• Der FC Bayern München musste sich bereits vor Beginn der vergangenen Hinrunde Gedanken um seine Besetzung im Sturmzentrum machen.
  • Nach einer überragenden Hinrunde von Eric Maxim Choupo-Moting können die Münchner nun überraschend entspannt in die Rückrunde starten.
  • Die Suche nach einem Lewandowski-Erben geht unterdessen weiter.
Steffen Meyer
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Steffen Meyer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Dass der FC Bayern in dieser Woche trotz einiger Personalsorgen relativ entspannt in sein jährliches Wintertrainingslager in Doha starten kann, ist eng mit seinem Namen verbunden. Nicht die Millionentransfers Mané oder de Ligt, sondern Eric Maxim Choupo-Moting (33) war der große Garant einer am Ende guten Vorrunde für den deutschen Rekordmeister.

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Erst als sich Bayern-Trainer Julian Nagelsmann dazu durchrang, den in Hamburg geborenen Nationalspieler Kameruns in die Startelf zu nehmen, explodierte seine Mannschaft mit zehn Pflichtspielsiegen zum Abschluss der Hinrunde. Nur deshalb ist Ruhe eingekehrt in München. Vergessen ist eine Phase im September und Oktober, als der ein oder andere Beobachter sogar die Zukunft von Trainer Nagelsmann in München infrage stellte. "Choupo" sei Dank.

Imposanter Lauf: Choupo-Moting knipste in neun von zehn Pflichtspielen

Choupo-Moting traf zwischen dem 16. Oktober und 12. November in neun von zehn Pflichtspielen. Darunter auch in den beiden prestigeträchtigen Partien gegen den FC Barcelona und Inter Mailand in der Champions League. Zudem bereitete er zwei Treffer vor. Der frühere Schalker und Mainzer traf dabei aus der Drehung, aus der Distanz, per Kopf oder sogar mit dem Knie, wie beim 3:2 gegen Hertha BSC, als er eigentlich am Ball vorbei trat und die Kugel trotzdem irgendwie zufällig über die Linie drückte. So sieht es aus, wenn ein Spieler einen historischen Lauf hat.

Rechnet man seine Torquote in der Bundesliga in dieser Phase hoch (alle 77 Minuten ein Treffer), käme Choupo-Moting über eine ganze Saison auf fast 40 Tore. Das ist eine nette Spielerei, zeigt aber auch, dass dieser Lauf nicht nachhaltig sein kann. Aus einem spielerisch versierten und körperlich nach wie vor sehr agilen Offensivspieler, der allerdings noch nie mehr als 10 Bundesligatore geschossen hat, wird nicht mit 33 Jahren plötzlich Gerd Müller.

Choupo-Moting macht alle um ihn herum besser

Trotzdem spricht viel dafür, dass Choupo-Moting als Startelfspieler mehr sein kann als ein One-Hit-Wonder. Zumindest für den FC Bayern in dieser Phase seiner Entwicklung. Das Experiment der Münchner, zunächst ohne echten Neuner in die Saison zu starten, ist aus guten Gründen erst einmal auf Eis gelegt.

Natürlich muss es möglich sein, aus einer illustren Offensive um Musiala, Sané, Coman, Mané, Müller und Gnabry eine Spielidee zu entwickeln, die auch ohne robusten Zielspieler im Zentrum Torgefahr erzeugt. Aber dafür braucht es Zeit, Vorlauf und Automatismen, die sich einspielen müssen. Was nicht funktioniert, ist einen Toptorjäger wie Robert Lewandowski nach fast 10 Jahren als Fixpunkt aus der Sturmmitte zu entfernen und das gleiche Spiel mit völlig anderen Spielertypen im Großen und Ganzen einfach fortzusetzen. Das hat der Saisonstart allzu deutlich gezeigt.

Auch deshalb hat sich die Hereinnahme von Choupo-Moting Mitte Oktober so positiv ausgezahlt. Ganz unabhängig von seiner Torgefahr macht er Bayerns Offensivspiel leichter. Weil er einerseits Steilpässe verarbeiten und auch mit dem Rücken zum Tor behaupten kann und sich gleichzeitig - ähnlich wie Lewandowski - immer wieder fallen lässt und damit Räume für die schnellen Flügelspieler (Sané, Gnabry, Coman) und den kreativen Musiala schafft. Choupo-Moting füllt ein Vakuum im Strafraum und setzt um ihn herum viel Kreativität frei. Deshalb explodierte das Münchner Offensivspiel im Herbst 2022.

