Oliver Baumann, Torwart und Kapitän der TSG Hoffenheim, hat so oft gegen den FC Bayern München gespielt wie kaum ein anderer. Am Freitagabend (20:30 Uhr) wird es bereits das 27. Mal sein. Im Interview spricht Baumann über die Herangehensweise, über Manuel Neuer und über die Europameisterschaft.

Ein Interview

Herr Baumann, das letzte Aufeinandertreffen zwischen der TSG Hoffenheim und dem FC Bayern München endete in der vergangenen Saison 1:1. Was stimmt Sie zuversichtlich, dem FC Bayern erneut Probleme bereiten zu können?

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Oliver Baumann: Es ist auf jeden Fall das Ziel, dass wir aus einer Kompaktheit heraus das Spiel bestreiten und die Bayern vor Probleme stellen – sowohl defensiv wie offensiv. Wir werden versuchen, selbst Nadelstiche zu setzen und Tore zu schießen. Das ist in München nicht einfach, aber wir fahren mit Selbstvertrauen dorthin.

Schätzen Sie den FC Bayern nun stärker ein als beim letzten Aufeinandertreffen Mitte April 2023, als Thomas Tuchel die Mannschaft noch relativ neu übernommen hatte?

Ich gehe davon aus, dass deren Spielsystem mittlerweile gefestigter ist als damals. Thomas Tuchel war zu dieser Zeit noch frisch im Amt – da ist es für eine Mannschaft nicht immer einfach, wenn es gerade einen Trainerwechsel und damit verbunden einige neue Ideen gab. Aber nun spielen sie schon lange nach den Vorstellungen des Trainers. Man sieht, was für eine Qualität die Mannschaft hat. Gerade in der Champions League waren sie extrem gut.

Mit was für einem Gefühl fährt man als Torwart nach München? Freut man sich auf das Spiel? Oder hat man auch die Befürchtung, dass das sehr unangenehm wird?

Unangenehm kann ein Spiel immer werden, vor allem, wenn der Gegner so eine Qualität hat. Aber ich freue mich auf das Spiel. Flutlichtspiele in München können auch Spaß machen. Es ist jedenfalls unser Ziel, dass wir alles dafür tun werden, um Spaß zu haben. Auch wenn wir wissen, dass das Spiel ein ekliger Kampf wird, weil man viel laufen und viel verteidigen muss.

Die TSG Hoffenheim ist zunächst sehr gut in die Saison gestartet. Sie haben zuletzt aber nur noch eines der letzten sieben Bundesligaspiele gewonnen. Wie blicken Sie auf das Halbjahr zurück?

Es gab gute und schlechte Phasen. Wir haben noch viel Potenzial nach oben. Wir haben uns vorgenommen, kompakter zu sein und weniger Chancen und Tore zuzulassen, wollen die Spiele kontrollierter gestalten. Klar ist, dass das Spiel bei den Bayern uns diesbezüglich alles abverlangen wird – trotzdem wollen wir uns auch dort entsprechend präsentieren.

Sie haben bereits 26 Mal gegen den FC Bayern München gespielt. Vier Spiele davon haben Sie gewonnen, fünf Mal Unentschieden gespielt und 17 Mal verloren. An welche Spiele denken Sie besonders gerne zurück? Vielleicht an das 4:1 im September 2020?

Unter anderem, aber ich erinnere mich auch noch daran, wie wir mit dem SC Freiburg mal ein 1:1 über die Zeit gerettet haben. Das war auch sensationell. Es gab natürlich auch Spiele gegen Bayern, in denen ich viele Gegentore kassiert habe. Grundsätzlich bin ich ein Typ, der nach einem Spiel schnell einen Haken dahinter macht. Ich konzentriere mich dann schon wieder auf das nächste Spiel. An viele Spiele erinnere ich mich dadurch nicht mehr so gut. Das ist manchmal auch schade, weil man einigen Spielen nicht die Bedeutung gibt, die sie eigentlich verdient gehabt hätten.

Welcher Gegenspieler vom FC Bayern hatte aus Torwart-Sicht den unangenehmsten Schuss?

Robert Lewandowski, aber der ist ja nicht mehr da. Ich war eine Zeit lang sein Lieblings-Torwart, gegen den er am meisten getroffen hatte. Aber irgendwann wurde ich von einem anderen Torwart abgelöst.

Am Freitagabend werden Sie nicht auf Robert Lewandowski treffen, dafür aber auf Harry Kane. Kann man sich auf solche Top-Stürmer überhaupt richtig vorbereiten?

