir kamen nie in eine wirkliche Druckphase, das Spiel wurde immer wieder unterbrochen", klagte Müller nicht zu Unrecht über die doch sehr kleinliche Spielleitung des Unparteiischen. Als Ausrede für das Ausscheiden darf diese andere Randnotiz aber nicht gelten.

Das Problem mit dem dünnen Kader

Letztlich entschied das Duell gegen Paris auch das zweifelhafte Kadermanagement der Bayern. Bisher kamen die Bayern immer mit einem spielfitten Lewandowski durch. Der Körper des Polen scheint auch im fortgeschrittenen Fußballer-Alter von 32 Jahren wie aus Stahl. Nur darf man nicht davon ausgehen, dass Lewandowski unverwundbar ist - und dann ist die Alternative Choupo-Moting für ein Viertelfinale in der Königsklasse vielleicht ein bisschen zu dünn kalkuliert. Obwohl Choupo-Moting im Hin- wie im Rückspiel je ein Mal traf.

Flick musste Alaba neben Kimmich ins zentrale Mittelfeld ziehen und später Jamal Musiala bringen, einen 18-Jährigen für den Part hinter den Spitzen, der die Partie noch drehen sollte. Für einen Klub wie den FC Bayern, mit diesen Möglichkeiten und Ansprüchen, sind das - auch unabhängig von der Verletztenliste - keine optimalen Rahmenbedingungen.

Der FC Bayern kann sich ab sofort auf die Bundesliga und seine internen Baustellen konzentrieren. In der Liga sollten fünf Punkte Vorsprung vor RB Leipzig angesichts von noch sechs ausstehenden Partien zum Gewinn der neunten Meisterschaft in Folge eigentlich reichen. Lewandowski kann nun mit allem was er hat Jagd auf den Gerd-Müller-Rekord machen. Das sind die schönen Aufgaben, die anstehen.

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Die Debatten um Flick und Salihamidzic und dessen Nicht-Verhältnis werden nun noch mehr Fahrt aufnehmen, und es ist sehr wahrscheinlich, dass den Bayern bald schon eine turbulente Trainersuche ins Haus steht.

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Diese Saison scheint so gut wie abgehakt zu sein. Ab sofort beginnen - zumindest im Hintergrund - deren Aufarbeitung und die Planungen für die kommenden Jahre. Immerhin bekommen die Bayern dafür jetzt etliche Wochen mehr Zeit als sie das gewohnt sind. Das letzte Mal, dass die Münchener im April in keinem Pokalwettbewerb mehr standen, war vor zwölf Jahren.

Verwendete Quelle:

  • sport1.de: "Neuer: 'Pfeifen aus dem letzten Loch'"
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