Nagelsmann in der Rückrunde auf formstarke Mittelstürmer angewiesen

Wie geht es nun also weiter? Die Personalie Choupo-Moting hat zwei Dimensionen. Eine kurzfristige und eine langfristige. Kurzfristig spricht alles dafür, dass er eine ganz wichtige Option für Julian Nagelsmann bleibt. Zu wichtig und zu positiv war sein Einfluss in der Hinrunde, als dass er wieder in eine Rolle als Gelegenheitsarbeiter und Joker schlüpfen sollte. Auf der anderen Seite muss Nagelsmann darauf achten, ihn nicht zu überspielen und Belastungen zu steuern. Choupo-Moting wird im März 34, hat durchaus relevante Knieverletzungen hinter sich und fiel zuletzt auch mal mit hartnäckigen Leistenproblemen aus. Das letzte Mal, dass er in einer Saison mehr als zehn Startelfeinsätze verbuchte, war in der Saison 2017/2018 für Stoke City in der englischen Premier League.

Dies passt zu Informationen des bereits berichtet hatte, dass Julian Nagelsmann in der Rückrunde verstärkt mit Thomas Müller im Sturmzentrum plant - auch weil es nach den Eindrücken der letzten Monate kaum noch vertretbar ist, in wichtigen Spielen auf Jamal Musiala auf der 10 zu verzichten. Vom Fähigkeitenprofil spricht viel dafür, dass Müller die Rolle weiter vorn ähnlich wirkungsvoll ausfüllen kann wie Choupo-Moting. Er ist ebenfalls laufstark, weiß, wie er sich im Strafraum bewegen muss, und ist auch bei schnellen Kombinationen durchs Zentrum passabel. So viel zur Theorie.

In der Praxis fremdelt Müller jedoch seit Jahren mit dieser Rolle. Wenn er mal für Lewandowski einspringen musste, war das selten richtig überzeugend. Auch bei der WM blieb Müller zuletzt in zentraler Rolle wenig effektiv. Warum das so ist, bleibt fraglich. Nagelsmann muss intensiv an diesem Plan B arbeiten, damit er funktioniert. Einfach davon auszugehen, dass Choupo-Moting über die gesamte Rückrunde weiter in Weltklasseform agiert, wäre auch unabhängig von möglichen Verletzungen zu riskant.

Suche nach einem Lewandowski-Ersatz geht weiter

Eine weitere Alternative ist der 17-jährige Mathys Tel, der mit seiner wuchtigen, unbekümmerten Art in seinen wenigen Auftritten bisher positiv überraschen konnte. Nagelsmann hält zu Recht viel von ihm. Tel hat einen unheimlichen Zug zum Tor, schießt pro Minute so häufig aufs Tor wie kein anderer Bayern-Spieler und traf in sieben Bundesliga-Einsätzen bereits dreimal. Tels Spiel ist jedoch nicht ausgereift. Er ist nicht so kombinationsstark wie Müller oder Choupo-Moting und ist deshalb für den Moment als Joker und Mann für Tempowechsel nach einer Einwechslung besser aufgehoben.

Langfristig wird es rund um Choupo-Moting interessanter. Sein Vertrag läuft im Sommer aus. Seine Hinrunde hat Begehrlichkeiten geweckt. Eine Verlängerung in München gibt es wohl nur mit deutlich verbesserten Bezügen. Gleichzeitig muss sich der FC Bayern nach mittel- und langfristigen Alternativen umsehen. Die Gerüchte um Frankfurts Kolo Muani sind deshalb nicht überraschend, aber reichlich verfrüht. Die Suche nach einem Weltklasse-Stürmer braucht Zeit.

Dank Choupo-Motings zweitem oder dritten Frühling hat der FC Bayern nun diese Zeit gewonnen. Blenden lassen sollte sich jedoch keiner. Ein bald 34-Jähriger kann nicht die Dauerlösung für die Nachfolge von Robert Lewandowski sein. Zumindest nicht bei den extrem hohen Ansprüchen des FC Bayern.

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