Bis zu einem gewissen Punkt, ja. Man kann sich vorher anschauen, wie die Bewegungen des Spielers sind und wie seine Schusstechnik ist. Aber ansonsten muss man voll im Moment sein und darauf reagieren, was in der jeweiligen Situation passiert.

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"Er ist auf menschlicher Ebene ein cooler Typ"

Freut man sich als Torwart darauf, gegen so einen Weltklasse-Spieler wie Harry Kane möglichst ein paar Schüsse zu parieren?

Das ist das Ziel. Ich freue mich immer darauf, mich mit Weltklasse-Spielern zu messen und diese Challenge zu haben.

Im Tor des FC Bayern München steht Manuel Neuer, den Sie auch von der Nationalmannschaft kennen. Wie bewerten Sie als Torwart-Kollege seine Leistungen?

Er hat die Gabe, total flexibel und beweglich zu sein. Und in dieser Beweglichkeit ist er extrem schnell. Das finde ich außergewöhnlich. Das ist etwas, was sich nicht nachmachen lässt. Er ist in dieser Hinsicht der Einzige. Zudem ist er auf menschlicher Ebene ein total cooler Typ. Ich habe mich immer sehr gut mit ihm verstanden und gerne Zeit mit ihm verbracht, wenn wir uns bei der Nationalmannschaft gesehen haben.

Wer ist für Sie momentan der beste Torwart der Welt?

Der kompletteste Torwart ist für mich Manuel Neuer. Ansonsten gehört für mich auch Thibaut Courtois (von Real Madrid, Anm. d. Red.) dazu. Das sind für mich die beiden komplettesten Torhüter der Welt, weil sie sehr gut Fußball spielen und sehr gut das Tor verteidigen können.

Der Torwarttrainer von Manuel Neuer beim FC Bayern ist Michael Rechner, der zuvor acht Jahre Ihr Torwarttrainer bei der TSG Hoffenheim gewesen ist. Tat Ihnen der Weggang vor knapp einem Jahr weh?

Ja, das tat ehrlicherweise sehr weh. Auf der anderen Seite habe ich mich sehr für ihn gefreut, dass er so eine Möglichkeit bekommt. Auch wenn sein Weggang sehr schade gewesen ist, war das deshalb am Ende für mich in Ordnung. Wir haben noch immer eine menschlich sehr gute Beziehung. Als Trainer hat er mir sehr viel mitgegeben. Ich bin sehr dankbar, wie er mich als Torwart entwickelt hat. Aber es gehört im Fußball dazu, dass die Menschen kommen und gehen. Was wichtig ist: Mit Alexander Stolz haben wir den perfekten Nachfolger gefunden.

Das Jahr 2024 ist auch das Jahr der Europameisterschaft im eigenen Land. Sofern alle gesund bleiben, dürften Manuel Neuer und Marc-André ter Stegen als Nummer 1 und 2 gesetzt sein. Wie präsent ist in Ihnen das Ziel, als Nummer 3 dabei zu sein?

Ich würde sagen, ich habe dieses Ziel passiv im Kopf. Ich gehe nicht in jedes Bundesligaspiel mit dem Gedanken an die EM. Aber das Ziel ist natürlich, so ein gutes zweites Halbjahr zu spielen, dass Julian (Nagelsmann, der Bundestrainer, Anm. d. Red.) mich dabeihaben möchte. Ich denke, dass ich der Nationalmannschaft auf verschiedenen Ebenen helfen kann. Wenn der Bundestrainer das ebenfalls so sieht, wäre ich bereit und gebe alles für das, wofür er mich braucht.

Letzte Frage: Vor allen Bundesliga-Spielen des 17. Spieltags wird es eine Schweigeminute für den verstorbenen Franz Beckenbauer geben. Was verbinden Sie mit Franz Beckenbauer?

Ich habe ihn leider nie persönlich kennengelernt. Aber er hat den deutschen Fußball extrem geprägt – vor allem den FC Bayern und die deutsche Nationalmannschaft. Jeder kennt ihn, auch die jungen Menschen. Ich wünsche der Familie alles Gute.

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Über den Gesprächspartner

  • Oliver Baumann (Jahrgang 1990) wurde in der Nachwuchsabteilung des SC Freiburg ausgebildet und gab im Mai 2010 sein Bundesligadebüt. Im Sommer 2014 wechselte der Torwart innerhalb der Bundesliga zur TSG Hoffenheim, deren Kapitän er mittlerweile ist. Baumann blickt bislang auf 443 Bundesligaspiele zurück. Er wurde schon mehrfach für die deutsche Nationalmannschaft nominiert, wartet allerdings noch auf sein Debüt.
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